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09.10.10 / Kein Geld mehr für Brot und Spiele / Um die Venezolaner für seine Revolution zu begeistern, köderte Chávez sie, doch nun fehlen ihm die Mittel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-10 vom 09. Oktober 2010

Kein Geld mehr für Brot und Spiele
Um die Venezolaner für seine Revolution zu begeistern, köderte Chávez sie, doch nun fehlen ihm die Mittel

Der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ von Hugo Chávez treibt Venezuelas Wirtschaft immer tiefer in den Ruin. Das ölreiche Land leidet mittlerweile sogar unter einer Energiekrise.

Die Venezolaner verlassen in Scharen ihr Land, und verabschieden sich mit bitterem Spott von der Heimat: „Adiós, Cubazuela!“ Mit der Namensschimäre aus „Cuba“ und „Venezuela“ schimpfen sie heraus, wohin sie ihr Land sinken sehen – auf den Stand eines zweiten Kuba.

Immer mehr Venezolaner verzweifeln an ihrer sozialistischen Führung unter Präsident Hugo Chávez. Bei den vergangenen Parlamentswahlen verfehlten seine Partei und ihre Verbündeten die erhoffte Zweidrittel-Mehrheit der Sitze.

Das kam einem kleinen Wunder gleich, denn die Wahlen liefen keineswegs unter fairen Bedingungen ab. In den vergangenen Jahren wurden unabhängige Medien planmäßig niedergemacht, Sender reihenweise geschlossen. Zuletzt ließ Chávez die Wahlkreise so zuschneiden, dass die Stimmen in den ihm eher gewogenen Landesteilen bis zu 20 Mal schwerer wogen als die aus jenen Gebieten, in denen die Opposition dominiert.

Hauptursache für die wachsende Unzufriedenheit mit dem linksradikalen Machthaber, der das Land seit 1998 regiert, ist der von Chávez selbst verursachte wirtschaftliche Niedergang des Landes. Und ein Land wie Venezuela zu ruinieren, ist fast ein Kunststück, denn der einstige lateinamerikanische Vorzeigestaat sitzt auf gigantischen Ölreservern, gehört sogar der Opec an. 90 Prozent des Exportvolumens werden mit dem schwarzen Gold erwirtschaftet.

Dennoch wird die Versorgungslage zunehmend unerträglich, und langsam erreicht die Misere auch die ärmsten der Armen, auf die sich Chávez bislang verlassen konnte, weil er sie mit allerlei teuer erkauften Wohltaten bei Laune hielt. Dabei gingen die Maßnahmen voll zulasten der heimischen Wirtschaft, die darunter in die Knie ging.

So muss die verstaatlichte Ölgesellschaft „Petróleos de Venezuela“ (PDV) etliche der etwa 20 Sozialprogramme, der sogenannten „Misiones“, direkt finanzieren. Jene „Misiones“ sind es, mit denen sich Chávez über Jahre die Zuneigung der unteren Schichten erkauft hatte. Sie direkt von PDV, an deren Spitze der Staatschef Freunde und Genossen positioniert hat, finanzieren zu lassen hat einen Vorteil: So taucht das viele Geld gar nicht erst im offiziellen Staatsetat auf.

In den Jahren hoher Ölpreise bis 2008 ging das alles wunderbar. Weder die Unfähigkeit der neuen roten PDV-Herren noch die finanzielle Belastung durch die „Misiones“ vermochten das wichtigste Unternehmen Venezuelas in Schwierigkeiten zu bringen. Seit dem Ölpreis-Verfall und der Weltwirtschaftskrise aber ist alles anders. Nun fehlen der PDV die Mittel für notwenige Reparaturen und Investitionen, weil viel zu viel bei den „Misiones“ endet.

Dringende Reparaturen bleiben aus, die Anlagen verkommen, und für die Erschließung neuer Ölgebiete ist schon erst recht kein Geld mehr da. Eher kleinlaut ruderte Hugo Chávez daher vergangenen Februar ein Stück zurück und unterzeichnete mit den Konzernen Chevron (USA) und Repsol (Spanien) einen Vertrag zur Erschließung der riesigen Ölschlamm-Vorkommen im Orinoco-Becken.

Trotz eigener Schwierigkeiten unterstützt Chávez nach wie vor das verbündete Kuba mit billigem Öl. Im Gegenzug „liefert“ das Castro-Regime vor allem Ärzte, Pfleger und sogar Sporttrainer für die „Misiones“. Kuba stellt zudem Beamte für das Meldewesen, die Liegenschafts- und die Standesämter bereit, so dass sich viele Venezolaner längst von den Kubanern okkupiert sehen. Sogar Hotels werden zunehmend durch Manager von der Zuckerinsel geleitet. Mit den Kubanern drang, vom bekennenden Marxisten Chávez durchaus beabsichtigt, auch die sozialistische Ideologie bis ins bürgerliche Leben der Venezolaner vor. Hinter vorgehaltener Hand schlägt den Sendboten Castros stellenweise blanker Hass entgegen.

Der wirtschaftliche Verfall schreitet derweil fort: Selbst die Zentralbank räumt ein, dass die Inflationsrate bei 30 Prozent liege, bei Nahrungsmitteln laut anderen Schätzungen wohl eher um 50 Prozent. Die Lohnsteigerung hält da nicht mit, der Lebensstandard sinkt. Berichte über zerfallende Straßen, Leitungsnetze und Gebäude erinnern auch Deutsche an Zustände in anderen sozialistischen Volkswirtschaften der Geschichte.

Ein Hauptärgernis sind skurrilerweise die häufigen Stromausfälle – die Sozialisten haben es geschafft, das ölreiche Land in eine Dauer-Energiekrise zu stürzen. Dabei fällt allerdings auf, dass vor allem solche Bezirke betroffen sind, die der Opposition zugerechnet werden.

Neben der Mangelwirtschaft hat sich ein Almosensystem etabliert, das wie eine Karikatur des Feudalismus daherkommt: Wem das Dach leckt, wer eine neue Krücke braucht oder gar ein Auto oder wem sonstwo der Schuh drückt, der kann sich direkt an den Präsidenten wenden. Die sozialistische Partei überprüft dann die Linientreue des Bittstellers. Ist die gegeben, darf auf Hilfe gehofft werden. Wer sich hingegen als kritischer Geist offenbart hat, geht leer aus – der ideale Nährboden für Angst, Bespitzelung und Denunziation.

Die Wirtschaftsleistung schrumpfte, trotz Ende der Weltwirtschaftskrise und wieder steigendem Ölpreis, im ersten Halbjahr 2010 um 3,5 Prozent. Ein Vorbote des baldigen Endes von Hugo Chávez’ rotem Spuk? Der spielt auf Zeit: Sollte, wie von manchen prognostiziert, der Ölpreis in den nächsten beiden Jahrzehnten auf das Vierfache steigen, könnte Chávez seine Misswirtschaft noch lange finanzieren. Die venezolanische Wirtschaft dürfte dann jedoch komplett in Trümmern liegen. Hans Heckel


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