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13.11.10 / Zwischen Bonzen und Börse / Investoren treiben Agrarland-Preise in Neuen Bundesländern in die Höhe – Nur Großagrarier profitieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Zwischen Bonzen und Börse
Investoren treiben Agrarland-Preise in Neuen Bundesländern in die Höhe – Nur Großagrarier profitieren

Investoren entdecken vermehrt die Attraktivität von Grund und Boden in den Neuen Bundesländern. Das sorgt bei landwirtschaftlichen Pächtern für Unruhe. Sie fürchten um ihre Betriebe, da die neuen Nachfrager die Preise in die Höhe treiben.

Verunsichert durch die Bankenkrise der letzten Jahre, lassen  Millionen Sparer ihr Geld auch bei mickrigen Zinsen von einem Prozent lieber auf Tageskonten und Sparbüchern schmoren, als sich erneut in Abenteuer mit Aktien, Anleihen oder Zertifikaten zu stürzen. Weder der Kunde noch die Bank verdient an diesem Verhalten, und daher sucht die Finanzbranche dringend nach renditestärkeren Anlagemöglichkeiten.

Wichtig ist den Anlegern, dass ein realer Gegenwert dahinter steckt und nicht nur ein vages Schuldversprechen auf Papier. Beteiligung an einer Biogasanlage, Anteile eines Fonds, der in Bodenschätze oder die Landwirtschaft investiert, zählen zu den neuen Rennern. Auf der Suche nach Anlageobjekten durchforsten Investoren derzeit die Welt. Dabei fällt ihr Blick keineswegs nur auf Afrika oder Asien, sondern auch auf die Neuen Bundesländer.

Im Osten der Bundesrepublik laufen jedes Jahr Pachtverträge aus. Und immer mehr Pächter stellen fest, dass das Interesse an ihrem Land überraschend groß ist. Wolfgang Beer, Geschäftsführer der Gerbsteder Agrar GmbH, beklagt im „Spiegel“, dass der Preis bei ihm in Sachsen-Anhalt in den letzten neun Monaten von 9500 Euro auf 17500 Euro pro Hektar gestiegen sei. Das führe dazu, dass die Alt-Pächter nicht in der Lage seien, das Land nach Auslaufen ihres Vertrages zu kaufen, zumal die EU vermutlich ab 2014 die Subventionen für die Landwirtschaft kürzen wird.

Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), die seit 1992 den gesetzlichen Auftrag hat, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen zu privatisieren, hat inzwischen über eine Million Hektar privatisiert und dem Bund 4,3 Milliarden Euro Überschuss beschafft. Abgesehen davon, dass die Eigentumsverhältnisse des sogenannten „DDR-Volkseigentums“ bis heute nicht vollständig geklärt sind − schließlich wurden viele Flächen manchmal sogar gleich zweimal entschädigungslos enteignet (zunächst Alteigentümer, später auch „Neubauern“) −, stellt sich nun die Frage, inwieweit die Alt-Pächter nicht durch Investoren ausgetauscht werden. Zwar gingen laut BVVG 2009 noch 95 Prozent der verkauften Flächen an ortsansässige Betriebe; allerdings gilt seit 2010 ein neues Gesetz, das verlangt, dass die Alt-Pächter das Land (maximal aber 450 Hektar), so sie es denn nicht unter Verzicht ihrer Direkterwerbsmöglichkeit für neun Jahre neu pachten wollen, zum Verkehrswert kaufen müssen. Doch der ist inzwischen laut Medienberichten in vielen Gebieten stark gestiegen. Die BVVG selbst gibt für 2010 noch keine Zahlen bekannt. Im Falle Sachsen-Anhalts waren es 2008 aber 8500 Euro pro Hektar und 2009 10900 Euro. 

Allerdings ist die Klage, dass nun kapitalistische Großgrundbesitzer das Land an sich reißen, überholt. Viele ehemalige Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) erwarben nach ihrer Umwandlung in eine GmbH oder Agrargenossenschaft Anfang der 90er Jahre zu Preisen von umgerechnet 2000 bis 3000 Euro pro Hektar das „Volkseigentum“. Das hatte zur Folge, dass heute beispielsweise 72,9 Prozent der Agrarbetriebe in Thüringen und 68,2 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern über 500 Hektar groß sind, in Bayern sind es nur 0,6 Prozent, in Niedersachsen 3,3.

Die Landverteilung sei inzwischen „feudalistischer als 1910, als Mecklenburg noch Großherzogtum war“, so Helmut Klüter von der Uni Greifswald. Eine Umstrukturierung der aus DDR-Zeiten überkommenen großbetrieblichen Landwirtschaft habe nicht stattgefunden. Das habe zur Folge, dass die Landwirtschaft oft von einem einzigen regionalen Großbetrieb repräsentiert würde, der zudem häufig als Flächenmonopolist fungiere und durch starke Verbandsorganisationen politisch nahezu unangreifbar sei. So mancher ehemalige LPG-Funktionär leitet heute noch einen landwirtschaftlichen LPG-Nachfolgebetrieb und gehört häufig auch der Partei „Die Linke“ an. Ideologisch sei diese zwar gegen eine kapitalistische Landwirtschaft, doch in der Realität arbeiteten ihre Anhänger wie Großbetriebe kapitalistisch mit wenig Personal, vielen Maschinen und vielen Monokulturen auf großen Flächen.

Und so sahen sich die Bewohner aufgrund des Beschäftigungsrück-gangs in der Landwirtschaft zumindest in Mecklenburg-Vorpommern gezwungen, sich andere Erwerbsmöglichkeiten auch außerhalb der Heimatregion zu suchen, was mit zur Abnahme der Bevölkerung führte und führt.

Laut dem Autor von „Klassenkampf gegen die Bauern“, Jörg Gerke, sollen sich nun genau die ehemaligen LPG-Nachfolgebetriebe freuen, dass sie das einst so günstig erworbene Land nun an Investoren zu traumhaften Preisen verkaufen können. Als kapitalistischer Käufer wird hier gern die KTG Agrar AG angeführt, die derzeit eine Fläche von mehr als 30000 Hektar in Deutschland und Litauen, fast überwiegend in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, bewirtschaftet. Inwieweit das Unternehmen, das offensiv um Anleger wirbt, jetzt aber seine Ländereien und Mitarbeiter mehr fordert oder gar ausbeutet, als es beispielsweise die LPG-Nachfolgebetriebe tun, ist ungewiss.

Kritisiert wird insbesondere der Trend zu immer mehr Großmastanlagen. So weist der „Spiegel“ daraufhin, dass die jüngst im pommerschen Alt Tellin genehmigte Schweinemastanlage eines niederländischen Investors für 250000 Ferkel pro Jahr mit einem voraussichtlichem Gülle-Ausstoß von 63000 Kubikmetern nur eines von vielen Großprojekten dieser Art sei.

Dass nun die Agrarflächen in den Neuen Bundesländern vor dem Ausverkauf stehen, scheint zwar eine übertriebene Befürchtung zu sein. Doch eins zeigt die Entwicklung auf: Die landwirtschaftlichen Strukturen aus DDR-Zeiten, die aus ideologisch motiviertem Unrecht hervorgingen, sind bis heute nicht überwunden. Rebecca Bellano


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