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02.10.10 / Von der Wehrmacht zur NVA / Deutschlandfunk-Redakteur über Weltkriegsveteranen im Dienste Ulbrichts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-10 vom 02. Oktober 2010

Von der Wehrmacht zur NVA
Deutschlandfunk-Redakteur über Weltkriegsveteranen im Dienste Ulbrichts

In der Führungselite der bewaffneten Organe der DDR bekleideten in den Anfangsjahren zwar Altkommunisten die wichtigsten Positionen, doch gehörten auch zwei vormalige Generalmajore und zwei frühere Majore im Generalstab der Wehrmacht zum Kreis der wichtigsten Offiziere des selbsternannten Arbeiter- und Bauernstaats. Ihnen waren Altkommunisten als Stellvertreter zugeordnet, da man sich ihrer Loyalität nicht sicher war, wie Peter Joachim Lapp in „Die zweite Chance – Wehrmachtsoffiziere im Dienste Ulbrichts“ schreibt. Sie und alle anderen „Ehemaligen“, die sich in den 1950er Jahren in der Mitte Deutschlands für eine Fortsetzung ihrer militärischen Laufbahn unter neuen Vorzeichen entschieden hatten, wurden nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst in den 1960er Jahren ins Abseits gestellt. Über ihre frühere Zugehörigkeit zur Wehrmacht wurde durchgehend geschwiegen. In einem weiteren Anlauf hat sich der frühere Deutschlandfunk-Redakteur Lapp mit der Rolle der vormaligen Offiziere der Wehrmacht in der Kasernierten Volkspolizei (KVP) / Nationale Volksarmee (NVA) beschäftigt und dafür erneut in den Aktenbeständen der Birthler-Behörde recherchiert.

Sein Buch „Die zweite Chance“ ist eine Überarbeitung und Aktualisierung der Erstausgabe von 2000, betitelt „Ulbrichts Helfer – Wehrmachtsoffiziere im Dienste der DDR“. Den Ausführungen sind Ablichtungen von 69 Dokumenten beigefügt. Desweiteren hat der Autor 2006 die Studie „General bei Hitler und Ulbricht: Vincenz Müller – Eine deutsche Karriere“ veröffentlicht. 

Mehrere Tausend ehemalige Wehrmachtssoldaten, darunter Offiziere und einige Generale, wurden ab 1948 in der HVA (Hauptverwaltung Ausbildung, ab 1949), KVP (ab 1952) und NVA (ab 1956) eingesetzt. Einige bekleideten in den 1950er Jahren in der SBZ/DDR hochrangige Posten, so die Stabschefs einschließlich leitender Mitarbeiter der Hauptverwaltung Ausbildung, (ab 1949), der HVL (Hauptverwaltung Luftpolizei, mit der Gründung der KVP (im Juli 1952 zur Volkspolizei Luft umbenannt) und der HVS (Hauptverwaltung Seepolizei, ab 1950).

Dem Autor ist daran gelegen, niemanden an den Pranger zu stellen („Not kennt kein Gebot!“). Er ist zur Überzeugung gelangt, dass den meisten offenbar die Fortsetzung ihrer Laufbahn unter veränderten Vorzeichen in der DDR als pragmatische Lösung erschienen sei, da sie keine Veranlassung gesehen hätten, den Parolen der Kommunisten keinen Glauben zu schenken, die vorgaben, ein unabhängiges, demokratisches Gesamtdeutschland anzustreben. Man glaubte, die Wiedervereinigung sei nur eine Frage von Jahren. Innerhalb der Blockpartei NDPD gab es für sie die Gelegenheit, sich zu einem vereinigten Vaterland zu bekennen. Andere, vor allem ehemalige höhere Dienstgrade, hatten in sowjetischer Gefangenschaft, unter Druck oder freiwillig, mit dem Geheimdienst kooperiert, manche sogar eine Verpflichtungserklärung zur verdeckten Mitarbeit unterzeichnet. Von den kriegsgefangenen Offizieren der Wehrmacht hatten sich ab 1943 etwa 4000 dem Nationalkomittee Freies Deutschland (NKFD/BDO) angeschlossen. Diese waren erpressbar und umso leichter zum „Polizeidienst“ in der SBZ/DDR zu verpflichten. Lapp betont: Die Wiederverwendung der „Ehemaligen“ geschah auf Druck der Russen: „Wenn es nach den deutschen Kommunisten in der SED gegangen wäre, hätte man wahrscheinlich auf diese Leute verzichtet und Kriegserfahrungen und militärische Grundkenntnisse durch ‚Spanienkämpfer‘ und ‚Rote Partisanen‘ vermittelt.“

Die deutschen Kommunisten benutzten diesen Personenkreis skrupellos, so Lapp. Sie grenzten diese Menschen aus und brachen sie seelisch wie körperlich. Nur wer sein Gewissen zum Schweigen brachte, indem er seine Herkunft verleugnete und seine Kameraden aushorchte, konnte sich als „Antifaschist“ bewähren. Diesen „Ehemaligen“ gelang es vereinzelt, durch Beziehungen zu führenden SED-Funktionären ihre Positionen auszubauen.

Lapp blieb es übrigens verwehrt, in den Beständen der „Organisation Gehlen“ beziehungsweise des Bundesnachrichtendienstes (BND) über Aktivitäten dieser Dienste in der DDR im fraglichen Zeitraum zu forschen.             Dagmar Jestrzemski

Peter Joachim Lapp: „Die zweite Chance – Wehrmachtsoffiziere im Dienste Ulbrichts“, Helios Verlag, Aachen 2010, gebunden, 235 Seiten, 19,90 Euro


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