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20.11.10 / »Wir sind eine Menschenrechtsorganisation« / 'Der Lagebericht des Sprechers der Landsmannschaft vor der Ostpreußischen Landesvertretung am 6. November 2010 (Teil I)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-10 vom 20. November 2010

»Wir sind eine Menschenrechtsorganisation«
'Der Lagebericht des Sprechers der Landsmannschaft vor der Ostpreußischen Landesvertretung am 6. November 2010 (Teil I)

Wir dokumentieren im Folgenden in langen Auszügen den Lagebericht des scheidenden Sprechers der LO, Wilhelm v. Gottberg.

Es sind nun fast 66 Jahre vergangenen seit Beginn von Flucht und Vertreibung in Ostpreußen. Eine speziell auf die Vertriebenen hin ausgerichtete Politik gibt es nicht mehr. Bei den Ländern – mit Ausnahme von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – schon lange nicht mehr und beim Bund nun auch nicht mehr. Das war 1990 bei der Wende noch anders. Damals wurden aufgrund einer Initiative des Bundeskanzlers sieben Lehrstühle an  deutschen Universitäten eingerichtet mit dem Lehr- und Forschungsauftrag „Deutsche Geschichte in Ostdeutschland und Ostmitteleuropa“. Von diesen existiert keiner mehr. Sie wurden umgewidmet oder wegen fehlender Finanzmittel gestrichen.

Die Verbände der Vertriebenen sind – von Ausnahmen abgesehen – überaltert. Wen interessiert heute noch das Schicksal der Vertriebenen? Wer thematisiert heute noch den ungeheuer großen Verlust Deutschlands durch das Verschwinden der ostdeutschen Kultur- und Geistesgeschichte? Allein aus Schlesien kamen zwölf deutsche Nobelpreisträger. Der territoriale Verlust Ostdeutschlands ist damit noch nicht angesprochen. Damit aber dieser Verlust aus dem Gedächtnis kommt, hat man flugs aus Mitteldeutschland Ostdeutschland gemacht.

Die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als Trägerin einer Dokumentationsstätte über Flucht und Vertreibung der Ost- und Sudentendeutschen ist ein ungeliebtes Kind der Politik. Diese Politik wurde nur geschaffen, damit das Vorhaben des BdV „Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen“ verhindert werden konnte. Was wir nun bekommen, ist nicht das, was wir haben wollten. Durch die breite Dokumentierung auch anderer Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts besteht die Gefahr, dass die Vertreibung der Ost- und Sudetendeutschen sowie der Deutschen aus Südosteuropa zu einer Marginale wird. Darüber hinaus bestimmt schon die Satzung der Bundesstiftung, dass die Ursache der Vertreibung der durch Deutschland vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg und die NS-Terrorherrschaft während des Krieges in Ostmitteldeutschland gewesen war.

Die grüne Partei hat am 29. September einen Gesetzesantrag in den Bundestag eingebracht, mit dem Ziel, die gesetzlichen Grundlagen der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ umzuändern. Der Einfluss des BdV soll minimiert werden, Sinti und Roma sollen ebenso im Stiftungsrat Platz finden, wie Vertreibungsopfer aus dem Balkan, Bosnien, Kosovo. Dem Geist der Versöhnung – so die Grünen – müsse Raum gegeben werden. Für die „Revisionisten“ des BdV sei kein Platz.

Wer die historischen Tatsachen, die zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geführt haben, heute in Deutschland anspricht, ist ein Relativierer bzw. ein Verharmloser der deutschen Schuld. Können wir das akzeptieren? Nein, und nochmals nein! Die Landsmannschaft Ostpreußen hätte ihre Daseinsberechtigung verloren, wenn sie nicht mannhaft und standfest für den Durchbruch der historischen Wahrheit bei der Entstehungsgeschichte des Zweiten Weltkrieges eintreten würde. Ich will mich jedenfalls nicht der von der politischen Klasse und den Medienschaffenden vorgegebenen Denkungsart beugen.

Halten wir fest: Die Landsmannschaften mit ihrem Dachverband BdV sind eine Menschenrechtsorganisation, die sich auch als eine europäische Friedensbewegung begreift. Die Kreisgemeinschaften sind Brückenbauer zu den Nachbarn im Osten und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum zusammenwachsenden Europa.

Zum Ostpreußischen Landesmuseum: Mit dem Dienstantritt des Direktors Dr. Mähnert im Ostpreußischen Landesmuseum (OL) am 1. April 2009 ist Sachlichkeit und fundierte Museumsarbeit in das Haus in Lüneburg zurückgekehrt. Die Erweiterung des Hauses, um eine baltische Abteilung, aber auch zur Vergrößerung der Ausstellungsfläche für ostpreußisches Kulturgut, ist beschlossen. Die Finanzierung ist noch nicht ausreichend gesichert. Mit den bewilligten Mitteln ist das Projekt noch unterfinanziert. Der Stiftungsrat geht davon aus, dass die Bauphase in 2011 beginnen wird.

Zwei Ausstellungsprojekte des Hauses im Jahr 2010 will ich ansprechen, da sie eine besondere Nähe zur LO haben. Am 16. Juli wurde die Ausstellung über die Königin Luise eröffnet, deren 200. Todestag sich in diesem Jahr jährt. Die Ausstellung war mit hochwertigen Exponaten bestückt. Der Bund hat für diese Ausstellung 26000 Euro bereitgestellt; Niedersachsen hat ebenfalls mitfinanziert und eine kleine Restfinanzierung kam von der LO. Der Ausstellung war ein großartiger Erfolg beschieden.

Die denkmalgeschützte Kronendiele mit anliegenden Gebäuden in der Heilig-Geist-Straße in Lüneburg unmittelbar neben dem OL wurde – wie Sie wissen – vom Museums-Trägerverein „Ostpreußisches Jagd- und Landesmuseum“ gekauft. Die Bewältigung der finanziellen Ankauflast bleibt weiterhin für den Verein ein ‚Ritt über den Bodensee‘.Der Bundesvorstand hat in der Vergangenheit bereits zwei Mal mit einer Zuwendung seitens der LO an den Trägerverein „Ostpreußisches Jagd- und Landesmuseum“ beim Abtrag der Schulden mitgeholfen. Für Februar 2011 haben wir erneut die Mithilfe der LO bei der fälligen Frühjahrstilgung in Höhe von 25000 Euro zugesagt.

Liebe Landsleute, es kann der LO und Ihnen als Angehörige der OLV nicht gleichgültig sein, was sich in Lüneburg beim Ostpreußischen Landesmuseum tut und wie sich die Einrichtung weiterentwickelt. Aber es muss auch klar sein, die LO kann und darf nicht durch eine überzogene Alimentierung des Ostpreußischen Landesmuseums ihre finanzielle Unabhängigkeit verlieren. Wir wollen eindeutig festhalten, der angemessene Ausbau und die Unterhaltung des OL ist eine auf gesetzlicher Grundlage basierende Aufgabe des Staates.

Das Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss in Ellingen, heute ein Teil der OKS, ist von der Entstehungsgeschichte her ein Kind der LO. Zwischen 1986 und 1991 hat die LO für den Ausbau Ellingens 800.000 DM hergegeben. Für uns eine stattliche Summe, doch deutlich mehr gab das Patenland Bayern. Wolfgang Freyberg, der Leiter der Einrichtung, wurde von der LO unter Mitwirkung Hilgendorffs 1985 eingestellt. Er hat sich zu einem exzellenten Museumsleiter sowie zu einem Experten für Ostpreußische und Preußische Geschichte entwickelt. In diesem Jahr hat er eine eindrucksvolle Ausstellung über die Volksabstimmung in Ostpreußen vor 90 Jahren erstellt. Eine Kopie dieser Ausstellung mit polnischem Text wird zeitgleich im Museum in Marienwerder gezeigt. Dass dies Freyberg gelungen ist: Respekt!

In Lyck und Pr. Holland wurden durch Herrn Freyberg Ausstellungen zur Stadtgeschichte eingerichtet. Die dazu erforderlichen Exponate – es handelt sich um Kopien – verbleiben vor Ort. Nach wie vor besteht von Seiten des Freistaates die Absicht, Ellingen weiter auszubauen und dafür einen noch nicht für das Museum genutzten weiteren Flügel des Schlosses zu nutzen. Die Exponate der Ost- und Westpreußenstiftung sollen dazu nach Ellingen gebracht werden.

Über einen außergewöhnlichen Erfolg des Europäischen Vertriebenenverbandes (EUFV) kann ich berichten. Am 20. Juni hat die EUFV die Anerkennung der EU-Kommission als Interessenverband für die Vertriebenen in Europa erlangt. Dies ist bemerkenswert, gehört es doch zu den Zielen der EUFV, eine Regelung über die noch offenen Vermögensfragen zu erreichen. Vertriebenenverbände aus sieben Ländern der Europas gehören bisher der EUFV an. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ist mit ihrem Landesverband Baden-Württemberg dabei. Fortsetzung folgt.


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