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25.09.10 / Die Wahrheit hinter der Lüge / Bernhard Schlink bewegt mit sieben nachdenklich stimmenden Erzählungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Die Wahrheit hinter der Lüge
Bernhard Schlink bewegt mit sieben nachdenklich stimmenden Erzählungen

„Der Vorleser“ hat den deutschen Autor Bernhard Schlink weltberühmt gemacht und ihm zahlreiche Preise eingebracht. Doch auch die anderen Bücher des schreibenden Juristen und Professors belegen seine feine Beobachtungsgabe, sein Gespür für Atmosphäre und das bei ihm immer wieder in Worte gefasste Schweigen als literarisches Stilmittel. Auch sein vor zwei Jahren erschienener Roman „Das Wo-

chenende“, in dem es um einen nach zwei Jahrzehnten aus der Haft entlassenen RAF-Terroristen geht, der massiv an Christian Klar erinnert, verknüpfte wie beim „Vorleser“ Zeitgeschichte und Zeitgeist mit individuellen Schicksalen. Die Hauptrolle vor dieser literarischen Leinwand spielen jedoch die zwischenmenschlichen Beziehungen, mit denen Schlink mehr zu fesseln mag als manch anderer Autor mit Mord und Totschlag.

In seinem neuen Erzählband „Sommerlügen“ bietet Schlink wieder höchste Spannung, mitreißende Atmosphäre und menschliche Dramen, die auf leisen Füßen daherkommen. So sieht ein erwachsener Mann im Kino den Film „Sunshine Cleaning“ und fühlt sich von dem Film inspiriert, sich seinem Vater endlich zu nähern. Er lädt ihn zu einem Bachkonzert nach Rügen ein und hofft, endlich mehr über seinen Vater zu erfahren. Doch der alte Mann erweist sich keinesfalls als auskunftsfreudig. Die Spannung zwischen den beiden steigert sich mit jeder Stunde, die sie miteinander verbringen, bis aller Frust aus dem Sohn herausbricht, doch auch das beeindruckt den Vater nicht, der nur verwundert meint, sein Sohn würde ihn doch kennen. Doch auf der Heimreise haben beide ein Schlüsselerlebnis.

Und dann ist da der todkranke Senior, der seine Krankheit aber für sich behält, um mit seiner Familie einen letzten unbeschwerten Sommer zu erleben, bevor er selbstbestimmt allein eine endgültige Entscheidung trifft. Doch sein Geheimnis bleibt nicht geheim und statt Verständnis zu erhalten, erfährt er Erkenntnis.

In einer weiteren der sieben Geschichten erkennt eine alte Dame, dass ihre unglückliche Liebesgeschichte aus Jugendjahren keineswegs so war, wie sie es sich über all die Jahre hat einreden wollen. Und ein Theater-Autor muss in „Die Nacht in Baden-Baden“ erfahren, dass das Verschweigen von Dingen zu Notlügen und Verletzungen führen kann, die genau das bewirken, was er mit dem Verschweigen verhindern wollte.

Schlinks Erzählungen enden nachdenklich, zum Teil sogar offen. Viele der Situationen, in denen seine Figuren sich befinden oder verstricken, hat man in irgendeiner Form schon selbst erlebt oder aus seinem Umfeld erfahren. Natürlich steht am Ende jeder Episode auch eine „Moral der Geschicht“, doch der Autor nötigt sie seinen Lesern nicht auf, sie schwingt vielmehr sanft zwischen den Seiten mit.

„Sommerlügen“ ist erneut ein absolut lesenswertes Schlink-Buch!           Rebecca Bellano

Bernhard Schlink: „Sommerlügen“, Diogenes, Zürich 2010, gebunden, 279 Seiten, 19,90 Euro


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