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30.10.10 / Rot-Rot verdrängt Arme und Alte / Sanierungspolitik des Berliner Senats drückt sozial Schwache an den Stadtrand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

Rot-Rot verdrängt Arme und Alte
Sanierungspolitik des Berliner Senats drückt sozial Schwache an den Stadtrand

Zwei Milliarden Euro bringt Berlin bisher für elf Sanierungsgebiete auf. Es geht, so der Senat, um gute Quartiere, familienfreundliche Umgebungen und die Umwelt. Während die Mieten allgemein steigen und die Stadt beim sozialen Wohnen spart, bleibt für Alteingesessene allerdings wenig vom Sanierungssegen. Der Verdacht: Rot-Rot fördere auch Luxuswohnen und nehme den damit wachsenden Miet-Druck auf weniger Bemittelte in Kauf.

Das rund 34 Hektar große Areal Winsstraße in Prenzlauer Berg mit 5000 Wohnungen gilt als Sanierungsfläche: Viele Altbauten, kaum Kriegsschäden. Ein Großteil der Umgestaltung ist bereits vollzogen. Schulen wurden renoviert, Seniorenwohnen ermöglicht, das Areal bekam gar den Preis „Soziale Stadt“. Dennoch regt sich Kritik. Eine Studie zeigt: Von heute gut 8000 Bewohnern wohnten nur rund 16 Prozent schon Anfang der 90er Jahre und somit vor Sanierungsbeginn hier. Ein massiver Bevölkerungsaustausch begleitete demnach den Umbau.

Rund 54 Prozent der Bewohner sind jetzt junge Erwachsene (18 bis 45 Jahre), berlinweit sind es 28 Prozent. Gut 76 Prozent der jetzigen Mieter sind Akademiker, Anfang der 90er Jahre waren es nur rund 17 Prozent. Demnach gelang es zwar, Kinder ins Viertel zu holen (34 Prozent der Bewohner haben welche), aber auf Kosten der Alten und Armen. Berlin fördert derzeit sieben Gebiete. Die Sanierungen dauern ein Jahrzehnt oder länger. Während der Zeit hat sich gerade in Trend-Bezirken die Sozialstruktur verbessert.

Unter den derzeit geförderten Kiezen finden sich gehobene Quartiere im Szeneviertel Prenzlauer Berg. So wird der dortige Helmholtzplatz trotz fertigem neuen Grün und Spielplatz weiter im Sanierungsplan gehalten. Unter den Anwohnern sind längst viele wohlhabende Neu-Berliner. Das zentrumsnahe, entsprechend markttaugliche Niederschöneweide (Treptow) steht auch nach Austausch belasteter Böden, Bepflanzungen und der Restaurierung alter Industriebauten bis 2012 auf dem Förderplan.

Der Druck auf viele Sozialmieter, aus der Stadt an den Rand zu ziehen, wachse, kritisieren Sozialverbände. Das Fazit des Berliner Mietervereins fällt drastisch aus: „Häuser saniert, Bewohner ausgetauscht.“ „In Friedrichshain wurden Mietaufschläge von 40 Prozent festgestellt“ – nach Sanierung, sagt der Mieterverein. Das gesamte soziale Fördersystem greife nicht mehr. Die Folgen trügen die „Heraussanierten“.

Ein aktueller Bericht der Stadtentwicklungsverwaltung liest sich anders. Das dortige Lob gilt dem nachher „überdurchschnittlich hohen Anteil an Kleinkindern“. Auch die Zunahme der Einwohnerzahlen nach Sanierung hebt das Papier positiv hervor. Inzwischen haben die Grünen das Thema für sich entdeckt, wollen ihrer Ansicht nach mehr bedürftige Viertel als bisher, so in Neukölln, fördern. Doch selbst im Falle ihrer Regierungsbeteiligung ist die Zeit für rein soziales Sanieren abgelaufen: Die Umgestaltung funktioniert nach dem Schneeballsystem. Die Stadt kann bis zu drei Jahre nach der Aufwertung Geld von den Wohneigentümern einfordern. Erst mit diesen Mitteln lassen sich andernorts neue Sanierungen anschieben, weshalb die Mieten in den Sanierungsgebieten erst steigen müssen, damit das Programm weiterlaufen kann.   SV


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