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16.10.10 / Dank Goethe berühmt geworden / Bettine von Arnim publizierte als eine von wenigen Frauen ihrer Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-10 vom 16. Oktober 2010

Dank Goethe berühmt geworden
Bettine von Arnim publizierte als eine von wenigen Frauen ihrer Zeit

Elisabeth von Arnim, bekannt als Bettine von Arnim geborene von Brentano (1785–1859), in einer großen Kaufmannsfamilie in Frankfurt aufgewachsen, verbrachte insgesamt 42 Jahre ihres Lebens in Berlin. Sie war die Schwester des Dichters Clemens von Brentano. Und ihre Großmutter mütterlicherseits war die seinerzeit berühmte Briefromanautorin Sophie von LaRoche. Sie heiratete nach damaligen Begriffen spät, mit 26 Jahren, ihres Bruders Freund, den Dichter Achim von Brentano. Das Paar hatte sieben Kinder und lebte ab 1814 auf dem Landgut Wiepersdorf in der Mark Brandenburg, doch dort fürchtete Bettine „zu versauern“, weshalb sie 1822 mit den Kindern nach Berlin zog.

Lange Zeit war Bettine, das gegen Fremdbestimmung aufbegehrende Kind, in der westdeutschen Literaturgeschichte in erster Linie als Verehrerin Goethes und als dessen originelle kindliche Briefpartnerin wahrgenommen worden. Doch nun hat die 1956 geborene Michaela Diers, die in Freiburg studiert hat, eine Biographie vorgelegt, die in kompakter Form die vielen Facetten im Werk und im Leben dieser unkonventionellen Dichterin ungemein anschaulich zum Ausdruck bringt.

„Bettine von Arnim“ lautet der schlichte Titel, und der Autorin Michaela Diers, die bereits mehrere Frauenbiographien veröffentlicht hat, war es ein besonderes Anliegen, die Umsetzung der hochfliegenden Gedanken und Ideale des frühreifen, meist unverstandenen Kindes Bettine im Rahmen ihres spät publizierten Werkes hervorzuheben, gemäß einem ihrer Zitate: „Wer wagt, selbst zu denken, der wird auch selbst handeln.“ Vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Entwicklung von der Spätaufklärung über die napoleonische Ära bis in die Jahre nach der gescheiterten Revolution von 1848 erhellt ein Fluss von Schlaglichtern diesen Lebensweg, vielfach aus der Sicht Bettines. Diese wurde erst 1835, vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes und nach dem Erscheinen ihres Briefwechsels mit Goethe („Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“), in der Öffentlichkeit als eigenständige Künstlerin wahrgenommen. Es war eine späte Genugtuung, die kaum einer hochbegabten Frau in jener Epoche zuteil wurde. Vermutlich verfielen nicht wenige von ihnen der Schwermut wie die Frankfurter Dichterin Günderode, mit der Bettine seit 1801 befreundet war und die sich 1806 das Leben nahm.

Um eine Vertiefung der Inhalte zu ermöglichen, hat sich Diers eines Mittels aus dem Bereich des Journalismus bedient: In grau unterlegten „Kästen“ wird über Schlagworte wie „Philistertum“ reflektiert, heute lautet der Begriff „Spießertum“.

„Es macht nichts den Geist schwächer als wenn er in seiner Eigentümlichkeit unaufgefordert bleibt“, schrieb Bettine 1822, und sie lebte seither nach dieser Maxime. Mit der Intoleranz vieler Zeitgenossen, mit Ungerechtigkeit und politischer Bevormundung von staatlicher Seite setzte sie sich in mehreren ihrer letzten Bücher auseinander, am eindringlichsten in der Schrift „Dies Buch gehört dem König“ von 1843. Als „Dame von Stand“ prangerte sie die Zustände im Staat an und intervenierte sogar mehrmals, jedoch immer erfolglos, bei König Fried-rich Wilhelm IV., um die Freilassung beziehungsweise Begnadigung politischer Gefangener oder Straftäter zu erwirken. Vollends nach 1848 zerfiel die damalige Gesellschaft in zwei Lager, und dieser Bruch zog sich selbst durch die Familie der betagten Schriftstellerin, die, um einen Bruch zu verhindern, wegen ihrer konservativen Kinder Armgart, Maxe und Siegmund zwei Salons unterhielt. Siegmund vergrub aus nur ihm bekannten Gründen sogar den Nachlass seiner 1859 nach mehrjährigem Leiden verstorbenen Mutter „im hintersten Winkel“ des Landguts.

Bis 1890 blieb der Nachlass unter Verschluss und wurde 1929 aus finanziellen Gründen versteigert und in alle Welt zerstreut. So gingen der Originalbriefwechsel Bettines mit ihrem Bruder und derjenige mit der Günderode verloren. Die Autorin betont abschließend, dass Bettine von Arnim die einzige war, „die das freiheitlich individualistische Denken der Frühromantik in den Kampf um politische Freiheit und gesellschaftliche Gerechtigkeit überführt hat“. Ihre Biographie, die eine Zeitleiste und ein Werkverzeichnis umfasst, wird der Persönlichkeit Bettine von Arnims gerecht.     D. Jestrzemski

Michaela Diers: „Bettine von Arnim“, dtv, München 2010, kartoniert, 237 Seiten, 14,90 Euro


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