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23.10.10 / Mittelstand: Erben gesucht / In den nächsten vier Jahren wird für fast 100000 Familienbetriebe ein neuer Chef gesucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Mittelstand: Erben gesucht
In den nächsten vier Jahren wird für fast 100000 Familienbetriebe ein neuer Chef gesucht

Deutschlands Mittelstand – nach wie vor die tragende Säule unseres Wohlstands – steht vor gigantischen Nachwuchssorgen. Bis Ende 2014 stehen nahezu 100000 Familienunternehmen zur Übertragung auf einen Nachfolger an, da die jetzigen Inhaber in den Ruhestand gehen, erkranken oder sterben. Doch werden nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn weniger als die Hälfte der Betriebe weiterhin im Besitz der Familie bleiben.

Das von der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung geförderte Institut hat berechnet, dass pro Jahr bundesweit 22000 Unternehmen mit insgesamt fast 290000 Beschäftigten durch den Generationenwechsel einen neuen Chef suchen. Konkreter Übergabegrund ist meist (86 Prozent) das Alter des bisherigen Inhabers, in den übrigen Fällen Tod (zehn Prozent) oder Krankheit (vier Prozent). Die altersbedingten Übertragungen erfolgen in aller Regel geplant und mehr oder weniger gut vorbereitet. Hingegen finden sich jährlich 3100 Unternehmen mit rund 40000 Arbeitsplätzen plötzlich und unvorbereitet in dieser Situation.

Deutlich weniger als die Hälfte, nämlich 43,8 Prozent der zu übergebenden Unternehmen, bleibt in der Familie, geht üblicherweise also auf die nächste Generation über. Weitere 21,1 Prozent werden verkauft, weil es in der Familie entweder keine Erben gibt oder diese an Barem mehr interessiert sind als an der Familientradition. 16,5 Prozent kommen in die Hände externer Führungskräfte, die von den bisherigen Eigentümern eigens zu diesem Zweck in die Firma geholt wurden. Und immerhin 10,3 Prozent werden an bewährte, zumeist langjährige Mitarbeiter übertragen. Lediglich 8,3 Prozent der betroffenen Betriebe müssen stillgelegt werden, weil sich auf allen hier aufgezeigten Wegen kein Nachfolger finden lässt.

Mittelstandsorganisationen wie der Bund der Selbständigen (BDS) mahnen – auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse, es geht um Zigtausende Arbeitsplätze – an, die Frage einer Firmenübergabe rechtzeitig aufzugreifen und nicht zu warten, bis der Ernstfall eingetreten ist. Soweit die nachwachsende Generation in den Unternehmensfamilien überhaupt an einer Weiterführung interessiert ist, empfiehlt es sich, die Übergabe rechtzeitig vorzubereiten, wozu auch eine gründliche externe Ausbildung des Nachwuchses gehört.

Beklagt wird von Experten immer wieder, dass familieninterne Firmenübergaben oft an der mangelnden Rückzugsbereitschaft der Senioren scheitern; aus falsch verstandenem Pflichtgefühl oder auch überzogenem Stolz können sie einfach nicht loslassen. So schreibt der Münchner Unternehmensberater und Buchautor Bernd LeMar („Generations- und Führungswechsel in Familienunternehmen“), zwar wisse jeder Firmenchef, dass er die Übergabe längerfristig planen müsse, aber „die meisten verdrängen das Thema – Abschied nehmen fällt häufig schwer“.

Und Rainer Langosch vom Bundesverband der Unternehmensberater warnt: Die besten Mitarbeiter wandern ab, wenn die Zukunft des Unternehmens nicht gesichert ist, Kunden und Zulieferer werden verunsichert, Banken bewerten das Fehlen einer vernünftigen, rechtzeitigen Nachfolgeregelung negativ – mit allen Folgen für den Betrieb und die Arbeitsplätze.

In den Fällen, in denen aus der Unternehmerfamilie kein geeigneter Nachfolger herangewachsen ist, machen die Inhaber zudem oft den Fehler, sich mit dem Thema erst zu beschäftigen, wenn ihr Betrieb in eine Schieflage geraten ist. Daher der dringende Rat der Fachleute: Der richtige Moment für eine Übergabe ist dann gekommen, wenn die Ertragslage gut ist und auch die Zahlen stimmen.

Von den insgesamt 3,7 Millionen Unternehmen in Deutschland sind 3,5 Millionen als Familienbetriebe eingestuft; 2,5 Millionen sind sogenannte Einzelunternehmen. Aber nur 730000 erzielen mindestens einen Jahresgewinn in Höhe eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens (derzeit rund 49500 Euro) sowie eine marktüblichen Verzinsung des Eigenkapitals und gelten somit als übernahmewürdig. Hans-Jürgen Mahlitz


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