25.04.2024

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02.10.10 / Abschied von Bärbel Bohley

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Abschied von Bärbel Bohley
von Vera Lengsfeld

Es regnete in Berlin an diesem Sonntag, trotzdem war die Gethsemanekirche gefüllt bis auf den letzten Platz.

Es waren nicht nur die Freunde und Mitstreiter von Bärbel Bohley gekommen, um von der Frau Abschied zu nehmen, die das Gesicht der Revolution von 1989 war. Es waren viele da, die Bärbel nur aus dem Fernsehen kannten, auch Politiker.

Renate Künast nahm dezent in einer hinteren Reihe Platz und vertraute klug darauf, dass Ihr Erscheinen allein genug Aufsehen erregte.

Wolfgang Thierse ließ sich in der ersten Reihe platzieren, verließ aber noch vor der Aussegnung die Kirche und demonstrierte damit, dass er lediglich eine Pflichtübung  absolviert hatte.

Alle anderen Gottesdienstbesucher verfolgten gebannt die Zeremonie.

Eine Frau, die sich selbst nie als Christin gesehen hatte, aber der Kirche immer verbunden war, wurde mit einem christlichen Trauergottesdienst geehrt.

Pfarrer Gisbert Mangliers verzichtete in seiner Predigt weitgehend auf politische Bezüge.

Im Mittelpunkt stand der Mensch, der in Gottes Hand ist und Gottes Gnade erfährt, selbst wenn er nicht gläubig ist.

Mit Recht wird die Neigung zu vieler Pfarrer beklagt, sich zu sehr dem Zeitgeist zu unterwerfen und sich einer Sprache zu bedienen, die als hipp gilt, in der Kirche aber unangemessen ist.

Pfarrer Mangliers predigte in gutem lutherischen Deutsch und verlieh der Zeremonie damit eine Würde, wie sie heute nur selten anzutreffen ist.

Als die Gemeinde auf Wunsch der Familie Bohley dann „Eine feste Burg ist unser Gott“ sang, war spätestens bei den Zeilen „Der Fürst dieser Welt / wie sau’r er sich stellt / tut er uns doch nicht / er ist gericht’ / ein Wörtlein kann ihn fällen“, klar, dass es nicht neumodischer Wortschöpfungen bedarf, um auszudrücken, was den Wert eines Lebens ausmacht, das Geschichte mitgeschrieben hat.

Selbst die anwesenden Journalisten waren gebannt von der Würde der Feier und verschonten die Gottesdienstbesucher mit ihrem Blitzlichtgewitter.

Bevor der Sarg aus der Kirche getragen wurde, verharrte die Trauergemeinde in einer Minute des Schweigens, die tatsächlich 60 Sekunden währte.

Bärbel Bohley war nun in Gottes Hand.

Der Abschied von einer Frau, deren Leben ein Beweis dafür ist, dass Engagement für Andere zu einem Reichtum führt, wie er niemals mit Geld erworben werden kann, hätte nicht gelungener sein können.


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