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20.11.10 / Reserven im Ausland / Russen bringen neben Geld auch ihre Kinder in Sicherheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

Reserven im Ausland
Russen bringen neben Geld auch ihre Kinder in Sicherheit

Niemand mag es, wenn der Staat seine Hand nach dem sauer Verdienten aus- streckt. Zu hohe Abgabenlasten, wenig bis keine Unterstützung während der Krise, schwindendes Vertrauen in die Zukunft und die fehlende Rechtssicherheit veranlassen derzeit russische Geschäftsleute vermehrt dazu, ihr Geld außer Landes zu bringen. Ernüchternd für die Regierung ist die Tatsache, dass es sich nicht etwa um Kapital der Oligarchen handelt, sondern um mittelständische Firmeninhaber, die immer mehr das Vertrauen verlieren.

Der Mittelstand hat 2010 aktiver als jemals zuvor Kapital ins Ausland transferiert. Dorthin bringen sie auch ihre Kinder, deren Berufs-chancen nach einem Studium in London oder Zürich größer sind als nach einer Ausbildung zu Hause. Dass diese Entwicklung die russische Regierung beunruhigt, gab Wladimir Mau, Mitglied des Präsidentenrates für Wissenschaft, Technologie und Bildung, gegen-über der Presse nun zu. Weil die Situation an die 1990er Jahre erinnert, schlug der Experte vor, Geldtransaktionen speziellen Kontrollen zu unterziehen. Dass Menschen mit mittleren Einkommen sich absichern, indem sie sich im Ausland Reserven schaffen, bestätigt auch der Erste Vorsitzende der russischen Zentralbank, Alexej Uljukajew. Während die Weltbank für dieses Jahr für Russland eine Kapitalflucht in Höhe von zehn Milliarden Dollar vorhersagt, prognostiziert die russische Zentralbank eine Kapitalflucht zwischen zehn und 25 Milliarden Dollar. Laut Uljukajew wird die Zahl bis Jahresende wohl bei zwölf Milliarden Dollar liegen, was im Vergleich zum Vorjahr zwar wesentlich geringer ist (56,9 Milliarden Dollar), doch erklären Wirtschaftsexperten wie Jewgenij Jassin die anhaltende Finanzflucht damit, dass mittelständische Unternehmen unter Erscheinungen wie Erpressungen durch den Staat und die Gefahr für das Eigentum und die persönliche Sicherheit der Unternehmer leiden. Längst schon sprechen Experten von einem „systemimmanenten Problem“. „Außerdem haben sich die Beziehungen zwischen der Macht und den Unternehmen seit der Verhaftung Michail Chodorkowskijs verschlechtert“, so Jassin.

Diese Begründung wurde in der Vergangenheit auch für die Abwanderung ausländischen Kapitals angeführt. Doch während in den vorangegangenen Jahren  ausländische Firmen aufgrund der unsicheren Rechtslage, ungünstiger Kreditbedingungen, des Konflikts mit Georgien und zuletzt der Weltwirtchaftskrise ihr Kapital aus Russland zurückzogen, scheint der Trend hier gestoppt zu sein. Seit Ministerpräsident Wladimir Putin im Oktober Vize-Premier Igor Schuwalow zum „Finanz-Ombudsmann“ ernannt hat, an den sich ausländische Investoren bei Problemen nun direkt wenden können, soll ihre Situation besser sein als die ihrer russischen Kollegen.

Selbst Wachstumsprognosen von um die vier Prozent für das kommende Jahr überzeugen viele russische Unternehmer nicht, im eigenen Land zu investieren. Sie haben kein Vertrauen in die Effektivität der von der Regierung ergriffenen Maßnahmen. M. Rosenthal-Kappi


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