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30.10.10 / Schon Alfred Lichtwark schätzte ihn / Der Maler Georg Friedrich Kersting war einer der bedeutendsten Interieurmaler des Biedermeier

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

Schon Alfred Lichtwark schätzte ihn
Der Maler Georg Friedrich Kersting war einer der bedeutendsten Interieurmaler des Biedermeier

Freunde der Bilderwelt Caspar David Friedrichs werden auch eine Darstellung schätzen, die den Meister in seinem karg eingerichteten Arbeitszimmer an der Staffelei zeigt. Durch ein Fenster fällt Licht auf eine Leinwand, auf der ein Wasserfall im Gebirge zu entdecken ist. Einen Tisch mit ausgewählt wenigem Werkzeug, einen Stuhl – mehr brauchte Friedrich nicht zum Arbeiten. Das Bild, das er malt, kommt aus seinem Inneren. Freund und Malerkollege Georg Friedrich Kersting hat 1811 mit diesem Bild ein treffliches Porträt Friedrichs gemalt. Es befindet sich seit 1923 in der Hamburger Kunsthalle. Deren Direktor Alfred Lichtwark hatte schon 1910 bekannt, Kersting sei ihm „einer der liebsten Meister des ganzen 19. Jahrhunderts“. 1819 malte Kersting eine Replik des Motivs, die sich in der Kunsthalle Mannheim befindet, und eine weitere Fassung, die der Nationalgalerie Berlin gehört.

Im Gegensatz zu Caspar David Friedrich ist Georg Friedrich Kersting nur ausgewiesenen Kunstkennern ein Begriff. Geboren wurde er vor 225 Jahren, am

31. Oktober 1785, in Güstrow als Sohn eines kinderreichen Glasermeisters. Der begabte Junge konnte zwar die Domschule seiner Vaterstadt besuchen, war aber nach dem Tod des Vaters auf die Unterstützung begüterter Verwandter angewiesen. Den ersten Zeichenunterricht erhielt er bei dem Maler Johan Beutel, der zwischen 1793 und 1822 in Güstrow tätig war. Ab 1805 besuchte er dann die Königlich Dänische Kunstakademie in Kopenhagen, die bei angehenden Künstlern aus Norddeutschland sehr beliebt war. 

Die dänische Malerei des Klassizismus beeinflusste das spätere Werk Kerstings nachhaltig. Durch das intensives Studium der Natur versuchte er zarte und helle Farben und eine natürliche Atmosphäre mit dem Pinsel auf die Leinwand zu bringen. Mit seinen ersten Arbeiten hatte er Erfolg und wurde von der Akademie mit einer kleinen und einer großen silbernen Medaille ausgezeichnet.

Nach drei Jahren Ausbildungszeit zog Kersting nach Dresden, das damals mit seinen bedeutenden Museen und Sammlungen eine große Anziehungskraft auf Künstler ausübte. In Dresden fand er bald Zugang zu einem geistig-künstlerisch anregenden Kreis, dem unter anderem Gerhard von Kügelgen, Theodor Körner, die Malerin Louise Seidler und Caspar David Friedrich angehörten.

In diesen Dresdner Jahren wurde das Licht zum Element in seinem Schaffen. Werke wie „Die Stickerin“ und „Der elegante Leser“ entstanden. Es waren ihm nahe stehende Menschen, die Kersting nun malte, Modelle, die irgendeiner einfachen, nützlichen Tätigkeit nachgingen und die er in einer ihnen gemäßen Umwelt zeigte. Vielleicht ist es das, was diese Bilder noch 200 Jahre nach ihrem Entstehen so ansprechend macht.

Es war die Zeit, als Deutschland in großer Not war, als Napoleon das Land seinem Joch unterworfen hatte. Vielerorts meldeten sich jetzt die jungen Männer zu den Waffen. Kersting trat 1813 als Freiwilliger in das Lützowsche Jägerkorps ein und wurde wegen seiner Tapferkeit zum Offizier befördert sowie mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Noch im Alter erzählte er seinem Sohn Richard voller Stolz und Begeisterung von jenen ereignisreichen Tagen. Auch für seine künstlerische Arbeit war diese Zeit bedeutungsvoll. So sind die damals entstandenen Skizzen und Zeichnungen wertvolle Zeitdokumente. Seinen gefallenen Kameraden Friesen, Hartmann und Körner widmete Kersting nach seiner Rückkehr die Bilder „Auf Vorposten“ und „Die Kranzwinderin“. Nach den Befreiungskriegen war Kersting als Hofmaler und Zeichenlehrer in Warschau tätig, bis er 1818 als Malervorsteher an die Königlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur in Meißen berufen wurde. Im gleichen Jahr hatte er Anna Sergel geheiratet, die ihm vier Kinder gebar. In Meißen wurde ihm die Aufgabe übertragen, die Arbeiten der Maler zu beaufsichtigen, die Zusammensetzung des Porzellans und den Dekor zu bestimmen. Außerdem übernahm er die Leitung der Zeichenschule, die der Manufaktur angeschlossen war. Während Kerstings Amtszeit als künstlerischer Leiter stieg das Ansehen der Meißner Manufaktur. So stellte man auf Befehl des Königs für den Herzog von Wellington (er siegte mit Blücher über Napoleon bei der Schlacht von Belle-Alliance) ein aus 120 Gedecken bestehendes Tafelservice her.

Wenngleich Kersting in der Manufaktur viel zu schaffen und zu bewirken hatte, so fand er doch immer noch Zeit, sich seinem eigenen künstlerischen Werk zu widmen. So schuf er eine Reihe von Bildern und Zeichnungen seiner Kinder und weitere Interieurbildnisse. „Er malte viel und mit Liebe, und die gesteigerte Innigkeit zur Natur war auffallend“, wusste Sohn Hermann zu erzählen.

Als Kersting am 1. Juli 1847 in Meißen starb, hinterließ er eine stattliche Reihe von Bildern, die heute in Museen wie der Hamburger und der Kieler Kunsthalle, der Münchner Neuen Pinakothek und der Berliner Alten Nationalgalerie zu finden sind. Auch das Museum der Stadt Güstrow pflegt das Andenken an den Sohn der Stadt. Silke Osman


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