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06.11.10 / Nach dem Geschmack der Grünen / Die neue Studie über das Auswärtige Amt in der NS-Zeit – Ein Stück linker »Geschichtspolitik«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Nach dem Geschmack der Grünen
Die neue Studie über das Auswärtige Amt in der NS-Zeit – Ein Stück linker »Geschichtspolitik«

Bestellt und geliefert: Der Auftraggeber Joschka Fischer wollte eine wissenschaftlich lackierte Unterlage für sein linksgrünes Weltbild, sehr viele deutsche Diplomaten vor 1945 seien überzeugte Nazis gewesen. Er gab eine entsprechende Studie in Auftrag und die Historiker lieferten nun das Gewünschte – wenn auch mit teils absurden methodischen Schwächen.

Die Lektüre der fast 900 Seiten starken Studie, die unter dem Titel „Das Amt und die Vergangenheit“ auch als Buch erschienen ist, lässt den kritischen Leser ratlos zurück: Das sollen nun die erdrückenden Belege sein, dass das Auswärtige Amt direkt in die Vernichtung der Juden eingebunden war? Dass das Auswärtige Amt „eine verbrecherische Organisation“ gewesen sein soll (so der Historiker Eckart Conze, der die Kommission zur Erstellung dieser Studie leitete)? Dass gar die Deutschen zwischen 1933 und 1945 insgesamt „eine verbrecherische Organisation“ waren? Letzteres erklärte der Historiker Mosche Zimmermann, einer der vier Bearbeiter der neuen Studie.

Dass bei weitem nicht alle Diplomaten Schuld auf sich geladen haben, gibt die Untersuchung an einer Stelle selbst zu, um an vielen anderen Stellen wieder zu verallgemeinern. Die Studie lässt bei Licht besehen mehr Fragen offen als sie klärt. Deutlicher gesagt: Sie enthält und verbreitet vor allem Meinungen, die zum linken Zeitgeist passen. Die Belege für die Vorwürfe – beziehungsweise den Nachweis, dass aus den aufgeführten Dokumenten die gewagten Rückschlüsse gezogen werden dürfen – bleibt sie dagegen oft schuldig.

Beispiel 1: Franz Krapf, dessen Nachruf in der „AA intern“ Joschka Fischer 2004 verhinderte, womit er die „Nachruf-Affäre“ auslöste, die am Anfang dieser Studie stand. Krapf war während des Zweiten Weltkrieges an der deutschen Botschaft in Tokio stationiert. Über ihn heißt es in der Studie wörtlich: „Über Krafts Tätigkeit ist wenig bekannt, aber klar ist: Selbst im fernen Ostasien waren deutsche Diplomaten mit der ‚Endlösung‘ der Judenfrage befasst.“ In Klartext heißt das: Es gibt keine Hinweise auf Verfehlungen Krapfs. Die Verweigerung eines ehrenden Nachrufs war insofern schlicht ein Akt der Ehrabschneidung an dem verstorbenen Spitzendiplomaten, der nach plausiblen Aussagen aus der frühen Nachkriegszeit sogar dem Widerstand nahestand.

Beispiel 2: Die in vielen Medien  dargestellte Reisekostenabrechnung des Leiters des sogenannten Judenreferats, Franz Rademacher, die als Reisezweck „Liquidation von Juden in Belgrad“ enthält, beweist für sich genommen nicht  die Täterschaft Rademachers, sondern nur eine entsprechende Mitwisserschaft. Im Übrigen ist gerade die schwere Belastung Rademachers ein alter Hut: Er wurde deswegen 1947 von den Amerikanern verhaftet und später wegen Beihilfe zum Totschlag an Juden zu drei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt.

Beispiel 3: Ernst von Weizsäcker ist im Nürnberger „Wilhelmstraßen-Prozess“ 1949 als Kriegsverbrecher zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, 1950 kam er im Zuge einer allgemeinen Amnestie wieder frei. Auch zu seinem Fall – und etwa seinem Einfluss auf die Ausbürgerung Thomas Manns – hat die Studie eigentlich nichts Neues ergeben, das Schreiben von 1936 aus Bern war bei Fachleuten bereits bekannt und keinesfalls vom Politischen Archiv des AA geheimgehalten worden, wie nun von den Verfassern der Studie insinuiert wird. Interessant ist aber der Umstand, dass (zum Beispiel laut der Untersuchung „Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte“ von Paul Egon Hübinger von 1974) es das AA immerhin noch geschafft hat, Manns Ausbürgerung zu verzögern, bis er sich 1936 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft sichern konnte. Dadurch verlor er die deutsche automatisch, und das Signal, das sich die Nazis von der Ausbürgerung erhofft hatten, ging ins Leere.

Die Studie, die nun von der linken Journaille so begeistert aufgenommen wurde, wirft natürlich weitere Fragen auf. Immerhin war das AA nach dem Krieg nur in kurzen Phasen eine Domäne der CDU/CSU, sondern vielmehr der SPD und FDP. Müsste man in linker Konsequenz das AA nicht umbenennen, um – wenn man die Studie ernst nimmt – den schädlichen Traditionsbogen, der von Judenverfolgern im AA ausgeht, zu tilgen? Müsste die historische Rolle der ehemaligen NSDAP-Mitglieder Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher neu bewertet werden?

Und: Wie steht es mit Willy Brandt, der ja offensichtlich weder in seiner Zeit als Außenminister ab 1966 noch dann als Kanzler etwas getan hat, um die belastete Vergangenheit des AA aufzuarbeiten? Schon wagt es Frank-Walter Steinmeier, im „Cicero“ am Denkmal des SPD-Übervaters zu kratzen: Er nennt die Nicht-Aufarbeitung unter Brandt ein „betrübliches Kapitel“, da Ex-NSDAP-Mitglieder unter den Diplomaten wie Nüßlein unter Brandt nicht nur im Dienst gehalten, sondern sogar noch belobigt worden seien.

Dass bei der neuen Studie aktuelle Parteipolitik einen kaum geringeren Stellenwert gehabt haben dürfte als der Versuch einer Aufarbeitung der Vergangenheit, legt die Motivlage der Grünen und ihres damaligen starken Mannes Joschka Fischer nahe, der die Studie 2004 als Bundesaußenminister in Auftrag gegeben hat. Schon damals war die FDP ein politischer Hauptkonkurrent der Grünen: Man umwarb dieselben, meist gebildeten und wohlhabenden Wählergruppen in westdeutschen Großstädten.

Das AA war aber seit vielen Jahren eine FDP-Domäne als Fischer 1998 Außenminister wurde. Auch personalpolitisch hatten die Liberalen dem Haus ihren Stempel aufgedrückt. Vor diesem Hintergrund bekommt Fischers Entscheidung von 2004, generell keine früheren NSDAP-Mitglieder in AA-Diensten mit einem Nachruf zu ehren, eine besondere Note. Vielleicht hatte er gar nicht einmal übersehen, dass sich diese Weisung eines Tages auch gegen Scheel und Genscher richten würde, sondern diese Spitze gegen die FDP bewusst gesetzt? Dafür spricht, dass in den 50er Jahren frühere NSDAP-Mitglieder in der FDP eine starke Seilschaft gebildet hatten, die offenbar auch einen mutigeren personellen Neuanfang im AA abzuwehren half. Auch daran erinnert die in vielen Punkten fragwürdige Studie nun, die den Grünen verständlicherweise weit besser gefällt als SPD und FDP.             A. Heinrich/PAZ


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