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27.11.10 / Verfassungsgericht prüft Elterngeld / Kinderreiche Familien haben Beschwerde in Karlsruhe eingelegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-10 vom 27. November 2010

Verfassungsgericht prüft Elterngeld
Kinderreiche Familien haben Beschwerde in Karlsruhe eingelegt

Der fünf Monate alte Fabian ist nicht nur ein „Wonneproppen“, sondern beschert seiner Mutter Carolin (31) neben viel Glück auch einen beachtlichen „Ersatzlohn“: 1675 Euro monatlich erhält die angestellte Apothekerin, die vor der Geburt rund 2500 Euro netto mit ihrer Erwerbsarbeit verdiente. 1675 Euro für zwölf Monate ab Geburt des Sohnes. Macht summa summarum 20100 Euro Elterngeld.

Anders bei Waltraud Herrmann (44), aus Bayern. „Ich habe schon drei Kinder erzogen, ich war nicht faul, als unser viertes Kind 2007 zur Welt kam“, so die vierfache Mutter. Ihr „Lohnersatz“: 300 Euro für zwölf Monate. „Weil du Mutter bist, kriegst du weniger als eine erwerbstätige Frau, sagt der Staat. Mütter und Eltern werden so bestraft. Gleiche Leistung wird unterschiedlich bewertet und honoriert.“ Dem Staat sei „das Kind einer Bäckereiverkäuferin weniger wert als das einer Ärztin“, so Herrmann, die das Elterngeldgesetz der Großen Koalition als „schreiend ungerecht“ empfindet.

Waltraud Herrmann klagte vor den Sozialgerichten. Das Bundessozialgericht in Kassel wies ihre Klage zurück. Nun wollen die Herrmanns das Elterngeldgesetz beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu Fall bringen. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits eingereicht und wird derzeit vom Anwalt der Familie überprüft. Unterstützt werden sie von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp). Deren familienpolitischer Sprecher, Johannes Resch, hält das Elterngeldgesetz nicht nur für ungerecht, sondern auch für verfassungswidrig.

Bis Ende 2006 erhielten Eltern für die Erziehung eines Kindes 300 Euro Erziehungsgeld – abhängig vom zu versteuernden Einkommen (nicht zu verwechseln mit dem Bruttolohn), das in den ersten sechs Monaten nicht 30000 Euro/Jahr, in den folgenden 18 Monaten nicht 16500 Euro/Jahr übersteigen durfte. Die Große Koalition aus CDU und SPD krempelte das Erziehungsgeld komplett um. Seit 2007 heißt die staatliche Leistung nun Elterngeld. Nicht mehr ein geringes Einkommen beschert den Eltern jetzt den staatlichen Zuschuss, sondern – umgekehrt – ein hohes Einkommen bringt am meisten Elterngeld. 67 Prozent des zuletzt verdienten Nettolohnes erhält die Mutter für zwölf Monate als „Lohnersatzleistung“ und auch Väter können (und sollen nach Wunsch des Gesetzgebers auch) für zusätzliche zwei Monate diesen Lohnersatz erhalten. Obergrenze ist ein Nettoverdienst von rund 2700 Euro im Monat, der dann den Maximalbetrag von 1800 Euro Elterngeld im Monat bringt. Eltern mit hohem Einkommen können so bis zu 25200 Euro in 14 Monaten erhalten. Aktuell plant die CDU/FDP-Koalition im Rahmen ihres „Sparpaketes“, ab 2011 das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger und für „Superreiche“ (Ledige mit über 250000 Euro/Verheiratete mit über 500000 Euro Jahreseinkommen) ganz zu streichen. Außerdem soll die Lohnersatzquote von 67 auf 65 Prozent gesenkt werden.

Ex-Familienministerin Ursula von der Leyen wollte mit der Einführung des Elterngeldes ab 2007 mehr gut verdienende Frauen („Akademikerinnen“) zur Mutterschaft ermuntern. Sie sind die Gewinner dieses Systemwechsels von der Sozialleistung Erziehungsgeld hin zur Lohnersatzleistung Elterngeld. Auf der „Verliererseite“ stehen viele Normalverdiener-Familien und vor allem kinderreiche Familien, in denen die Mütter mehrere Kinder zu Hause betreuen.

Mahnungen, kinderreiche Familien beim Elterngeld besser zu stellen, hat der Gesetzgeber 2006 völlig ignoriert. Der Tübinger Verfassungsrechtler Christian Seiler: „Die besondere erwerbsbezogene Rationalität des Elterngeldes schließt mithin kinderreiche Familien typischerweise gerade wegen ihrer Entscheidung für Familie von dieser Maßnahme der „Familienförderung“ aus.“

Große Bedenken hatte der Verfassungsrechtler auch mit der Deklarierung des Elterngeldes als fiktive „Lohnersatzleistung“. Wie beim Krankengeld und beim Arbeitslosengeld sollte das vorausgegangene Einkommen als Bemessungsgrundlage dienen und somit unterschiedliche Zahlungen begründen. Doch für das Kranken- und Arbeitslosengeld, die „echten“ Lohnersatzleistungen, haben die Empfänger zuvor unterschiedliche Beiträge geleistet. Das Elterngeld dagegen ist voll steuerfinanziert. Siegfried Schmidtke


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