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13.11.10 / Grüne streiten schon über Posten / Künast greift nach der Macht in Berlin: Haben die anderen Parteien schon resigniert?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Grüne streiten schon über Posten
Künast greift nach der Macht in Berlin: Haben die anderen Parteien schon resigniert?

Renate Künast will Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. In ihrer Partei wird schon eifrig um Posten gerungen in der ersten von den Grünen geführten Landesregierung. SPD, CDU und Linke reagieren auffallend blass auf die neue Herausforderung.

Lange war darüber spekuliert worden, ob die Grünen 2011 mit Renate Künast an der Spitze zur Berliner Abgeordnetenhauswahl antreten würden. Nun hat die Vorsitzende der Bundestagsfraktion sich auf einer erweiterten Mitgliederversammlung im Beisein von Vertretern des Naturschutzbundes sowie des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer zur Bürgermeisterkandidatin küren lassen: „Ich bin bereit.“ Im Juli 2009 wurden bei einer Umfrage erstmals 20 Prozent für die Grünen gemessen, im August 2010 wurde die Partei nach Umfragen stärkste Kraft an der Spree. In diesem Zeit-raum ist Künasts Entscheidung zur Kandidatur gereift.

Eine Zweierkoalition in Berlin wird möglich, da die FDP mit einem Umfragewert von nur noch drei Prozent aus dem Parlament ausscheiden könnte und nach fast allen Umfragen der vergangenen Monate etwa zehn Prozent Stimmenanteil für die „Sonstigen“ zu erwarten sind. Dort zeichnet sich derzeit noch keine Gruppierung ab, die den Einzug ins Parlament schaffen dürfte.

Folgende Koalitionsmöglichkeiten kommen in Betracht: SPD/CDU, Grüne/CDU und Grüne/SPD. Die Linkspartei wird möglicherweise für keine Koalition mehr benötigt. Jedoch: Bei einem grün-roten Bündnis könnte die vermutlich nur knapp unterlegene SPD fünf von zehn Senatorenposten beanspruchen, bei einer Koalition mit einer wahrscheinlich deutlich schwächeren CDU müsste sich diese mit vier Posten begnügen. Am Ende könnten machtpolitische und nicht inhaltliche Überlegungen über die Koalitionspräferenz der Grünen entscheiden. Eine gerupfte CDU wäre sicher auch ein verlässlicherer Koalitionär für die Grünen als die Sozialdemokraten, die sich, als derzeitige Bürgermeisterpartei, mit der Rolle des Juniorpartners schwerer tun dürften als die gebeutelte Union.

Nur vom Frühjahr 1989 bis 1990 und nochmals für einige Monate des Jahres 2001 saßen Grüne im Berliner Senat. Viele grüne Spitzenpolitiker verließen die Landespolitik, weil es hier keine Karriereaussichten gab. Nicht zuletzt Renate Künast wechselte deshalb in die Bundespolitik.

Nun ist alles anders: Die Wahl ist noch etliche Monate hin, doch schon geht bei den Grünen das Gerangel um mögliche Posten in einer ersten von ihrer Partei geführten Landesregierung los. Ein Migrant soll in jedem Fall in den Senat. Doch da fangen die Schwierigkeiten schon an. Fraktionschefin Ramona Pop (33) hat zwar ihre Kindheit in Rumänien verbracht, ist aber nicht „migrantisch“ genug. Auch die türkischstämmigen Fraktionsmitglieder erscheinen problematisch. Canan Bayram wechselte erst im Mai 2009 von der SPD zu den Grünen, kommt also nicht in Frage. Özcan Mutlu meldet sich in der Bildungspolitik oft zu Worte. Ob er sich aber zum Senator eignet, da haben einige Parteifreunde ihre Zweifel. Der zweite Fraktionschef Volker Ratzmann könnte als Rechtsanwalt für die Ressorts Innen oder Justiz, Franz Schulz für Stadtentwicklung in Frage kommen. Sybill Klotz hätte als „Ossi“ und Frau gute Karten. Sie ist Stadträtin für Gesundheit und Soziales in Tempelhof-Schöneberg und könnte ein ähnliches Ressort leiten. Dem Kreuzberger Abgeordneten Dirk Behrendt werden Ambitionen für das Justizressort, Michael Schäfer und Felicitas Kubala für Umwelt nachgesagt. Jochen Esser und Oliver Schruoffeneger empfehlen sich als Finanzexperten.

Es scheint, als hielten die Grünen die Wahl schon für gewonnen. In der Tat sieht es so aus, als gebe es keinen Widerstand mehr gegen Künast und Co. SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit schimpft zwar gelegentlich, doch die CDU scheint keine Lust zu haben, sich noch inhaltlich mit den Grünen anzulegen.

Opposition kommt nur noch von einem Journalisten – allerdings einem einflussreichen. Gunnar Schupelius schreibt im auflagenstarken Boulevardblatt „B.Z.“ die tägliche Kolumne „Mein Ärger“. Dort hat er Künast vergangene Woche an zwei Punkten vorgeführt. Auf der Veranstaltung „Zukunftswerkstatt Green Economy“ habe Künast gefordert, „ganze Stadtquartiere“ müssten „für den Autoverkehr gesperrt werden“. Das sei Fanatismus, befand der Kolumnist: „Die Grünen haben das Auto zum Grundübel erklärt ... und sind die Partei der Wohlhabenden, Schläfrigen, Satten. Sie glauben, dass man auf dieser Welt alles mit dem Fahrrad erreichen kann. Die Grünen haben mit den normalen Menschen doch kaum noch was zu tun.“ Kurz danach der zweite Streich. Schupelius warf Künast Multikulti-Träume vor und fragte: „Nimmt sie uns Berliner denn noch ernst?“

Die Gescholtene reagierte auffällig gereizt. Sie ließ dem unbequemen Journalisten ausrichten, der zitierte Satz über die Autofahrer sei nicht über ihre Lippen gekommen. Sie trete für einen „Kulturwandel zu einer neuen urbanen Mobilität mit einer Generation ohne Golf“ ein. Zur Einwanderung legte sie ein Papier vor. Darin heißt es, dass „der Islam als Religion (…) noch immer nicht in Deutschland ankommen konnte, weil er mit anderen Religionen nicht gleichgestellt ist“. Deshalb komme es zur Diskriminierung von Muslimen. Über die Vereinbarkeit des Islam mit der Gleichberechtigung von Frau und Mann sagte Künast nichts.    Hans Lody


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