26.04.2024

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16.10.10 / H wie Holland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

H wie Holland
von Theo Maass

In den 60er Jahren war unter Gymnasiasten der Satiriker Ephraim Kishon sehr populär. 1962 erschien die Satire „Wie man ein Buch bespricht, ohne es vorher gelesen zu haben.“ Kishon beschreibt darin die Zeitnot eines Literaturkritikers. Ein hoffnungsvoller Nachwuchsliterat hatte ihm seine neuestes Werk übersandt und spricht ihn immer wieder darauf an. Schließlich wagt Kishon den Schritt und bespricht das Buch mit dem Autor, ohne es gelesen zu haben. Wie viele Buchkritiken anderer Literatur­päpste fällt sein Urteil vernichtend aus: „Das soll ein Buch sein? Für wen? Für das Publikum gewiss nicht! Kein Mensch liest so ein Buch!“ Der Autor war am Boden zerstört.

Neulich wurde ich wieder an Kishon erinnert. Bundeskanzlerin Merkel erklärte, das Sarrazin-Buch gar nicht gelesen zu haben. Sie habe sich nach den Veröffentlichungen über das Buch ihre Meinung gebildet.

Einen Schritt weiter auf diesem Wege ging nun dieser Tage die Redaktion des Berliner „Tagesspiegel“. Am 2. Oktober 2010 sprach der niederländische Islamkritiker Geert Wilders in Berlin vor 550 Zuhörern. Die Veranstalter machten sich im Vorfeld viele Sorgen um die Sicherheit des Redners und der Veranstaltung selbst. Immerhin sind in den Niederlanden mit Theo van Gogh und Pim Fortyn schon Leute dafür ermordet        worden, dass sie ähnlich redeten wie Wilders. Die Veranstalter baten die Presse  daher um Verständnis dafür, dass sie den  Veranstaltungsort erst kurz vor Beginn bekannt geben wollten.

Die Sicherheitsorgane wussten hingegen früher Bescheid. Doch dort gab es offenbar eine undichte Stelle. In aller Herrgottsfrühe konnte man an jedem Zeitungsstand im „Tagesspiegel“ lesen, wo Wilders sprechen würde. Das Blatt wörtlich: „Dies verlautete aus Sicherheitskreisen.“ Veranstalter René Stadtkewitz war über die Petzerei der Zeitung derart erbost, dass er den „Tagesspiegel“ des Veranstaltungssaals verwies. Die Zeitung berichtete dennoch beinahe so, als sei sie  dabei gewesen. Parteigründer Stadtkewitz  habe nur „Außenseiter“ anlocken können,  behauptete das Blatt.

Hatten sie sich etwa unbemerkt hinein­geschlichen, um die Besucher zu inspizieren? Nein: Als Beleg für die Außenseiterschaft von Wilders und seinen Anhängern führten die Redakteure an, der Politiker habe seine Fans quasi aus den Niederlanden mitgebracht, um den Saal zu füllen. Man habe einen entsprechenden Reisebus ausgemacht. Welchen Bus meinten sie? Es stand nur ein einziger Bus vor dem Hotel, und der trug tatsächlich das verdächtige Länderkennzeichen H. H wie Holland, dachten die findigen Reporter wohl. Tja, Pech gehabt: H steht für Ungarn – NL ist das Kennzeichen der Niederlande.


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