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30.10.10 / Früherer Leiter der Seeleitstelle Hela verstorben / Brigadegeneral a.D. Udo Ritgen trug zur Rettung von 500000 ostpreußischen Flüchtlingen bei – Träger der Albertus-Nadel in Gold

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010

Früherer Leiter der Seeleitstelle Hela verstorben
Brigadegeneral a.D. Udo Ritgen trug zur Rettung von 500000 ostpreußischen Flüchtlingen bei – Träger der Albertus-Nadel in Gold

Udo Ritgen verstarb am 11. Ok­tober 2010 in seinem 94. Lebensjahr. Er wurde am 15. Oktober im Kreise seiner Familie und zahlreicher Verwandter, Freunde und ehemaliger Kameraden in seinem südlich Münchens gelegenen Wohnort Pullach beigesetzt.

Mit dem Tod des ehemaligen Brigadegenerals Udo Ritgen haben die Landsmannschaften der Ost- und Westpreußen einen herausragenden und im Laufe seines langen Lebens hoch verdienten Vertreter der Preußen und der preußischen Heimat verloren. Sein Verlust ist schmerzlich, der Verstorbene sollte uns unvergessen bleiben.

Wer den Vorteil hatte, Udo Ritgen persönlich zu kennen und sein großes Engagement für unsere früheren ost- und westpreußischen Heimatgebiete wie auch die Pflege enger Kameradschaften aus den schweren Kriegsjahren erleben durfte, der empfindet es stark, dass sein Platz in unseren Reihen kaum ersetzbar ist.

Die Biografie des Verstorbenen war von zahlreichen Stationen gezeichnet, die seine Menschlichkeit und seinen Willen zur unbeugsamen Pflichterfüllung gegenüber seinen Mitmenschen und seinem Vaterland begründeten. Seinen gradlinigen Charakter und seine liebenswürdige Art verband der Verstorbene zu einem Charisma, das ihn aus der Masse hervorhob und zu einer wertvollen Führungspersönlichkeit prädestinierte.

Udo Ritgen entstammte einer westpreußischen Gutsbesitzerfamilie. Er wurde am 22. Juni 1916 in Danzig als erstes Kind des Rittergutsbesitzers Bruno Ritgen und dessen Ehefrau Irena geborene Berghoff-Ising geboren. Seine Jugend verlebte Ritgen auf dem Familiengut Groß Falkenau im Kreis Rosenberg im Kreise seiner vier Geschwister. Nach dem Besuch der Gymnasien in Deutsch Eylau und Marienwerder machte er dort 1935 das Abitur. Am 1. April 1936 startete Ritgen mit seinem Eintritt in das Infanterie-Regiment 3 in Deutsch Eylau als Fahnenjunker eine Karriere als Berufssoldat in der Wehrmacht und danach in der Bundeswehr. Der Führungsoffizier Ritgen kam im Zweiten Weltkrieg an mehreren Fronten zum Einsatz. Seine herausragenden militärischen Leistungen, sein Organisationstalent und seine persönliche Tapferkeit wurden mit hohen Auszeichnungen gewürdigt.

Am 24. September 1944 heiratete Ritgen Gertraude Christ, eine Tochter des Kapitänleutnants a. D. und verdienten Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg, Justus Christ.

Sein dramatischstes Kommando übernahm Udo Ritgen im März 1945 als Major i. G. und Leiter der Seeleitstelle Hela. Das Armee-Oberkommando (AOK) Ostpreußen beauftragte ihn mit der Evakuierung und Rückführung von rund einer halben Million Flüchtlinge und Soldaten aus Ost- und Westpreußen von Hela aus über See. Unter ihnen befanden sich auch seine Eltern, eine seiner Schwestern und viele Familien, die auf den Gütern seiner Familie gelebt hatten. Seine und die Brüder seiner Frau, insgesamt fünf, fielen allesamt als tapfere Offiziere. Nach seiner Gefangenschaft in Belgien und in Munster bei Hannover wurde Ritgen im Frühjahr 1947 nach Westfalen entlassen.

Im Ensemble des Mahnmals Flucht und Vertreibung der Ost- und Westpreußenstiftung in Bayern e. V. Oberschleißheim bei München befindet sich ein mit Hilfe der Bayerischen Staatsregierung nach hierher gerettetes Landungsboot Type 41, das an den Rettungsaktionen von Hela aus unter Ritgens Kommando im Einsatz war und nun mahnend an die Leistungen dieses hervorragenden und tapferen Offiziers, seiner Kameraden und der Bootsbesatzungen erinnern soll. Die tapfere Besatzung hatte in den Wirren der letzten Kriegstage unter Lebensgefahr das mit Flüchtlingen voll besetzte Boot glücklich über die Ostsee zur sicheren Westküste gerettet. Dort wurde es später als Arbeitsboot verwendet und schließlich als eines der Rettungsboote von Hela wiedergefunden.

 Im Jahre 1948 begann Ritgen ein Studium der Rechte in Frankfurt am Main, das er 1952 mit dem 1. Staatsexamen abschloss. Bereits im März 1953 setzte Ritgen seine militärische Karriere in der damaligen Vorläuferorganisation der deutschen Bundeswehr, dem „Amt Blank“, fort. Bei der Bundeswehr wurde Ritgen wieder Generalstabsoffizier. Dort oblagen ihm in einem Spezialkommando im Wesentlichen Beobachtungen, Analysen und Beurteilungen hoher und komplizierter militärpolitischer Abläufe und Zusammenhänge. In seine Zeit fielen einige sehr schwierige und gefährliche politische Verwerfungen im internationalen Raum. Im Internet ist zu lesen, dass er in der operativen Beschaffung (Ost) des Bundesnachrichtendienstes tätig war – eine in der Zeit des Kalten Krieges für die Sicherheit Deutschlands überaus wichtige Aufgabe.

Im Herbst 1975 begab sich Udo Ritgen in den Ruhestand. Doch der erfahrene Brigadegeneral blieb eine sehr gefragte Persönlichkeit für wehrpolitische Vorträge, andere publizistische Aktivitäten und für Ehrenämter. Neben seinen Hauptinteressen Politik, Wirtschaft, Wehrwesen, Wissenschaft, Technik und Geschichte konnte er sich nun auch wieder seinen Hobbys Bergwandern, Skifahren und Schwimmen stärker zuwenden.

Udo Ritgen war lange Zeit Mitglied des Vorstands der Ost- und Westpreußenstiftung in Bayern e.V. In „dankbarer Würdigung seiner langjährigen Verdienste auf kulturpolitischem und wissenschaftlichem Gebiet um die Überlieferung und Erhaltung ost- und westpreußischer Kulturwerte“ verliehen ihm die Ost- und Westpreußenstiftung in Bayern und die Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen im Juni 2006 zu seinem 90. Geburtstag die „Albertus-Nadel in Gold“.

Der verstorbene Brigadegeneral Udo Ritgen hat sich um Menschen und Heimat große Verdienste erworben.      Reinhard Krohn/PAZ


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