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06.11.10 / Heißes Eisen für zu Guttenberg / Die Empfehlungen der »Weise-Kommission« haben drastische Folgen für die Mitarbeiter der Bundeswehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Heißes Eisen für zu Guttenberg
Die Empfehlungen der »Weise-Kommission« haben drastische Folgen für die Mitarbeiter der Bundeswehr

In ihrer 114 Seiten umfassenden Studie „Vom Einsatz her denken“ deckt die „Weise-Kommission“ gravierende Mängel in der Führungsstruktur der Bundeswehr auf und bietet zahllose Empfehlungen an, wie diese Mängel in den nächsten sechs bis acht Jahren weitestgehend abzustellen sind.

Das größte öffentliche Echo erzielt die Empfehlung, das Ministerium zu halbieren und möglichst schnell in Berlin zusammenzuführen mit der Erkenntnis: „Das Ministerium ist von Grund auf neu zu konzipieren.“ Der Vorschlag „halbieren“ alarmierte die „Rheinschiene“. Klarer wäre der Begriff „ausgliedern“ gewesen. Denn darum geht es.

Von den derzeit rund 3000 Dienstposten im Ministerium – 1200 militärische und 1800 zivile – sollen rund die Hälfte mit „ministeriellen“ Aufgaben möglichst bald nach Berlin verlegt werden. (Davon müssen vermutlich aber noch die Dienstposten abgezogen werden, die bereits in Berlin sind.) Mit dieser Umgliederung ist eine weitere Stärkung des Generalinspekteurs verbunden. Er wird „Oberkommandierender der Streitkräfte“ (Chief of Defence).

Die Inspekteure werden aus dem Ministerium ausgegliedert und zu Befehlshabern ihrer Teilstreitkräfte ernannt. Die Angehörigen dieser Stäbe können in Bonn verbleiben. Die Lobby der „Rheinschiene“ kann aufatmen.

Diese Umgliederung und der kostenträchtige Umzug nach Berlin haben mehr Vor- als Nachteile. Es hat auch Sinn, alle mit dem Einsatz verbundenen Aufgaben in dem Einsatzführungskommando in Potsdam zu bündeln. Die Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten werden transparenter.

Eine weitere Empfehlung ist die Bestätigung des Aussetzens – de facto des Abschaffens – der Wehrpflicht. Diese Entscheidung bezeichnet der Verteidigungsminister mittlerweile als „patriotische Verantwortung“. Die Ausführungen der Kommission zu dieser Empfehlung machen deutlich, dass man bei der Nachwuchsgewinnung Probleme erwartet. Die Bundeswehr gerät wegen der demographischen Entwicklung in einen immer härteren Kampf um qualifizierten Nachwuchs. Die Überlegung, den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr auch für Staatsbürger von EU- und Nato-Staaten zu öffnen, macht die Sorgen deutlich.

Die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses wird die entscheidende Frage der nächsten Jahre sein, zumal der Finanzminister eine Reduzierung um je 20000 Berufs- und Zeitsoldaten verlangt. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Kommission eine Truppenstärke von 180000 Soldatinnen und Soldaten vorschlägt – zirka 20000 über dem vom Minister favorisierten Modell 4. Diese höhere Truppenstärke würde die Durchhaltefähigkeit der deutschen Streitkräfte erhöhen.

Dennoch – die Reduzierung von 70000 Soldaten der Bundeswehr bedeutet die Streichung von etwa 70 Standorten, wenn man bei den bisherigen Regeln bleibt, dass ein Standort aus wirtschaftlichen Überlegungen 1000 Soldatinnen und Soldaten haben sollte. Hier wird die Politik aktiv, wenn es zu diesen Fragen der Streichung von Standorten kommt.

Ein heißes Eisen bleibt die Reduzierung des Zivilpersonals der Bundeswehr. Die Kommission empfiehlt eine Reduzierung von etwa 75000 auf rund 50000 Dienstposten. Die Rechte und Ansprüche der Beamten und Angestellten machen die Realisierung dieser Empfehlung zu einer schwierigen Aufgabe.

Bei der Präsentation der Studie machte der Vorsitzende der Kommission, Frank-Jürgen Weise, deutlich, dass die Umsetzung der Empfehlungen die Bundeswehr effizienter machen, aber in den nächsten Jahren keine finanziellen Einsparungen bringen würde.

Das steht allerdings im Widerspruch zu den Vorgaben des Finanzministers. Nach seinen Vorstellungen soll die Bundeswehr die Kosten um 8,3 Milliarden reduzieren und es ist davon auszugehen, dass der Finanzminister – und die Kanzlerin? – auf diesen Einsparungen auch bestehen wird.

Im Verteidigungsministerium soll – unter Berücksichtigung aller Vorgaben – bis Ende Januar 2011 das Konzept für die zukünftige Bundeswehr entwickelt werden. Eine Umsetzung der „Weise-Empfehlung“ im Verhältnis 1:1 wird es nicht geben können. Erst auf der Grundlage dieses Konzeptes kann die Feinausplanung erfolgen, die im Sommer 2011 abgeschlossen werden soll. Erst dann kann beurteilt werden, ob die Bundeswehr und die deutschen Streitkräfte schlanker und effizienter sein werden.

Bei allen Entscheidungen muss berücksichtigt werden, dass „Vom Einsatz her denken“ bedeutet, dass die rechtlichen, versorgungsrechtlichen, medizinischen und materiellen Bedingungen für unsere Soldatinnen und Soldaten verbessert werden müssen. Sie

riskieren Gesundheit und Leben für ihr Vaterland. Die Bundeswehr ist kein Betrieb wie jeder andere.

Dieter Farwick

Der Autor kam 1961 als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr. Er ist Brigadegeneral a.D. und Chefredakteur von www.worldsecurity-network.com. Er war Direktor des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr und ist Mitglied des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London.


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