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16.10.10 / Trotz Krieg unverwüstlich / Odenwalder erinnert sich an seine Kinderzeit während des Krieges

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

Trotz Krieg unverwüstlich
Odenwalder erinnert sich an seine Kinderzeit während des Krieges

Ein weiteres Kriegsbuch? Wird der Leser vielleicht fragen und sich selber antworten: Davon haben wir übergenug! Ihm sei erwidert, dass der Zweite Weltkrieg zwar den Hintergrund des vorliegenden Buches „Isch hab den Krieg nit gemacht“ bildet, dass letzteres aber in höchst origineller Weise von den herkömmlichen Schilderungen der Historiker unserer Tage abweicht. Es handelt sich nämlich um eine Darstellung des traurigen Geschehens aus der arglosen Kinderperspektive. Der Verfasser, ein Jahr vor Kriegsbeginn geboren, hat im Nachlass seiner Eltern ein Tagebuch gefunden, in dem sie das Leben ihrer Kinder liebevoll beschrieben haben, er hat daraus die mitteilenswerten Passagen herausgezogen und durch eigene lebendige Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit ergänzt. Auf diese Weise ist ein Werk entstanden, dessen tragische Seite den Kriegsdienst des Vaters, eines Odenwälder Pfarrers, seine Flucht durch Süddeutschland und seine Gefangenschaft auf den Rheinwiesen bei Heidesheim und Bad Kreuznach, die alltäglichen Mühen von Mutter und Großmutter um den Erhalt der Familie sowie nicht zuletzt auch die Bombennacht betrifft, die Darmstadt am 11. und 12. September 1944 in Schutt und Asche verwandelt.

Den ersten Kapiteln stehen jedoch überaus amüsante Partien gegenüber, in denen die Kinder zu Wort kommen, die naturgemäß von der Lage, die den Großen schwer zu schaffen machte, allenfalls eine leise Ahnung haben mochten und ihr Leben nach Kinderart mit Spielen aller Art, die ausführlich beschrieben werden, mit mehr oder weniger schmerzhaften Streichen, mit Schulaufgaben und der Erkundung der bäuerlichen Welt in Oberklingen verbrachten, die so aussah, als wäre alles noch in Ordnung.

Der besondere Reiz der Kindergespräche liegt darin, dass sie im Oderwälder Dialekt geführt werden, den Mutter und Vater vortrefflich widergegeben haben, so dass der Kenner des Hessischen an der urwüchsigen Komik der kindlichen Fragen und Antworten seine Freude haben wird.

Insofern trägt das Buch in hohen Maße Leben in sich, das sich aus drei Eigenschaften seines Verfassers speist, nämlich erstens aus einer ungewöhnlich guten Beobachtungsgabe samt eines intakten Langzeitgedächtnises, zweitens aus einer ebenso seltenen Ehrlichkeit, die auch vor der Wiedergabe problematischer oder gar unerfreulicher Details nicht zurückschreckt, und nicht zuletzt aus einem großen Quantum naturwüchsigen Humors. Der Autor ist jedenfalls ein entschiedener Realist, zu welchem Eindruck auch die hübschen Schwarzweiß-Aufnahmen beitragen, die der Anschauung des Lesers zur Hilfe kommen, so dass er sich die kindliche Welt der Kriegs- und Nachkriegszeit gut wird vorstellen können, wenn er zu dieser Lektüre greift. Das Buch zeigt im Übrigen, dass die Menschennatur, möge es bei den Großen auch drunter und drüber gehen, was die Kinder betrifft, im Grund unverwüstlich ist. Ulrich Hoyer

Christhard Richter: „Isch hab den Krieg nit gemacht“, bod, Norderstedt 2010, broschiert, 292 Seiten, 19,90 Euro


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