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16.10.10 / Demokraten in der Defensive / Obamas Partei droht am 2. November eine herbe Schlappe – Die Tea-Party-Bewegung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

Demokraten in der Defensive
Obamas Partei droht am 2. November eine herbe Schlappe – Die Tea-Party-Bewegung

Was ist los mit der Demokratie? Eine schleichende Depression scheint das internationale Wahl-Volk zu ergreifen. Da ist keine Begeisterung mehr zu spüren, als Souverän mit seiner Stimme mitzuregieren. Da ist nur noch Unsicherheit, Angst vor der Zukunft und vor allem tief gesunkenes Vertrauen in die Regierenden, denen alle Gründe für die eigene Unzufriedenheit angelastet werden.

Die Wahlmüdigkeit, die in Europa begann, vor allem in Deutschland, hat nun auch die USA erfasst. Nach der letzten Gallup-Umfrage über die Zwischenwahlen im November – wegen der seltsam veränderten politischen Landschaft mit fieberhafter Spannung erwartet – sind nur noch ein Drittel der Wähler mit ihrer eigenen Partei zufrieden (33 Prozent mit den Republikanern, 32 Prozent mit den Demokraten) und deswegen unsicher, ob sie überhaupt wählen wollen. Traditionsgemäß verliert die regierende Partei in den USA Stimmen bei der nachfolgenden Kongresswahl, wo es nicht um den Präsidenten geht. Und nahezu die Hälfte aller Jugendlichen und ein Drittel der Schwarzen, Latinos, und Asiaten bleiben dabei eigentlich immer zuhause. Diese Gruppe zu mobilisieren ist jedoch jetzt für die Demokraten entscheidend, wenn sie den drohenden Verlust der Mehrheit im Kongress verhindern wollen. Ein Heer von Wahlhelfern versucht die Wähler wachzurütteln. Auch Obama wird wieder bei vier Großveranstaltungen den „Yes We Can“-Kämpfer geben. „Es heißt, Ihr seid enttäuscht, Ihr seid lethargisch“, rief er 26000 enthusiastischen, zumeist jungen Leuten an der Uni von Wisconsin zu. „Das dürfen wir nicht zulassen. Ich sage Euch: Wir bringen den Wandel. Aber es geht nicht von heute auf morgen. Ihr müsst zu mir halten. Wir dürfen das Land nicht zurückfallen lassen, nur weil wir nicht gewillt waren, zu kämpfen!“

Die Taktik ist die „Rückkehr zur Vernunft“ angesichts der immer absurder werdenden Tea-Party-Bewegung, die in der Depression der Bürger einen idealen Nährboden fand. Die Bibel in der Linken, die Verfassung in der Rechten, drängen deren fanatische Redner das verunsicherte Volk in eine Art Vaterlands-Hysterie, mit der sie die Massen anziehen. Gestalten, die man sonst eher am Stammtisch oder bei Damen-Kaffeekränzchen antrifft, entthronen plötzlich erfahrene Amtsinhaber. So die Sarah-Palin-ähnliche Brünette Christine O‘Donnell, die zum Schock selbst der eigenen Republikaner kürzlich zur Kandidatin von Delaware für den Senat gewählt wurde. Unverheiratet und kinderlos, widmet sich die bisher kaum bekannte 41-jährige christliche Aktivistin lautstark dem Kampf gegen Abtreibung und Kondome, außerehelichen Verkehr, Porno und Masturbation, gegen Immigranten wie gegen Homosexuelle − und kommt damit an. Papst Benedikt XVI. hätte seine Freude an ihr. Doch die Wähler offenbar auch. Selbst Steuerschulden bremsten O’Donnells Aufstieg nicht. Denn auf der anderen Seite der Waage sitzen der liebe Gott und die Gründungsväter, und die tragen alle Erfolge der Tea-Party-Bewegung.

Wohin steuert Amerika mit diesen politischen Entwicklungen? Vor kurzem hatte Alt-Filmstar und Sänger Pat Boone zur Tea-Party in Beverly Hills geladen, mit eigens komponiertem Lied („Ich bin ein Amerikaner. Mein Blut ist rot, weiß und blau.“) und als Opposition zum ansonsten liberalen Hollywood. Ein Dutzend Redner beschimpften Obama. Ein Ex-Mitglied des TV-Kabaretts „Saturday Night Live“ tönte zur Ukulele „Es sitzt ein Kommunist im Weißen Haus“, und die Zuhörer schwenkten Plakate, auf denen die Furcht des Kalten Krieges vor Kommunismus, Sozialismus, Liberalismus so deutlich zum Ausdruck kam, als stünde die Übernahme des Vaterlandes durch die Rote Armee bevor. Und wer das nicht glaubte, der sieht (schon 48 Prozent) den „Moslem“ Obama das Kalifat anstreben und die Scharia in den USA einführen.

„Wir sind nicht mehr Nummer Eins“, sagt TV-Satiriker Bill Maher. „Nur noch im Waffenproduzieren und Leute ins Gefängnis stecken. Das können viele nicht ertragen. Sie wollen den Quatsch hören, den diese seltsamen Prediger ihnen vorgaukeln. Aber zu denken, dass die uns regieren wollen!?“

Zwei seiner TV-Kollegen, Jon Stewart und Stephen Colbert, organisieren gerade für das Wochenende vor der Wahl (nach einer anderen demokratischen Massen-Demonstration am letzten Sonntag in Wa-shington) eine riesige Gegenveranstaltung zur konservativen Glenn-Beck-Demo vor ein paar Wochen. Alles zu Füßen des steinernen Lincoln an der National Mall. Dort wollen sie auf satirische Weise den Tea-Party-Fanatismus, der das Land überzieht, durch den Kakao ziehen unter dem Motto „Restoration of Sanity“ also „Rück-kehr zur Vernunft“. Ob’s verfängt, werden wir am 2. November erfahren. Liselotte Millauer


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