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11.12.10 / Rauchzeichen und Duftmarken / Als Haremsdamen für Orienttabake warben – Ausstellung dokumentiert, wie die Zigarette zur Marke wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Rauchzeichen und Duftmarken
Als Haremsdamen für Orienttabake warben – Ausstellung dokumentiert, wie die Zigarette zur Marke wurde

Der Tabakindustrie stehen harte Zeiten bevor. Die fast regelmäßigen Steuererhöhungen hat sie vergleichsweise gut weggesteckt, nun aber droht neues Ungemach aus Brüssel. Dort wird eine europäische Tabakproduktrichtlinie vorbereitet.

Ab 2012 will der EU-Gesundheitskommissar John Dalli Zigaretten und Tabake aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen, dann nämlich sollen sie nicht mehr sichtbar ausliegen, sondern hinter Rollläden, in Schränken oder Schubladen. Zudem sollen die Packungen in einem schlichten Weiß gehalten erstrahlen, allein der Markenname – allerdings in gleicher Schrift – darf dann auf der Packung zu lesen sein. Die jedoch soll auf beiden Seiten mit großflächigen Fotos bedruckt sein. Diese zeigen zur Abschreckung Organe, die durch das Rauchen geschädigt wurden.

Die Zigarettenindustrie läuft gegen diese Pläne Sturm, ob sie allerdings etwas erreichen kann, bleibt fraglich. Der Hamburger Hersteller Reemtsma sieht durch die neuen Vorschriften seine Markenrechte verletzt. Wie wichtig Markenname und Werbung sind, kann man auf einer Ausstellung im Hamburger Museum der Arbeit erahnen. Dort werden Packungen, Plakate, Werbeaufsteller, historische Fotografien sowie Maschinen zur Herstellung von Zigaretten gezeigt und ein Blick auf die 100-jährige Geschichte des Unternehmens Reemtsma sowie auf ein wichtiges Kapitel der deutschen Marken- und Werbegeschichte geworfen.

Bei kaum einem Thema scheiden sich die Geister so sehr wie beim Rauchen. Von 1991 bis 2009 sank in Deutschland der Pro-Kopf-Verbrauch bei Zigaretten von 1831 auf 1055 Stück, bei Feinschnitt (loser Tabak) stieg er im selben Zeitraum von 190 Gramm auf 297 Gramm. Seitdem die Nikotinliebhaber auf die Straße verbannt und anderweitig ausgegrenzt wurden, stehen sie auch gleichermaßen in einem Ghetto. So soll die Hamburger Ausstellung auch nicht als geschickte Werbemaßnahme verstanden werden. „Wir wollen natürlich keine Raucherausstellung machen“, so Kurator Stefan Rahner, „sondern das Thema Reemtsma vor allem dafür nutzen, ein Panorama deutscher Werbegeschichte zu zeichnen.“

Auf etwa 700 Quadratmetern sind mehr als 500 Bilder und Objekte zu sehen, fast zu viel für einen ungeschulten Museumsbesucher. Wenn man sich allerdings einige persönliche Highlights aussucht, dann findet man bald Gefallen an der Präsentation. Der Rezensentin gefielen vor allem die Plakate und Packungen, fühlte sie sich doch an die eigene Vergangenheit erinnert. Als angehende Werbefachfrau erlebte sie damals hautnah, wie viel Arbeit dahinter steckt, bis eine solche Packung oder ein Plakat mit einem treffenden Slogan fertiggestellt wurde. Hier ein Strich mehr, dort ein Punkt – in Rot vielleicht? –, alles wurde eingehend diskutiert und dann dem Kunden präsentiert. Oft genug hieß es dann, noch einmal alles von vorn. Der richtige Werbespruch und auch das Motiv auf Plakaten und in Anzeigen

mussten einprägsam sein. „Der Duft der großen weiten Welt“ wurde geradezu zu einem geflügelten Wort. Bei der warnenden Frage „Wer wird denn gleich in die Luft gehen“ sieht man vor dem geistigen Auge bis heute das kleine aufgeregte Zeichentrickmännchen, das unbedingt eine Zigarette zur Beruhigung brauchte.

Das Versprechen, mit einem Glimmstängel zur nötigen Gemütsruhe zu gelangen, ist fast so alt wie die Werbung selbst. Es gab aber auch Zeiten, da hielt man das Nikotin für besonders belebend. Davon kündet ein seltsames Instrument, das in der Ausstellung zu bestaunen ist. Ein wenig mutet es wie eine besondere Pfeife an, und das ist es auch, wenngleich in „umgekehrter“ Richtung. Das Tabakrauchklistier stammt aus dem Jahr 1850 und sollte Ertrunkene und Scheintote ins Leben zurückrufen.

Ästhetisch und wunderschön waren die Packungen der Orienttabake, auf denen Beduinen oder Haremsdamen zu sehen waren. Ob man heute allerdings noch eine Packung verkaufen würde, auf der ein Araber im Burnus und mit der Rechten den Lauf seiner Flinte haltend zu sehen ist, dürfte fraglich sein.    Silke Osman

Die Ausstellung im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, Hamburg, ist bis zum 20. März 2011 dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, sonntags bis 18 Uhr, montags von 13 bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 6 / 4 Euro, der Katalog aus dem Junius Verlag kostet 24,90 Euro.


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