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27.11.10 / Deutschland wird ausgeblutet / Euro-Hilfspakete schüren den Kapitalabfluss – Forderungen an Berlin »immer schärfer und dreister«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-10 vom 27. November 2010

Deutschland wird ausgeblutet
Euro-Hilfspakete schüren den Kapitalabfluss – Forderungen an Berlin »immer schärfer und dreister«

Abermals müssen die deutschen Steuerzahler mit Milliardenbeträgen für riskante Manöver der Finanzindustrie geradestehen. Die Kritik der Experten wird lauter.

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts hält mit seiner Wut nicht hinterm Berg. Der Ton, in dem  die schwächeren Euro-Länder Forderungen an Deutschland richteten, würde „immer schärfer und dreister“, so Hans-Werner Sinn zur „Wirtschaftswoche“. Damit spielt er auch auf die Kritik an der deutschen Kanzlerin an. Sie war unter Feuer genommen worden, weil sie irgendwann ab 2013   auch die Gläubiger, die an den hohen Zinsen prächtig verdient haben, am Ausfallrisiko notleidender Staatsanleihen beteiligen wollte, statt immer nur den (vor allem deutschen) Steuerzahler zur Kasse zu bitten. Damit gefährde Merkel die „Stabilität der Märkte“. Das Gegenteil sei richtig, so Sinn: Mit der aus Steuermitteln garantierten „Vollkaskoversicherung“ gegen Zahlungsunfähigkeit werde ein Kursfeuerwerk erzeugt, das den Markt weiter überhitze und destabilisiere.

Mit der „Rettung“ Irlands haben die europäischen Finanzminister sowie die EU- und Euro-Institutionen erneut vor allem die großen Banken vor Verlusten bewahrt. Nach Angaben der Bundesbank sitzen allein deutsche Banken auf Forderungen gegen Irland in Höhe von fast 115 Milliarden Euro.

Auch andere europäische, vor allem britische Banken haben gewaltige Summen an irische Kunden verliehen. Die grüne Insel galt wegen besonders lascher Regeln auf dem Finanzmarkt und geringer Steuern als ein Hauptspieltisch des Finanzkasinos. Vieles, was anderswo verboten war, war in Irland erlaubt, die Gewinne waren märchenhaft.

Wie üblich bei astronomischen Gewinnchancen waren auch die Ausfallrisiken weit höher als bei konservativen, renditearmen Kreditgeschäften. Das störte lange niemanden. Nun aber, da die Gefahren tatsächlich eintreten, sollen die Steuerzahler einstehen.

Die Schätzungen für den Hilfsbedarf der Insel gehen bis zu 100 Milliarden Euro und sogar darüber hinaus, denn genaue Zahlen über das tatsächliche Ausmaß der ausfallbedrohten „Werte“, welche irische Banken in ihren Depots haben, sind nicht bekannt. Auf dem ersten Höhepunkt der Finanzkrise vor zwei Jahren aber hatte Dublin eine unbeschränkte Garantie für seine Banken abgegeben. Daher wird die Neuverschuldung des irischen Staates allein in diesem Jahr rund 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, knapp zehnmal so viel wie die Deutschlands und mehr als zehnmal so viel, wie der Maastrichter Vertrag erlaubt.

Ab 2013 soll, so oder so, ein dauerhafter „Krisenbewältigungs-Mechanismus“ die derzeitigen Systeme wie Griechenlandhilfe oder „Euro-Rettungsschirm“ (unter den nun Irland als erster Staat gekrochen ist) ersetzen. Kritiker sehen darin die befürchtete „Transferunion“, die laut den Euro-Befürwortern nie hätte kommen können. Das hieße, dass insbesondere die Deutschen dauerhaft geradestehen müssten für die Finanzprobleme ihrer europäischen Partner, damit, so die Kritiker, wäre jeglicher Anreiz zu sorgsamer Haushaltführung verloren, im Gegenteil: Die Sparsamen würden bestraft, die Verschwender belohnt.

Hans-Werner Sinn sieht Deutschland schon heute unter einem finanziellen Blutverlust leiden, der bereits in die Frühzeit des Euro-Systems Ende der 90er Jahre zurückreiche. Weil es hinsichtlich der Anlagesicherheit keinen Unterschied mehr macht, ob man sein Geld im stabilen, aber niedrigverzinsten deutschen Kapitalmarkt anlegt oder in hochverzinsten Nachbarmärkten, fließt das Geld ab. Darin sieht Sinn unter anderem den Grund dafür, dass Deutschland unter den 30 führenden Industrieländern der Welt in den vergangenen 15 Jahren die niedrigste Nettoinvestitionsquote aufgewiesen habe und das zweitniedrigste Wachstum in Europa. Das habe zu einer Abwertung der deutschen Löhne um real 18 Prozent geführt. Werde keine Lösung gefunden, in welcher abfließendes Kapital auch die höheren Risiken im Ausland trage, statt es auf die ohnehin leidtragenden deutschen Steuerzahler abzuwälzen, dann werde die finanzielle „Ausblutung“ Deutschlands weitergehen, so Sinn.

EU-Kommissar Günther Oettinger sieht noch eine weitere Gefahr in der „Vollkaskoversicherung“ für hochverzinste Anleihen: Der CDU-Politiker erinnerte daran, dass Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao neulich auf „Einkaufstour“ durch Europa gewesen sei. China kaufe in großem Stil Staatsanleihen maroder Euro-Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal, kassiere dafür sieben Prozent, und das Risiko trügen vor allem die deutschen Steuerzahler. Wenn aber gerade China europäische Anleihen kaufe, dann stehe dahinter nicht die Caritas, warnt der EU-Energie-Kommissar vor dem wachsenden Einfluss Pekings: „China übernimmt die EU, und wir verkaufen unsere Seele“, so Oettinger.

Für besonderen Ärger sorgte auch das Beharren der Iren auf ihrer rekordverdächtig niedrigen Körperschaftssteuer von 12,5 Prozent. Damit werden gezielt Firmen aus anderen europäischen Ländern angelockt, oder gar „geraubt“, wie es in Paris formuliert wurde. Die Hälfte der deutschen Firmen, die in Irland investiert haben, gab an, dass die niedrige Steuer ein Grund für ihre Ansiedlung war. So sollen nach Dublins Willen also deutsche Arbeitnehmer hohe Steuern zahlen, um jene Niedrigsteuerpolitik zu finanzieren, mit welcher Irland deutsche Firmen zur Standortverlagerung überreden will. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt auf der Insel übrigens rund 20 Prozent über dem deutschen.

Mit neuen Argumenten versorgt sieht sich die Gruppe um den Berliner Rechtswissenschaftler und Wirtschaftsprofessor Markus Ferber, die schon gegen die Griechenlandhilfe Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte. Die Umformung der Währungs- in eine Transferunion verstoße gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, so Ferber. Die Auszahlung von Geldern an Irland soll nun per einstweiliger Anordnung gestoppt werden. Hans Heckel


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