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02.10.10 / Lange Liste der Versäumnisse / Trotz aller Erfolge: Bei der Vereinigung von 1990 wurden kapitale Fehler gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Lange Liste der Versäumnisse
Trotz aller Erfolge: Bei der Vereinigung von 1990 wurden kapitale Fehler gemacht

Am 3. Oktober werden sie wieder gehalten: Die alljährlichen Feierreden auf die Deutsche Einheit, die doch nur selten einen neuen Gedanken enthalten. So erfreulich die „kleine“ Wiedervereinigung von 1990 ist: Ein Blick auf Fehler und Versäumnisse ist lehrreich.

Keine Frage: Aufs Ganze gesehen ist die Wiedervereinigung gelungen. Die Infrastruktur in den neuen Ländern ist oft moderner als die in den alten, auch der 1989 im rapiden Verfall befindliche Immobilienbestand ist überwiegend tip-top hergerichtet.

Doch große Probleme bleiben: Viel zu niedrige Geburtenraten, verbunden mit hoher Abwanderung haben Mitteldeutschland in die tiefste demographische Krise seit dem Dreißigjährigen Krieg geführt. Vor allem die Abwanderung von Leistungsträgern, die allerdings zu einem großen Teil schon in den Jahren 1949 bis 1961 geschehen ist, hat zu einer dauerhaften, selbst durch die beste Förderpolitik nicht auszugleichenden  Schieflage geführt. Zwei Zahlen belegen das schlaglichtartig: Im vergangenen Jahr wurden in Mecklenburg-Vorpommern 191 Erfindungen patentiert, das sind elf pro 100000 Einwohner. In Baden-Württemberg waren es hingegen 15532 oder stolze 144 pro 100000 Einwohner – also fast 14 Mal so viele. Die dahinterstehende Kluft bei Produktivität und Exportkraft kann sich jeder ausmalen. Ursache ist natürlich nicht, dass die Mecklenburger weniger pfiffig wären, sondern dass viele pfiffige Mecklenburger längst in Baden-Württemberg leben.

Die Politik hat dieses Problem kaum thematisiert, geschweige denn zu lösen versucht. Ein Ansatz wäre, Übersiedlern aus den neuen Ländern im Falle der Rückkehr in ihre Heimat eine (befristete und abnehmende) Einkommensteuervergünstigung zu gewähren.

Ein anderer Weg, die Rückkehr von Leistungsträgern nach Mitteldeutschland zu fördern, wäre, die Wiedergutmachung der SBZ-Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949. Bis heute ist nicht recht klar, warum die Bundesregierung eine Rückgabe der damals enteigneten Immobilien selbst dann verweigert, wenn diese sich noch in Staatsbesitz befinden. Unabhängige Gutachter haben längst nachgewiesen, dass diese Lösung selbst bei rein fiskalischer Betrachtung für den Staat die vorteilhafteste wäre, weil hohe Investitionen und dauerhaft höhere Steuerzahlungen die Folge wären.

Der anfängliche Einwand der Regierung Kohl, die UdSSR habe eine solche Regelung im Einheitsjahr 1990 untersagt, wurde längst von Michail Gorbatschow persönlich dementiert. Dass auch der spätere Bundespräsident Roman Herzog als Präsident des Bundesverfassungsgerichts in einem der umstrittensten Urteile der bundesdeutschen Rechtsgeschichte die Verweigerung der Restitution mittrug, ist mehr als nur eine bittere Fußnote zur Wiedervereinigung von 1990.

Zu den großen Fehlern gehörte gewiss auch die sogenannte „Sonder-AfA“ von 50 Prozent für Investitionen in Ost-Immobilien. Damit wurden zwar buchstäblich Hunderte Milliarden Mark an privatem Kapital mobilisiert. Allerdings wurde oft grandios am Bedarf vorbei gebaut. Im Rück-blick wäre es gewiss besser gewesen, diese Förderung niedriger zu dimensionieren; vor allem aber hätte sie nur für Renovierungen, nicht aber für Neubauten gelten dürfen. Denn angesichts der rapide schrumpfenden Einwohnerzahlen fehlt für Neubauten  schlicht der Bedarf.

Die Folgen allein dieser einen Fehlentscheidungen waren gravierend: In den Jahren 1993 bis 1996 halbierte (!) sich der durchschnittliche Wert der zuvor massiv überbewerteten Ost-Immobilien. Außerdem geriet die hier besonders engagierte Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in eine so massive Schieflage, dass selbst die Übernahme durch die Bayerische Vereinsbank sie nicht mehr retten konnte. Am Ende wurden beide zusammen von der italienischen Unicredit übernommen, der Finanzplatz München war gründlich entkernt.

Gar nicht falsch war hingegen die Währungsumstellung bei kleinen Guthaben und laufenden Zahlungen im Verhältnis 1:1 – trotz einer schier unausrottbaren anders lautenden Legende (siehe rechts). Umso falscher war hingegen die von Helmut Kohl durchgesetzte sehr schnelle Anpassung der Ostrenten an das Westniveau. Plötzlich lebten viele Rentnerehepaare im Osten wegen langer Lebensarbeitszeiten und der in der DDR üblichen Frauenerwerbstätigkeit geradezu im Luxus, obwohl sie nie einen Pfennig in die notorisch leere bundesdeutsche Rentenkasse eingezahlt hatten. Der Unterschied vergrößerte sich noch durch die oft niedrigeren Mieten im Osten. Gedankt haben es ihm die reich beschenkten Ostrentner kaum, vielmehr wählten sie zu hohen Anteilen PDS. Bis heute staunen Beobachter, warum der Machtpolitiker Helmut Kohl hier nicht die alte Einsicht Macchiavellis bedacht hatte, dass man Wohltaten stets langsam und in kleinen Dosen verabreichen müsse.

Ein bitterer Fehler der Einheit war schließlich sicher die fast ganz ausgebliebene Gerechtigkeit für das SED-Unrecht. Nur eine handvoll Mauerschützen und Folterknechte in den DDR-Zuchthäusern musste für ihre Taten ins Gefängnis. Schlimmer noch: Die Opfer mussten 17 Jahre lang (!) auf eine beschämend mickrige Haftentschädigung warten. Ähnlich schlecht ging es den Vertriebenen in der Ex-DDR: Sie wurden mit einer Einmalzahlung von 4000 D-Mark abgespeist. Konrad Badenheuer


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