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11.12.10 / Undogmatisch von links / Honecker-Neffe Feist sprach vor Burschenschaftlern über Stalin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Undogmatisch von links
Honecker-Neffe Feist sprach vor Burschenschaftlern über Stalin

Peter Feist ist ein mutiger Mann. Der homo politicus aus der ganz linken Ecke hielt bei der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg seinen Vortrag „Stalin als Feldherr – Verbrechen und Fehler“, den er bereits zu DDR-Zeiten unter den wachsamen Augen der Mächtigen und der Stasi gehalten hatte. Der Neffe von Erich Honecker gewährte Einblicke in die Ursachen, aus denen die Sowjetarmee 1941 beim Angriff der deutschen Wehrmacht zunächst so rasch zusammenbrach. Dazu ging Feist weit zurück, vor den Ausbruch des tragischen deutsch-sowjetischen Waffengangs am 22. Juni 1941.

„Im Jahr 1937 wurde der begabteste Heerführer der Roten Armee, Marschall Tuchatschewski, verhaftet, kurz darauf hingerichtet und im Nachhinein wegen angeblichen Verrats an der Sowjetunion zu Gunsten Deutschlands zum Tode verurteilt. Danach wurde in einer Säuberungswelle die große Mehrzahl der höheren und mittleren Kommandeurskader der Roten Armee ermordet. Vier Jahre vor dem Krieg stand die Rote Armee fast ohne akademisch gebildete und kriegserfahrene Kommandeure da. Auch das wichtigste militärische Erbe Tuchatschewskis, die großen operativen Panzerverbände, die er geschaffen hatte und deren überragende Rolle in einem zukünftigen Krieg er lange vor den führenden Militärs Westeuropas erkannt hatte, wurden abgeschafft. Der Panzer wurde von Stalins neuen militärischen Helden Kulik und Wo­roschilow wieder zur Infanteriebegleitwaffe zurückgestuft.“

Die eigentliche Ursache für die tiefe Abneigung zwischen Stalin und Tuchatschewski sieht Feist nochmals rund 15 Jahre früher im polnisch-sowjetischen Krieg und dem von Stalin mitverschuldeten „Wunder an der Weichsel“.

Feist widersprach der Erstschlagthese von Viktor Suworow und Werner Maser, räumte aber ein, Stalin habe zu einem späteren Zeitpunkt die Absicht gehabt, Deutschland zu überfallen. Nach Beginn der Kampfhandlungen griff Stalin selbst immer wieder persönlich ein. Die größte Ka­tastrophe der Roten Armee, die Kesselschlacht von Kiew, ging auf Stalins persönliche Intervention zurück. Er verbot den rechtzeitigen Rückzug (ähnlich wie Hitler in den letzten beiden Jahren des Krieges) und trug deshalb die Verantwortung für den Verlust von fünf sowjetischen Armeen mit über 600000 Gefangenen. So wurde fast der gesamte Südflügel der russischen Westfront vernichtet.

Feists Darstellungen decken sich größtenteils mit entsprechenden Berichten auf (west)deut­scher Seite, vor allem Paul Karl Schmidts (Paul Carells), aber sie sind eben nicht in Kenntnis des „Klugen, der vom Rathause kommt“ verfasst, sondern gewissermaßen von der anderen Seite betrachtend zur Zeit der DDR. Feist war Doktorand in Philosophie und Geschichte an der Humboldt-Universität und einer der geistigen Schüler des Dissidenten Wolfgang Harig.

Zum 8. Mai bemerkte er: „Und wie jedes Jahr wird sich in diese berechtigte Feier ein Missklang einschleichen, den wir den ,Alt-Gläubigen‘ zu verdanken haben: Sie werden Stalin als den Sieger über den Faschismus feiern. So widerlich, weil inhuman, mich diese ständige Arie deucht, so muss man ihr doch sachlich immer wieder schärfstens entgegentreten.“ Das waren vor 1989 in Mitteldeutschland sehr mutige Worte. Der Referent zog viele Besucher in den Kneipsaal der Burschenschaft, und nachdem alle Fragen im „offiziellen Teil“ beantwortet worden waren, sah man die älteren Alten Herren bis zu mitternächtlicher Stunde in angeregte Diskussionen mit dem Referenten vertieft. Hans Lody


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