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02.10.10 / Unlösbare Rätsel / Positive und negative demographische Daten aus Königsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Unlösbare Rätsel
Positive und negative demographische Daten aus Königsberg

Königsberg gibt unlösbare demographische Rätsel auf. Zum einen meldete es 2009 den „Rekord“ von 10885 Neugeborenen, den höchsten Wert seit 18 Jahren. Zum anderen kommen aus Ostpreußens Hauptstadt „alarmierende Daten“ über einen Anstieg der Säuglingssterblichkeit von 6,1 Prozent (2008) auf 8,3 Prozent (2009). 2010 wird sie weiter steigen, zumal bereits jedes zehnte Neugeborene direkt aus dem Kreißsaal ins Krankenhaus muss.

Ins Krankenhaus kann, hieße es besser: Denn Königsberg gehört – im Verein mit Irkutsk, Twer und Sankt Petersburg – zu den vier Glücksstädten, in denen eine von 22 geplanten „regionalen Geburtskliniken“ arbeitet. Geplant sind weiterhin 17 „föderative Kliniken“. Aber das alles wecke nur „nutzlose Illusionen über wachsende Geburten- und fallende Sterblichkeitsraten“, so die harsche Kritik von Anatolij Wischnewskij, Chef des Moskauer demographischen Instituts. Ähnlich klingt es in demographischen Fachorganen: Kaum jemand glaubt den Projekten und Versprechungen, die Premier Wladimir Putin und Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa verbreiten. Besonders ungläubig sind die Königsberger, wie jüngste Umfragen verraten. Jelena Kljujkowa, Gesundheitsministerin der Region Königsberg, und Dr. Iwan Martschuk von der regionalen Geburtenklinik kennen das Grundproblem: Erst eine relativ bessere Versorgung wie die von Königsberg offenbart die absolute Misere im ganzen Gesundheitswesen der Russischen Föderation.

Auch in Königsberg sprechen Laien und Fachleute vom „russischen Kreuz“, wenn sie die demographischen Abwärtstrends des Landes meinen. Der US-Ökonom Nicholas Eberstadt erforscht sie seit 40 Jahren und rechnete sie im September 2010 erneut vor: In den letzten 16 „Sowjetjahren“ gab es 36 Millionen Geburten und 24,6 Millionen Todesfälle. In den ersten 16 postsowjetischen Jahren waren es nur 22,3 Millionen Geburten, aber 34,7 Millionen Tote, das heißt, die Geburten gingen um 40 Prozent zurück, die Todesfälle stiegen um 40 Prozent! Die Russen sterben aus – von den gegenwärtig 142 Millionen werden, wenn es so weitergeht, 2025 noch 133 Millionen, 2050 117 Millionen verbleiben.

Königsberger haben eine für Russen hohe Lebenserwartung von 66,5 (2008) beziehungsweise 67,2 Jahren (2009). 2025 sollen es in ganz Russland 75 Jahre sein, ein Wert, wie er gegenwärtig in Mexiko besteht, von den USA und Westeuropa nicht zu reden. Für Russland ist dieser Wert fiktiv, da das Land erst ab 2012 die international gültigen demographischen Kriterien einführen will und bis dahin dem Selbstbetrug falscher Daten unterliegt. Sicher ist nur, dass die Russische Föderation alljährlich eineinhalb Millionen Menschen durch Trunksucht, Gewalt, Unfälle und so weiter verliert und dass Armut, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, zerrüttete Familien, eine hohe Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen und so weiter die sonst noch passablen Geburtenziffern abstürzen lassen.

In der ganzen Russischen Föderation ist die Säuglingssterblichkeit zwei- bis dreimal höher als im übrigen Europa, mit 10,6 Todesfällen pro 1000 Geburten (nach eigenen Rechnungen 6,7) nimmt die Russische Föderation weltweit den 73. Platz ein. Eine gut geführte Geburtenklinik, wie die 2009 in Königsberg eröffnete, könnte Abhilfe schaffen und pro Jahr 650 bis 1700 Kinder retten.        Wolf Oschlies


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