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16.10.10 / Die Renaissance der Kaper-Briefe / Da die offiziellen Einsätze gegen die Piraten im Golf von Aden ineffektiv sind, sollen nun private Firmen helfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

Die Renaissance der Kaper-Briefe
Da die offiziellen Einsätze gegen die Piraten im Golf von Aden ineffektiv sind, sollen nun private Firmen helfen

In Hamburg wird demnächst gegen zehn somalische Freibeuter der erste Piratenprozess seit 400 Jahren eröffnet. Derweil bleibt die Lage für die internationale Schifffahrt vor der ostafrikanischen Küste trotz des Einsatzes von rund 50 Kriegsschiffen äußerst unsicher. Die Piraterie ist dort weiter sehr „erfolgreich“. Nun soll eine britische Privatarmee das Problem lösen.

„In den letzten drei Jahren waren sie unfähig, Dutzende von Schiffen zu schützen“, so brandmarkt Sean Wollerson, Seniorpartner des Versicherers Jardine Lloyd Thompson Group (JLT) aus Großbritannien, die jährlich Hunderte von Millionen Dollar verschlingenden Einsätze der EU („Operation Atalanta“), der Nato-Taskforce und der US-Marine im Golf von Aden und den betroffenen Seegebieten im Indischen Ozean. Er kündigte an, für 15 Millionen Dollar Startkosten eine Flotille von 20 Schnellbooten auszurüsten, zu bewaffnen und in die Region zu entsenden. Jeweils zwei der Boote sollen britische Schiffe durch die gefährdeten Zonen begleiten und den Freibeutern schon von Weitem klar machen, dass sie sich geschütztem Gebiet nähern.

Der Versicherer JLT, der weltweit 14 Prozent der kommerziellen Schifffahrt versichert, übernimmt damit eine Vorreiterrolle für eine große Zahl von Interessenten, die ähnliche Schritte schon seit langem fordern. So verlangte etwa der Deutsche Reederverband im Frühjahr, die Besatzung von Handelsschiffen durch gut bewaffnete Soldaten zu ergänzen. Auch die Schweiz erwog bereits solche Schritte, verwarf sie aber aus Gründen des internationalen Rechts wieder. In den USA sind die Forderungen noch deutlicher. Schon vor Jahresfrist wurde von privaten Sicherheitsfirmen die Wiedereinführung der sogenannten Privatiers und Kaper-Briefe angemahnt. Das waren früher amtlich sanktionierte Piraten, wie etwa Englands Henry Morgan oder Francis Drake. Sie durften mit Genehmigung ihrer Regierungen Handelsschiffe von Gegnern, aber auch andere Piraten auf eigene Rechnung plündern. Nun sollen solche Privatiers erneut Seeräuber aufs Korn nehmen, ihre inzwischen Hunderte von Meilen außerhalb der Küste operierenden Mutterschiffe versenken.

Die US-Firma „Espada Logistics & Security Group of San Antonio“ fordert explizit, die von König Edward III. im Mittelalter eingeführten Kaperbriefe zu reanimieren. Dies sei auch im US-„Statute book“ als Artikel 1, Paragraph 8, der amerikanischen Verfassung und im Titel 33 des US-Codes, Paragraph 385 und 386, festgelegt. Es gab bereits Anläufe, einen solchen Antrag im US-Kongress einzubringen, zudem wurden entsprechende Vorstöße bei anderen westlichen Regierungen, beispielsweise in Großbritannien, unternommen. Die USA und Großbritannien sind inzwischen im Gespräch mit privaten Sicherheitskräften, die die internationalen Fregatten unterstützen sollen. Die Kosten für eine solche Privatarmee werden auf rund zwölf Millionen Euro geschätzt. Versicherer und Reeder, so der Plan, sollen sie sich teilen. Im Gegenzug könnten die hohen Versicherungsprämien sinken. Sie betragen je nach Schiffsgröße und Ladung zwischen 58000 und 350000 Euro.

Dem lukrativen und von Hintermännern wohl organisierten Geschäft der Piraterie, das inzwischen Hunderte von Millionen einspielte, jedenfalls ist, darüber sind sich alle einig, mit herkömmlichen Mitteln und internationalen Reglements nicht beizukommen. Kenias Außenminister Moses Witangula brachte es kürzlich auf den Punkt: Das Geld, das die „Operation Atalanta“ kostet –die Bundeswehr ist mit bis zu 1400 Soldaten daran beteiligt –, sollte besser für den Aufbau eines funktionierenden Staatswesens in Somalia eingesetzt werden. Denn in diesem Land fehlt jede ordnende Hand, gibt es keine Infrastruktur, Warlords beherrschen die Szene und gewähren den Piraten Unterschlupf, weil sie an dem blutigen Handwerk mitverdienen.

Immerhin kontrollieren die Führer der maritimen Gangster ein Heer von 500 bis 800 Piraten, über Nachwuchs brauchen sie sich keine Sorgen zu machen. 406 Überfälle gehen alleine 2009 auf ihr Konto – ein Plus von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Selbst Treibminen stehen ihnen zur Verfügung, die ein Loch in den Schiffsrumpf sprengen, es zum Stopp zwingen und die Enterung erleichtern. Das internationale Maritime Bureau in Kuala Lumpur schätzt den jährlichen Schaden für die Schifffahrt auf 13 Milliarden US-Dollar im Jahr. Allein Ende September 2010 hatten die Somali-Korsaren 23 Fahrzeuge an der Kette und 414 Seeleute in ihrer Gewalt – dies trotz der Präsenz von 52 Kriegsschiffen mehrerer Nationen in diesem Seegebiet des Indischen Ozeans.

Doch schon kommt der Protest auf, private Kräfte würden gegen internationales Recht verstoßen und seien völkerrechtlich bedenklich, da nur staatlichen Marineeinheiten die Lizenz zum Töten gewährt werde. Recht und gut, so argumentieren erfahrene Nautiker, aber der Gegner ignoriert ja dieses internationale Recht und besetzt mit den Schiffen auch jeweils nationales Hoheitsgebiet, tötet inzwischen Besatzungsmitglieder. Das sei eine Kriegserklärung und Krieg, so einige Rechtsvertreter, erfordere eigene Regeln.   J. Feyerabend


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