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04.12.10 / Abstieg einer Weltmacht / Datenleck blamiert die USA zutiefst – Der politische Schaden ist unübersehbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-10 vom 04. Dezember 2010

Abstieg einer Weltmacht
Datenleck blamiert die USA zutiefst – Der politische Schaden ist unübersehbar

Die Veröffentlichung von über 250000 internen und geheimen Dokumenten der US-Diplomatie im Internet ist ein beispielloser Vorgang. Er belegt den Verlust der Supermachtrolle der USA und beschleunigt diesen Abstieg zugleich.

Wenn große Unternehmen auf die Pleite zusteuern, dringen oft vor dem eigentlichen Knall unvorteilhafte Interna nach außen. Denn Insider haben nicht selten einen Nutzen davon, Geheimnisse zu versilbern, wenn ihre Position nur noch für kurze Zeit sicher ist. Wäre sie auf Dauer sicher, sähe die Rechnung für sie anders aus.

Ist diese Logik die Erklärung des Super-GAUs der US-Diplomatie von dieser Woche? Tatsache ist: Die wirtschaftliche und finanzielle Perspektive des Landes ist schon auf mittlere Sicht mehr als trübe, sie ist bedrohlich. Und an Gegnern fehlt es Washington angesichts einer oft ambitionierten und harten, im Einzelfall sogar völkerrechtswidrigen Außenpolitik auch nicht. Warum aber hat erstmals in diesem Umfang der diplomatische Geheimschutz versagt? Die in der Presse zu lesende Erklärung, bis zu 2,5 Millionen Personen hätten Zugang zu einem „geheimen“ Netz namens SIPdis („Secret Internet Protocol Router Network“), das die US-amerikanischen Ministerien und Botschaften verbindet, überzeugt nur zum Teil. Ein solcher Informationsverbund, eingerichtet unter dem Eindruck des 11. September 2001, existiert offenbar, doch mit Sicherheit haben nicht Millionen und auch nicht Tausende Menschen Zugang zu einem so umfangreichen Material wie dem nun veröffentlichten.

Eher wird man fündig, wenn man die Frage stellt, welche Länder nun von peinlichen Enthüllungen verschont geblieben sind. Über China findet sich vergleichsweise wenig (und jedenfalls wenig für Peking wirklich Problematisches) in den durchgesickerten Dokumenten.

Wo auch immer die Ursachen liegen: Der beispiellose Vorgang bestätigt nicht nur den Niedergang der USA als stärkste Macht auf Erden, er beschleunigt ihn auch. Was will das Land momentan international durchsetzen, wo die Hände der US-Botschafter in aller Herren Länder noch wund sind vom vielen Klinkenputzen? Dieser Effekt dürfte zwar von kurzer Dauer sein, aber langfristig fatal ist, dass nun viele Informationskanäle austrocknen werden. Wer nach diesem Vorgang noch Interna mit US-Diplomaten diskutiert, muss ein Narr sein. Es kann Jahre dauern, bis das verlorene Vertrauen soweit wiederhergestellt ist, dass die US-Diplomatie wieder normal arbeiten kann.

Hierbei geht es nicht nur darum, dass Washington künftig erst später erfahren dürfte, wie deutsche Koalitionsverhandlungen ablaufen. Gefährdet ist vielmehr das diplomatische Tagesgeschäft des Aushandelns von Kompromissen mit mehr als zwei Partnern, also auch die gesamte Konferenzdiplomatie. Denn man kann solche Verhandlungen nicht erfolgreich führen, ohne über interne Präferenzen und Einschätzungen Dritter informiert zu sein. Konrad Badenheuer


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