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06.11.10 / Zweiter Anlauf zum Großreich / Auch das Zweite Göktürkische Reich hatte sein Zentrum in Fernost – Die Geschichte der Türken (Teil 2)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-10 vom 06. November 2010

Zweiter Anlauf zum Großreich
Auch das Zweite Göktürkische Reich hatte sein Zentrum in Fernost – Die Geschichte der Türken (Teil 2)

Wie der Untergang des Ersten Göktürkischen Reiches mit dem Aufstieg der Tang-Dynastie im benachbarten China ging der Aufstieg des Zweiten Göktürkischen Reiches mit einer Schwächephase der Tang-Dynastie einher.

Dem Tang-Kaiser Taizong, der dem Osttürkischen Reich 630 dessen Ende bereitet hatte, war nach seinem Tod im Jahre 649 sein Sohn Gaozong auf den chinesischen Thron gefolgt. Gaozong wird als ruhige und fügsame Person ohne große Eigeninitiative beschrieben und geriet unter den Einfluss der Konkubine Wu Zetian. Sie ging als „schreckliche Kaiserin“ in die chinesische Geschichte ein, weil sie in den Jahren 655 bis 683 mit brutalen Methoden die Macht an sich riss. Nachdem sie zwei eigene Kinder und 683 den Kaiser selbst, dessen Ehefrau sie inzwischen war, ermordet und später zwei als Kaiser eingesetzte eigene Söhne abgesetzt beziehungsweise zur Abdankung gezwungen hatte, griff sie im Jahre 690 selbst nach der Kaiserwürde.

Diese Thronwirren und die fehlende Legitimation der vormaligen Konkubine Wu Zetian destabilisierten China. Zu dieser innenpolitischen Schwächung kam mit den Tibetern ein äußerer Feind, der 670 die sogenannten vier Garnisonen der Chinesen – Kaschgar, Choton, Kutsch und Karaschahr – und damit das Tarim-Becken in seine Gewalt brachte.

Damit war die Grundlage für die zweite große Reichsgründung der frühen Türken geschaffen. Sie lebten seit dem Untergang ihres ersten Reiches unter chinesischer Herrschaft und waren unzufrieden mit ihrer Oberschicht. Diese übernahm zusehends den luxuriösen chinesischen Lebensstil, während die Massen verarmten. Mit Raubzügen den Lebensstandard zu verbessern, war den türkischen Nomaden unter chinesischer Herrschaft ebenso verwehrt wie die eigenen Herden weiden zu lassen, wo sie wollten. Bei dieser Unzufriedenheit der Türken und der Schwäche ihrer chinesischen Herren bedurfte es für einen Aufstand nur noch einer geeigneten Führungspersönlichkeit.

Sie fand sich in Kutlug, was so viel heißt wie der mit Segen Behaftete oder Versehene. Dieser Stammesführer entstammte wohl dem Herrscherhaus des Ersten Türkischen Reiches; und obwohl er als Söldner in chinesischen Diensten gestanden hatte, war er der traditionellen türkischen Lebensweise verbunden.

Nach einer Niederlage gegen die Chinesen 681 floh er mit seinen Anhängern in das Hochgebirge des Yin-shan. Von dort zog er dann weiter in das Hangay-Gebirge. Kutlug hatte das Glück, in Bilgä Tonjukuk einen Berater zu haben, der ebenso klug wie loyal war. Von letzterem stammt ein bemerkenswertes Plädoyer für die Migration: „Die Türk sind an Zahl sehr gering; nicht einmal ein Hundertstel der Bevölkerung der T’ang [= Chinesen der Tang-Dynastie]. Dass wir trotzdem den T’ang immer wieder Widerstand leisten konnten, verdanken wir gerade der Tatsache, dass wir Wasser und Gras suchend herumziehen, keinen beständigen Wohnort haben und von der Jagd leben. Die Lehren in den buddhistischen und taoistischen Tempeln bringen den Menschen nur Güte und Nachgiebigkeit bei. Das ist nicht der Weg zum Kriegführen und Machterwerben.“

Auf Tonjukuks Rat hin wurden nun die türkische Stammeskonföderation der Oghusen nördlich des Hangay angegriffen und von der Ötükän-Gebirgsweide vertrieben. Das war folgenschwer, weil das Ötükän-Gebiet als heilig galt und seinem Beherrscher eine besondere Autorität verlieh. Mit dieser Autorität im Rücken gelang es Kutlug ab 682, die Göktürken hinter sich zu einen und ein Zweites Türkisches Reich zu gründen. Bis zu Kutlugs natürlichen Tod 691 oder 692 erreichte dieses Zweite Reich in etwa die Größe des früheren Osttürkischen Reiches. Die ihm verliehene Ehrenbezeichnung „Eltäris“, was so viel heißt wie Reichssammler, zeugt von diesem Werk.

Da Kutlugs Sohn Kül-Tegin beim Tode seines Vaters erst sechs Jahre alt war, bestimmte der Reichstag (Kuriltai) des Reichsgründers Bruder Kapagan zum Regenten. Kapagan betrieb eine sehr expansive Politik. Ihm unterstellten sich freiwillig die Stämme der Karluken und Oghusen, aber er unterwarf auch nichttürkische Völker wie die Kitan. Bis 699 hatte das Zweite in etwa wieder das Ausmaß des Ersten Türkischen Reiches erlangt.

Zum Wohlstand des Reiches trugen auch Überfälle auf die Chinesen bei, laut deren Quellen allein 25 in der Regierungszeit Kapagans. Vergebens versuchten sich die Chinesen durch Tributzahlungen hiervon freizukaufen. Kaiserin Wu Zetian schickte ihm sogar einen ihrer Verwandten, als Kapagan von den Chinesen einen kaiserlichen Prinzen für seine Tochter begehrte. Statt den Verwandten der Kaiserin zu seinem Schwiegersohn zu machen, sperrte er ihn ein, da er die Legitimität der vormaligen Konkubine auf dem Drachenthron anzweifelte und einen Tang-Prinzen als ebenbürtigen Partner für seine Tochter wünschte. Kapagan trug denn auch das seine dazu bei, dass die Kaiserin 703 zugunsten von Gaozongs Sohn Zhongzong abdankte und die Herrschaft der Tang-Dynastie restauriert wurde.

13 Jahre später ereilte Kapagan in der heutigen Mongolei nördlich des Flusses Tula ein gewaltsamer Tod. Auf dem Rückweg von einer erfolgreichen Strafexpedition gegen den ebenfalls türkischen Bayirku-Stamm, der mit den Chinesen kollaboriert hatte, wurde er von Überlebenden dieses Stammes überfallen und getötet.

Nun proklamierte sich Kapagans Sohn Bögü zu dessen Nachfolger als Kagan (Großkhan, Kaiser). Während Kapagans Regierungszeit hatte sich jedoch Kutlugs Sohn Kül-Tegin als Heerführer profiliert. Daran änderte auch seine Schlappe im Kampf gegen die muslimischen Araber nichts, die ab 705 Mittelasien überrannten. Bei Buchara hatten diese ihn blutig zurückgeschlagen. Die Araber mit ihrem Islam waren seinerzeit jedoch noch zu unbedeutend als dass sie ihm oder dem  Göktürkischen Reich, dem er diente, hätten gefährlich werden können.

Nach dem Tode seines Herren Kapagan tötete Kül-Tegin nun dessen Familie einschließlich Bögü und auch dessen Berater – mit einer wichtigen Ausnahme: Tonjukuk. Tonjukuk war der Schwiegervater von Kül-Tegins Bruder Mo-chi-lian. Diesen Bruder Mo-chi-lian, der bisher den Westteil des Reiches verwaltet hatte, setzte Kül-Tegin nun als neuen Kagan durch.

Bilgä Kagan (weiser Kagan), so sein Beiname, dienten als Berater sein Bruder Kül-Tegin und sein Schwiegervater Tonjukuk. Die Zusammenarbeit dieser drei Männer brachte dem Göktürkenreich 18 Jahre einer vorher nicht gekannten Stabilität. Das Territorium reichte vom Schwarzen Meer bis nach China und vom Altai bis zum Hindukusch und war mit 18 Millionen Quadratkilometern mehr als 22 Mal so groß wie das der heutigen Türkei.

Der Anfang vom Ende des Reiches begann mit dem Tode dieser drei Männer. Erst starb 732 Kül-Tegin, dann Tonjukuk. Und schließlich fiel Bilgä Kagan einem Giftanschlag zum Opfer. Dem Sterbenden war es noch vergönnt die Hinrichtung der Attentäter mitzuerleben, aber seinem Reich half das nicht mehr. Der „Reichssammler“ (Eltäris) Kutlug hatte die Stämme zu einem Reich gesammelt. Bilgä Kagans Nachfolger gingen sie wieder verloren. Nach chaotischen Thronwirren einigten sich 744 die Basmil, die Karluk und die Oghusen, standen auf und vertrieben das von Kuglut begründete Herrschergeschlecht ins chinesische Exil. Manuel Ruoff


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