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23.10.10 / Geschichte zum Anfassen und Erleben / Deutsche und Russen wandelten bei Jugendbegegnung im Kreis Schlossberg (Pillkallen) auf Vorkriegsspuren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Geschichte zum Anfassen und Erleben
Deutsche und Russen wandelten bei Jugendbegegnung im Kreis Schlossberg (Pillkallen) auf Vorkriegsspuren

Irgendwo auf einem Parkplatz in Königsberg hört man Jugendliche in Deutsch und in Russisch „Bis zum nächsten Jahr!“ zueinander sagen. Die diesjährige Woche der deutsch-russischen Jugendbegegnung der Kreisgemeinschaft Schlossberg, des Landkreises Harburg und der Administration in Haselberg (Lasdehnen; russisch: Krasnoznamensk) im Kreis Schlossberg ist zu Ende.

Für manche der 16 Teilnehmer ist es bereits der dritte Abschied in diesem Rahmen. In der vorausgegangenen Woche der Begegnung durften die russischen Jugendlichen aus dem Rayon Haselberg/Lasdehnen ihre Heimat neu kennenlernen. Für die deutschen Jugendlichen war es eine Zeit, in der sie viele nachhaltige neue Eindrücke gewinnen konnten: Erleben des russischen Alltags und Eintauchen in die allseits präsente deutsche Vergangenheit im Königsberger Gebiet. Ein schwieriger Spagat, der sich den Jugend­lichen besonders ein­drucks­voll in Tilsit präsentierte. Eine Stadt, in der die Jugendlichen neue, zum Teil imposante Gebäude aus sowjetischer und russischer Zeit betrachten konnten, eingebettet in gut erhaltene Fassaden der Bürgerhäuser wohlhabender deutscher Tilsiter aus der Zeit vor 1945. Gerade in Tilsit ist die preußische und deutsche Geschichte an jeder Straßenecke spürbar. Alte und noch nach über 80 Jahren glatte deutsche Pflasterstraßen und Gehwege befinden sich wie zum Trotz in einem besseren Zustand als manche Pflasterung aus neuerer Zeit.

Deutsche Schriften auf Hauswänden schimmern durch die Übermalung durch, Kanalabdeckungen und Hydranten mit deutschen Aufschriften bringen die über Jahrhunderte währende deutsche Prägung Tilsits und Ostpreußens ans Licht. Für die Jugendlichen war die Besichtigung Tilsits ein kleiner Schritt zurück in die Vergangenheit.

Geschichte zum Anfassen und Erleben. Während Stadtführungen, etwa durch Gumbinnen und Insterburg, wurde den Jugendlichen die deutsche Geschichte lebendig vor Augen geführt. Kleine Museen in Trappen/Trap­pönen, Hein­richs­wal­de und Breitenstein/Krau­pisch­ken mit ihrem teils ganz besonderen Charme sowie Abstecher nach Trakehnen und auf das Gestüt Georgenburg ließen die Exkursion durch das Königsberger Gebiet zu einer für alle Teilnehmer unvergesslichen Fahrt werden.

Einblick in Vergangenheit und Gegenwart des christlichen Glaubens im Königsberger Gebiet bot zudem ein kurzweiliger Vortrag in deutscher und russischer Sprache des Leiters der Sozialstation der Salzburger Kirche in Gumbinnen. Die Jugendgruppe erhielt eine Ahnung der Widrigkeiten, denen die Salzburger Glaubensflüchtlinge begegneten, die, um ihren Glauben leben zu können, nach Preußen übersiedelten. Auch die Schilderung der gegenwärtigen Situation der russisch-orthodoxen, katholischen und evangelischen Christenheit im Königsberger Gebiet bot den meist atheistisch erzogenen jungen Russen einen neuen Einblick in die Kulturgeschichte und -gegenwart der Region.

Der Besuch des restaurierten Tilsiter Soldatenfriedhofes (Waldfriedhof) ließ die jungen Teilnehmer Anteil nehmen an dem Schicksal unzähliger Soldaten – gleich welcher Nation. Der Friedhof bot erneut Anlass, sich mit der Tragödie von Flucht, Vertreibung, Besetzung und damit einhergehendem Leid insbesondere für die deutsche Zivilbevölkerung auseinanderzusetzen, eine für junge Leute harte aber wichtige Erfahrung.

Aus Sicht von Fahrtenleiter Hans Joachim „Hajo“ Stehr zeichnete sich die Begegnungswoche indessen auch noch durch einen weiteren Faktor aus. „Das wohl Besondere an dieser Jugendbegegnung war die interessante Mischung ganz unterschiedlicher Charaktere und Erfahrungen der russischen und deutschen Jugendlichen“, erklärt Stehr. Gleich schon zu Beginn habe sich abgezeichnet, dass diese Gruppe sich schnell zusammenfinden würde, um schließlich als Freunde voneinander zu scheiden. „Dazu haben wohl auch die netten Abende mit Tanz beigetragen.“ Der Fahrtenleiter hat zur Förderung des Dialogs und als Beitrag zur Gesellschaftskultur eine Tanzschule mit Gesellschaftstanz eingerichtet und ist auch im Rückblick von dem Ergebnis begeistert. „Die Tanzschule war der abendliche Hit!“ Spaß und Ernstes hätten unter den Jugendlichen schnell Vertrauen geschaffen und sie zu einer homogenen Gruppe gemacht, so Stehr.

Als ein Höhepunkt der Begegnungswoche zeichnete sich schon früh die Fahrt ins Seebad Rauschen ab. Die Jugendlichen genossen ungeachtet des Regens sichtlich das Seebad. Krönung der Woche war der abendliche Spaziergang zur Ostsee, wo ein paar Hartgesottene auch den Sprung in die Wellen wagten.

Am Folgetag wurden noch in Königsberg das atemberaubende Bern­steinmuseum und der ein­drucks­­vol­le Dom besichtigt sowie das Leben rund um den Hansaplatz erkundet. Da aber der Abend in Rauschen der letzte gemeinsame war, machte sich Wehmut breit. „Nach einer Woche fängt eigentlich erst alles richtig an“, meinte Karsten, einer der deutschen Teilnehmer traurig. Doch Mona aus Hamburg sah es eher optimistisch: „Man sieht sich immer zweimal im Leben, vor allem wenn man zu einer so tollen Gemeinschaft geworden ist.“    Kathi Schwab/BK


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