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23.10.10 / Mit feinem Pinselstrich und Schwamm / Die Plakatmalerin Katrin Wulfers geht einem außergewöhnlichen Beruf nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-10 vom 23. Oktober 2010

Mit feinem Pinselstrich und Schwamm
Die Plakatmalerin Katrin Wulfers geht einem außergewöhnlichen Beruf nach

Handgemalte Kinoplakate sind selten geworden. Die in Bremen lebende Katrin Wulfers ist vermutlich als einzige Frau in Deutschland in diesem Metier tätig.

Es ist Dienstagabend, kurz nach 21 Uhr: Katrin Wulfers steckt in einer türkisfarbenen, mit Farbe beklecksten Hose und einem schwarzen Pulli. In ihrem Atelier breitet sich allmählich abendliche Dunkelheit aus, die wichtigste Lichtquelle ist ein spezieller Projektor. Dieses Episkop projiziert ein Plakatmotiv auf eine ungefähr anderthalb mal zwei Meter große Leinwand. Dann schraubt die ausgebildete Grafikdesignerin um-funktionierte Marmeladengläser auf und mischt die erste Farbe. Mit einem sehr feinen Pinsel zeichnet Wulfers die Konturen des Bildes auf der ansonsten völlig weißen Leinwand nach.

Katrin Wulfers hat einen seltenen Job. Außer ihr gibt es noch einige wenige Männer, aber sie soll die einzige Frau im Land sein, die beispielsweise Brad Pitt als „Inglorious Basterd“ auf die Plakat-Leinwand gebracht hat. Allzu viele Kinos leisten sich den Luxus des handgemalten Plakats heute nicht mehr. „Wenn ich male, dann tauche ich da so richtig ein, dann bin ich wie unter einer Käseglocke“, erzählt die Mutter von zwei Kindern, die gern in den Abendstunden malt, dann kann sie ungestört arbeiten. Außerdem wäre ihr Arbeitsraum sonst zu hell. Ihr ist schon klar, dass ihre Werke vergänglich sind: Denn immer, wenn ein neuer Film anläuft, übermalt Wulfers ein altes Plakat mit neuer Acrylfarbe. Sie ist auch bereits gefragt worden, ob sie ihre Plakate verkauft, hat aber erst zwei dieser Werke auch zu Geld gemacht. Derzeit sucht sie den besten Online-Vertriebsweg für zukünftige Plakate.

Zum Plakatemalen ist Wulfers zufällig gekommen: Vor gut einem Jahr lief sie einem alten Schulfreund über den Weg, der gerade eine zusammengerollte Leinwand zum damaligen Plakatemaler des Programmkinos „Schauburg“ bringen wollte. Für ihn suchte das Kino schon seit geraumer Zeit eine Nachfolge, aber trotz Anfragen auch an die Bremer Hochschule für Künste wollte niemand diesen Job übernehmen. „Vielleicht hat sich das auch niemand zugetraut?“, überlegt Wulfers heute. Mit der spontanen Frage auf der Straße „Oder willst du das machen?“ an ihre Adresse nahm die Geschichte ihren Lauf. „Ich hatte das Gefühl, das Plakatmalen hat nur auf mich gewartet“, erinnert sie sich mit einem Lächeln. „Ich hatte schon so oft vor dem Kino gestanden, die Plakate angeguckt und gedacht: Schade, das macht schon jemand anderes. Und auf einmal durfte ich das machen.“ Seitdem hat sie gut 20 Motive auf die drei immer wieder übermalten Leinwände der Schauburg gebannt.

Bevor Wulfers mit dem Malen beginnt, plant sie sehr genau, wie sie das Originalmotiv auf die Leinwand ihres Kunden, das „Schauburg“-Kino im Bremer Szeneviertel Steintor, bringt. Denn: Die ist ein Querformat, das Motiv aber meist ein Hochformat. Außerdem muss sie sich überlegen, wie sie die besten Kontraste erzielt, „damit man das Bild auch aus der fahrenden Straßenbahn sofort erkennen kann“. Dann kommt das Episkop zum Einsatz.

Mit feinem Pinselstrich entstehen die Konturen des Plakatmotivs auf der Leinwand. „Das ist das Langwierigste“, erklärt sie. Kein Wunder: Wulfers arbeitet die Schatten heraus, die bei einer Figur mit schwarzer Hose, dunkelrotem Pullover und dunklem Haar stellenweise kaum zu erkennen sind. Danach, wenn es daran geht, die Flächen zu füllen, wird sie schneller. Dann greift Wulfers zu dickeren Pinseln oder zu einem Haushaltsschwamm.

Anspruchsvoll – aber auch erst richtig interessant – wird es, wenn etwa bei einem Portrait „nicht nur die Formen erkennbar sein sollen, sondern auch der Charakter. Ganz viel davon machen Licht und Schatten aus.“

An diesem Abend konturiert sie erst ein Kindergesicht, dann das einer Katze mit sehr genauen, feinen Linien, von denen man sich fragt, wie viel davon später noch auf viele Meter Entfernung zu sehen sein wird. Für ein Plakat braucht sie, je nach Schwierigkeit, etwa vier bis fünf Stunden.

Jedes Kino-Plakat, das Wulfers malt, muss vor dem Aufhängen vom Filmverleih abgesegnet werden. Das ist in der Regel eine reine Routinesache: Ein Foto vom fertigen Bild mailt sie an den Verleih, dann bekommt sie die Freigabe.  „Wenn das Plakat dann hängt, ist das wie eine Belohnung für mich“, sagt sie und lächelt. Ulrike Bendrat


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