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02.10.10 / Qualität sieht anders aus / Kritik an den Medien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Qualität sieht anders aus
Kritik an den Medien

Er provoziert so herrlich, spitzt so unterhaltsam zu und trifft so oft den Kern des Problems, dass man Tom Schimmeck, einem freien Autor von „taz“ und „Zeit“, seine doch manchmal sehr linken Ansichten „verzeihen“ möchte.

„Am besten nichts Neues – Medien, Macht und Meinungsmache“ heißt sein neues Buch, in dem er gleich damit beginnt, seine Leser zu beschuldigen. „Ohne Sie, lieber Leser, wäre alles halb so schlimm. Bevor Sie sich genüsslich und hoffentlich gut gepolstert zurücklehnen, um Ihr harsches Urteil über die Journalisten, die Politiker und das Böse schlechthin weiter zu festigen, ein paar Worte über Sie. Auch Sie tragen große Schuld: Sie sind es, der noch den miesesten Textkrempel kauft, der zwanghaft die abstrusesten TV-Kanäle durchzappt. Nein, natürlich nicht Sie ganz persönlich, doch Sie alle, als breite Masse sozusagen, als gottverdammtes Publikum.“

Schimmeck schildert am Beispiel einer Pressekonferenz von Angela Merkel, wie die Medien darüber berichten. So analysiert er unter anderem eine „Tageschau“-Sendung hinsichtlich Bildauswahl, Zitaten, Kommentaren, Schnitten und Einblendungen. Er verweist darauf, dass Politikeraussagen 1983 im Fernsehen im Schnitt 30 Sekunden dauern durften, heute seien jedoch nur noch 15 Sekunden üblich. Doch welche Inhalte kann man in 15 Sekunden rüberbringen? So sei es auch kein Wunder, dass sich die Politiker in ihren Aussagen der Art der Berichterstattung anpassten.

„Ein Dieter Bohlen braucht nur einen Furz lassen, um News zu generieren. Burkina Faso muss für eine vergleichbare Menge medialer Zuwendung schon tausend Tote aufbieten. Oder doch wenigstens drei entführte deutsche Touristen“, lästert Schimmeck.

Der Autor schildert auch, dass die Sparprogramme, die nicht nur Zeitungen, sondern auch Fernsehsender und Radiostationen über sich ergehen lassen müssen, weil ihre Inhaber vor allem auf die Rendite starren, immer öfter die Qualität der Berichterstattung senken. Angesichts der Arbeitsabläufe in manchen Redaktionen, sei der Begriff „Journalist“ für manche Tätigkeiten zu hoch gegriffen. „Verfüllungsgehilfe“ oder „Akkordarbeiter“ seien passender. Von „Fertigungsstraße einer Nachrichtenfabrik“ ist gar die Rede. Regelrecht „gefressen“ hat Schimmeck den Bauer-Verlag, über dessen Verlagsprogramm er sich aufregt.

In dem Buch wird auch der Frage nachgegangen, wieso Altkanzler Helmut Schmidt trotz seiner mauen Regierungsbilanz, so Schimmeck, zum Medienliebling werden konnte: „Weil er Positionen zu beziehen weiß – was rar geworden ist in der grassierenden Geschmeidigkeit. Mehr noch, weil mit einer diffusen, um sich greifenden Verachtung für Politik die Sehnsucht nach einfacher Herrschaft in dieser überkomplexen Welt wächst.“

Auch macht sich der Träger des Deutschen Sozialpreises 2009 darüber lustig, wie Medien sich bestimmte Schlagwörter wählen, ohne deren genaue Definition zu klären. So missfällt Schimmeck natürlich das Wort „Gutmensch“. Aufs Korn wird auch die Wirtschaftsberichterstattung genommen, denn vieles sei hier Show und Hurra-Journalismus.             Bel

Tom Schimmeck: „Am besten nichts Neues – Medien, Macht und Meinungsmache“, Westend, Frankfurt am Main 2010, kartoniert, 303 Seiten, 17,95 Euro


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