25.04.2024

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11.12.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Geplante Kapitulation / Warum Beust auf Sylt bleiben sollte, was von der eisernen Angela zu halten ist, und wieso unsere Souveränität dringend weg muss
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Viele, die auch schon im Winter dort waren, loben die majestätischen Wolkengebirge über dem Horizont. Schwärmen von der kargen Schönheit der Dünen, auf denen sich das schroffe Gras im Nordseesturm wiegt.

Anderen ist auf Sylt einfach nur langweilig in der kalten Jahreszeit. Baden abgesagt, kein „Sehen und gesehen werden“ im Gartencafé und viel zu früh dunkel. Ole von Beust mopst sich furchtbar. Das konnte er nicht vorhersehen, es ist sein erster Altenteilswinter. Doch Beusts Lieblingsinsel scheint den erst diesen Sommer abgetretenen Hamburger Bürgermeister ganz und gar nicht auszufüllen.

Da trifft es sich gut, dass zu Hause gerade alles in die Grütze geht. Nach dem Bruch von Schwarz-Grün rutscht seine CDU auf bis zu 22 Prozent bei den Umfragen, am 20. Februar sind Neuwahlen. Es sieht alles ganz scheußlich aus. Da wirft sich Ole von Beust, jahrelang der unangefochtene Super-Ole von der Alster, erneut in die Schlacht. Er will seinem sandigen Küsten-Kyffhäuser entsteigen und die Partei in höchster Not aus selbiger retten! Als Wahlkämpfer.

Daheim hält sich die Entzückung darüber in Grenzen. Das Angebot erinnert dort an den Piloten, der sich, nach Ausfall aller Maschinen längst abgesprungen, aus dem sicheren Schlauchboot an die abstürzenden Passagiere wendet: Haben Sie keine Furcht, ich bin im Geiste ganz bei Ihnen!

Wer hatte sie denn in dieses schwarz-grüne Unwetter hineingeflogen? Nun sitzt Hilfspilot Christoph Ahlhaus allein in der Kanzel und fingert hastig an den Knöpfen herum.

Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel interessiert das alles schon nicht mehr. Sie hatte vor Monaten die Lust am schwarz-grünen Kurs verloren und den Radarschirm einfach abgeschaltet. Ihre Hamburger Pfadfinder in Sachen „neue Mehrheiten“ werden ziemlich einsam zerschellen.

Merkel will nicht mehr „weiche Mitte“ machen, sondern richtig harte Sachen sagen. Das kommt zurzeit besser an. Wir müssen aber nicht bange werden: Hart reden heißt ja nicht unbedingt auch hart handeln. Im Zeichen der allgemeinen Verunsicherung kommt der Glanz der eisernen Rüstung, den Merkel in den Euro-Krisen auszustrahlen sucht, bei den Deutschen aber prächtig an. Dass die anderen Europäer sie als gnadenlose Teutonen-Walküre beschimpfen, passt ihr da gar nicht schlecht. Die deutsche Kanzlerin warte – wie die germanischen Schildmaiden – immer erst ab, bis ein Euroland tot auf dem finanziellen Schlachtfeld liege, bevor sie ihre Hand reiche, fauchen sie.

In Wahrheit ist das ein ungerechtes Urteil: Merkels Herz ist aus Gold, moderner gesprochen: aus Geld, dem Geld der deutschen Steuerzahler. Und sie wird dieses Herz  rechtzeitig über unseren europäischen Freunden ausschütten.

Noch kann sie das nicht offen sagen. Mit ihrem schneidigen Walküren-Glanz wäre es schnell aus, wenn die Deutschen zu früh mitbekämen, in welchen Sumpf sie gerade gesteuert werden. Finanzminister Schäuble hat seine (und Merkels) Not der Londoner „Financial Times“ anvertraut: Er brauche noch einige Monate, um den Bundestag davon zu überzeugen, dass er Budgetrechte an die EU abtreten müsse. Dann jedoch, so die Botschaft, wird das gehen. Das mit der „nationalen Souveränität“ hält der Minister jedenfalls für eine Marotte von gestern. Die europäischen Partner müssten dabei aber mitziehen, so Schäuble zu den Briten.

Also mal der Reihe nach: Der deutsche Finanzminister bittet das europäische Ausland, die deutsche Politik dabei zu unterstützen, den deutschen Volksvertretern die Hoheit über deutsche Steuer­einnahmen zu entwinden. Sein einziges Problem: Die Abgeordneten würden das vielleicht mit sich machen lassen, aber was sagt das Volk, um dessen Geld es geht? Seine ganze Hoffnung ruht auf zwei Säulen: Dem Gedächtnisschwund der Deutschen und ihrer Unfähigkeit, das Allerwahrscheinlichste vorherzusehen. Im Gedächtnis lauert die Erinnerung, wie überaus „souverän“ die Deutschen auf den Lasten ihrer Vereinigung sitzen gelassen wurden von ihren Freunden und Partnern. Argwöhnisch achteten sie damals darauf, dass kein Pfennig und kein Cent weniger in ihre Zuschusstöpfe floss, nur weil die Deutschen da jetzt ein „Sonderproblem“ haben. So blieb Deutschland trotz allem selbst in den 90ern Hauptnettozahler.

Das änderte sich auch nicht, als dieses Land in eine fast zehnjährige Stagnation nach der Euro-Einführung fiel, während am Mittelmeer die Party stieg. Um zwischen Einheitslasten, EU-Nettozahlungen und Strukturwandel zu überleben, schnurrten die Deutschen ihre Löhne und Sozialhilfen zusammen, vernachlässigten Straßen, Schulen und was noch alles und lebten nur mehr für den Export.

In den sauren 20 Jahren wollte den Deutschen keiner an ihre „Souveränität“. Sollen die doch sehen, wie sie zu Potte kommen – uns geht’s doch gut. So schallte es von Hellas bis Irland.

Ja, das war gestern. Aber das haben die Deutschen bestimmt schon alles vergessen, gute Europäer, wie wir sind. Daher wird es uns gar nicht wundern, wenn nun auf einmal, von Hellas bis Irland, von einer gemeinsamen europäischen Haushaltskasse geträumt wird, in die jeder nach seinem Vermögen sein Scherflein einwirft. Und sich jeder nach seinen Bedürfnissen bedienen kann.

Halt, halt! Das hört sich aber verdammt nach europafeindlichem Populismus an! Hier werden die Deutschen nach altbekannter Manier gegen die EU aufgehetzt. Das schadet dem europäischen Gedanken, unserer gemeinsamen Währung und der griechischen Frühverrentung mit 50 (Apropos: Über eine Beschneidung der „Souveränität“ beim Renteneintrittsalter redet niemand. Es geht ja auch nicht über eine gerechte Verteilung der Lasten, sondern der Früchte!)

Bevor wir jedoch zur gemeinsamen Kasse kommen, sollen Übergangslösungen den Weg zum deutschen Geld ebnen. Die Euro-Länder könnten alle gemeinsam die Schulden garantieren, ist so eine Idee. Dann wären alle gleich kreditwürdig. Mit einem ähnlichen Garantie-für-alle-Manöver hat Irland vor zwei Jahren erfolgreich seine Banken gerettet – und sich selbst ebenso erfolgreich in den Hades befördert. Ja, ich weiß: Schönes Vorbild, werden Sie sagen. Aber das Desaster ist dort immerhin erst zwei Jahre später offensichtlich geworden, und wir reden hier doch von „Sofortlösungen“. Wen interessiert Deutschlands Lage in zwei Jahren?

Nicht verzeihen wollen uns die Freunde und Nachbarn Merkels Ausrutscher, dass irgendwann auch die Gläubigerbanken der Staaten an den Risiken beteiligt werden sollen, statt alles bei den Steuerzahlern abzuladen. Solches Gerede mache die Märkte nervös, haut man den Deutschen um die Ohren.

Aha, die „Märkte“. Manchmal würgt in einem die giftige Frage empor, zu wessen Nutz und Frommen wir den Euro eigentlich retten sollen. Zu unserem eigenen, sagt man uns. Na ja, je mehr die Deutschen zahlen, helfen und garantieren, desto heftiger schlägt uns blanker Hass aus dem europäischen Ausland entgegen. Der Leiter des Madrider Büros des „European Council on Foreign Relations“, José Ignazio Torreblanca, schimpft: Deutsche Rücksichtslosigkeit, nicht spanischer Immobilienwahn und Schuldenmacherei, sei an der Krise schuld. Die Probleme Spaniens hätten „nicht zu Hause begonnen, sondern in Deutschland“.

Das wird Schäuble den deutschen Abgeordneten auch noch beibringen müssen, damit sie unser Geld in die Hände der Torreblancas dieser Welt geben. Das dauert aber noch ein paar Monate, wie er ja schon den Briten gesteckt hat. Bis dahin muss Merkel weiter wie eine Löwin dagegen ankämpfen, um nach ihrer geplanten Kapitulation sagen zu können: „Wir haben uns unter maximaler Wahrung deutscher Interessen der europäischen Verantwortung gestellt.“ Salud!


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