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11.12.10 / Zwischen Moskau und Berlin / Polens Geschichtspolitik misst mit zweierlei Maß – Unbehagen erkennbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Zwischen Moskau und Berlin
Polens Geschichtspolitik misst mit zweierlei Maß – Unbehagen erkennbar

Symbolträchtig am selben Tag empfing Polens Präsident Bronislaw Komorowski den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew in Warschau, während Ministerpräsident Donald Tusk in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über bevorstehende EU-Verhandlungen in Sachen Euro beriet.

Seit Jahrhunderten steht die polnische Außenpolitik im Spannungsfeld zwischen Deutschland (respektive Preußen) im Westen und Russland im Osten. Diese geopolitische Lage war für Warschau seit jeher Herausforderung und Chance zugleich. So war es gewiss kein Zufall, sondern symbolträchtiges diplomatisches Arrangement, dass am Montag dieser Woche die beiden führenden Vertreter des Landes nahezu zeitgleich mit Russland und Deutschland verhandelten.

Zwischen Moskau und Warschau ging es ausdrücklich um einen „Neuanfang“ der Beziehungen. Seit acht Jahren hatte kein russischer Präsident mehr Polen besucht, alte und neue Konflikte hatten sich angesammelt. Zu den neuen Streitpunkten gehört Polens überaus US-freundliche Politik der letzten Jahre: Warschau  war bereit, US-Abfangraketen auf seinem Staatsgebiet zu stationieren. Es nahm auch in den Konflikten um Georgien und bei der „orangenen“ Revolution in der Ukraine eine Position ein, die Moskau als unfreundlich empfand.

Hinzu kommen historische Lasten. Moskau bestreitet nicht mehr seine Verantwortung für die Massaker von Katyn 1940. Doch Polen drängt auf restlose Aufklärung und Öffnung der Archive und stellt spitze Fragen nach der Verantwortung Russlands für den Einmarsch im Osten Polens ab dem 17. Oktober 1939, bei dem viel polnisches Blut floss. Hier ist Moskau bislang weniger klar als in Sachen „Katyn“, was das geschichtsbewusste Polen zu Recht nicht hinnehmen will.

Allerdings zeigt sich genau hier der volle Kontrast des deutsch-polnischen zum deutsch-russischen Verhältnis. Während Moskau noch nicht in vollem Umfang zu seiner Verantwortung aus der Geschichte steht, verfällt Berlin ins andere Extrem. Zur (selten offen ausgesprochenen) Irritation Warschaus übernimmt der deutsche Staat die Verantwortung selbst für solche Untaten, die ihm allenfalls sehr indirekt zuzurechnen sind. Die von Außenminister Joseph Fischer (Grüne) eingeführte Sprachregelung, letzte Ursache der Vertreibung der Deutschen sei Hitlers Angriffskrieg, weswegen darüber nicht weiter zu sprechen sei, kommt vielen älteren Polen gut bekannt vor: So stand es schon in den Geschichtsbüchern der stalinistischen Zeit. Und jeder in Polen wusste, dass es nicht viel wahrer ist als die dort ebenfalls zu lesende deutsche Schuld an Katyn. 

Dass nun seit Johannes Rau und Gerhard Schröder auch deutsche Präsidenten und Kanzler so reden, ist für Polen bequem und wird gern genutzt. Geheuer ist es der politischen Klasse Polens, deren moralische Kategorien teilweise stabiler sind als die ihrer deutschen Gesprächspartner, allerdings nicht (siehe Leitartikel und Kommentar Seite 8). K.B.


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