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13.11.10 / Erstes Turkreich mit Städten und Hochreligion / Das Großreich der Uiguren wurde ein Opfer der Kirgisen – PAZ-Serie über die Geschichte der Türken (Teil 3)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-10 vom 13. November 2010

Erstes Turkreich mit Städten und Hochreligion
Das Großreich der Uiguren wurde ein Opfer der Kirgisen – PAZ-Serie über die Geschichte der Türken (Teil 3)

Während in Mitteleuropa die Franken unter Karl Martell erfolgreich gegen die Araber kämpften, stießen 5000 Kilometer weiter östlich muslimische Araber nach Zentralasien vor. Dort besiegten sie türkische Stämme und bremsten so deren Expansion nach Westen. Der Schwerpunkt der Turkvölker blieb deswegen noch lange das Gebiet der heutigen Mongolei und Westchina. Lesen Sie Teil 3 der PAZ-Serie über die Geschichte der Türken.

Auf dem Territorium des Göktürkenreiches lebte eine Stammesföderation mit dem Namen „tokus ogus“ (neun Stämme). Im Laufe der Zeit wurde der erste Teil des Namens zusehends weggelassen, man sprach kurz von den Oghusen. Den bedeutendsten Einzelstamm bildeten die Uiguren, ein Turkvolk, das bis heute in der Volksrepublik China lebt. Möglicherweise leitet sich dieser Stammesname von dem türkischen Wort „uygar“ her, was so viel bedeutet wie gesittet oder kultuviert; denn die Uiguren waren das erste Turkvolk, das Städte errichtete und eine Hochreligion hatte.

Anfänglich hatte es den Anschein, als wenn von den Aufständischen gegen die göktürkische Herrschaft die zwischen dem Balchasch-See und Besbalik lebenden Basmil die Nachfolge der Göktürken antreten würden. Analog zu Kutlug, dem Gründer des Zweiten Göktürkischen Reiches, nannte sich nun auch ihr Fürst Eltäris (Reichssammler) und Kagan (Großkhan, Kaiser), während sich die Fürsten der Uiguren und Karluken mit dem Titel eines Schad (Kagan-Stellvertreter) begnügten.

Doch sehr schnell behaupteten die Uiguren, dass die Basmil ihren himmlischen Auftrag verwirkt hätten und griffen sie an. Die Basmil verloren den Kampf und ihr Führer sein Leben. Der uigurische Schad Kutlug Boyla schickte den Kopf von Eltäris Kagan in die chinesische Hauptstadt mit der Bitte um Anerkennung durch die Chinesen. 745 wurde er von chinesischer Seite tatsächlich als neuer Kagan anerkannt. Analog zum Gründer des Zweiten Göktürkischen Reiches Kutlug besetzte Kutlug Boyla nun das als heilig geltende Ötükän-Gebiet, um damit seiner Herrschaft zusätzliche Legitimität zu geben. Kutlug Boyla Kagan hatte das Erbe der Göktürken angetreten.

Die Kar­lu­ken wurden vor die Wahl gestellt, sich entweder wie die Basmil zu unterwerfen oder das Uigurenreich zu verlassen. Außer Basmil und Karluk wurden auch Turgesh, Tataren, Kitan, Kirgisen und andere Oghusen in das Reich integriert. Wer sich den Nachfolgern der Göktürken als neuen Herren nicht unterwarf, wurde zur Abwanderung gezwungen, zu Deutsch: vertrieben.

Bereits in der Generation, die dem Reichsgründer folgte, erreichte das Großreich der Uiguren den Höhepunkt seiner Macht. Das war die Regierungszeit der beiden Söhne von Kutlug Boyla Bilge-Kül und Tengri. Wie weiland das Göktürkische Reich wurde nun auch das der Uiguren verwaltungstechnisch geteilt. Die Osthälfte wurde von Karabalgasun am Ostufer des Orchon in der Mongolei aus regiert, die Westhälfte von Tofar aus.

Immer noch lag damals das Zentrum der Turkvölker an der Grenze zu China. Und ähnlich dem Aufstieg des Zweiten Göktürkischen ging auch jener des Uigurenreiches mit einer Schwächephase Chinas einher. Die dortige Tang-Dynastie hatte sich sowohl Angriffen von innen wie der An-Lushan-Rebellion als auch von außen durch die Tibeter zu erwehren. Dafür baten die Tang die Uiguren um militärische Unterstützung. Damit geriet das chinesische Kaiserhaus sogar in Abhängigkeit vom uigurischen Nachbarn. Das ging so weit, dass der Kaiser von China den Uiguren versteckt Tribut zollte und ihnen eine seiner Hauptstädte zur Plünderung freigab. Weitere Plünderungen chinesischer Städte durch die Uiguren erfolgten ohne explizite Freigabe durch den chinesischen Kaiser.

Ihren Höhepunkt erreichten die grausamen uigurischen Raubzüge durch China 762/763 in Tengris Regierungszeit. Bei seinem Zug durch China kam dieser von 759 bis 779 herrschende Kagan in der damaligen chinesischen Hauptstadt Lo-yang mit manichäischen Priestern in Berührung. Vier von ihnen nahm er in seine Heimat mit und weniger als ein Jahr nach der Rückkehr in seine Hauptstadt Karabalgasun nahmen Tegri und der uigurische Adel den manichäischen Glauben an. Der Manichäismus wurde damit im Großreich der Uiguren Staatsreligion. Es war die erste bezeugte offene Übernahme einer Hochreligion durch türkische Volksangehörige.

Die Lehre des Mani forderte eine streng asketische Lebensweise einschließlich des Verzichts auf Fleisch. Da diese Lebensweise eine sesshafte Lebensweise förderte, trug die neue Religion zur Urbanisierung bei.

Mit der Urbanisierung ging eine Westverlagerung des Schwerpunktes des Uigurenreiches einher. Um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert gelang den Uiguren ein großer Sieg über die mit den Chinesen verfeindeten Tibeter, der das Tarim-Becken unter ihre Herrschaft brachte. Mit ihm setzte die endgültige Türkisierung Ostturkestans ein. Die Uiguren begannen, sich dort neben der alten indo-europäischen Bevölkerung niederzulassen.

Dieser Entwicklung stand auf der anderen Seite eine Vernachlässigung der östlichen Reichsgebiete mit ihren Weideplätzen in der Steppe gegenüber. Durch die neue Religion des Manichäismus verlor das Ötükän-Gebiet viel von seiner früheren Bedeutung zur Legitimation der eigenen Herrschaft.

Wohl deswegen wurde den um 840 vom Norden her eindringenden Kirgisen, einem weiteren, bis heute existierenden Turkvolk, auch kein entschiedener Widerstand entgegengesetzt. Schließlich gelang es den Kirgisen, das über Thronwirren zerstrittene Großreich der Uiguren zu zerschlagen. Der uigurische Kagan Kichik-Tegin wurde 840 nach nur einem Regierungsjahr getötet. Sein Nachfolger Ughe-Tegin ereilte sechs Jahre später das gleiche Schicksal. Beim Sturz des Uigurenreiches kam den Kirgisen die Schwere des Winters 839/40 und mehr noch ein uigurischer Überläufer zu Hilfe. Ein General namens Külüg Bagha lief 840 zu ihnen über und zusammen mit dem Fürsten Uje Khan aus dem Jaglaqar-Klan wurde das Uigurenreich blutig beseitigt.

Die überlebenden Uiguren wurden von den Kirgisen in alle Richtungen zerstreut. Teile der Uiguren ließen sich nördlich des Tarim nieder, wo sie bis zur Expansion des mongolischen Reiches eine eigenständige Herrschaft etablierten. Eine Rückkehr in die mongolische Steppe fand nicht mehr statt.            Manuel Ruoff


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