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18.12.10 / Permanent tagendes Weltgericht / Die Motive von Wikileaks – »Neue Zürcher« warnt vor »Transparenz-Terrorismus«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Permanent tagendes Weltgericht
Die Motive von Wikileaks – »Neue Zürcher« warnt vor »Transparenz-Terrorismus«

Das Rad der Enthüllungen dreht sich weiter. „Wiki­leaks“ schöpft aus Datenlecks von Politik und Wirtschaft. Immer neue Details dringen an die Öffentlichkeit. Firmen oder Banken, die Konten für Wikileaks sperrten, erleben Hacker-Angriffe. Ein kleiner Cyber-Krieg scheint sich im Internet abzuspielen.

Unterdessen saß der Gründer der Enthüllungsplattform, der Australier Julian Assange (39), wegen angeblicher sexueller Vergehen in britischer Untersuchungshaft. Betrieben wird das Internet-Datenleck von etwa fünf festen Mitarbeitern, über die bis vor kurzem wenig bekannt war. Hunderte von freiwilligen Helfern arbeiten als „Aktivisten“ für die Plattform. Über das Internet werden dabei Wikileaks anonym geheime Daten zugespielt. Nach einer Prüfung der Dokumente werden diese dann auf verschiedene „Server“ im Internet weltweit gelegt, wo sie für jeden Nutzer zugänglich sind.

Natürlich gibt es für die Veröffentlichungen von Wikileaks keine rechtlichen Grundlagen, da keine Autorisierungen vorliegen. Zwar werden einzelne Personennamen unkenntlich gemacht, aber meist ist die Identifizierung der genannten Personen kein Problem. Für die Opfer des Online-Verrats ist es schwierig, gegen die Veröffentlichungen vorzugehen, da die Server in Ländern wie zum Beispiel Schweden stehen, wo journalistische Quellen besonders gut geschützt sind.

Dabei handelt es sich bei Wikileaks keinesfalls um eine irgendwie seriöse journalistische Arbeit. Die massenhafte Veröffentlichung von Dokumenten aus diplomatischen Depeschen oder US-amerikanischen Kriegsberichten hinterlässt politische Kollateralschäden von erheblichem Ausmaß.

Anders als beim investigativen Journalismus, der gezielt bestimmte Personen oder Zusammenhänge ausforscht und veröffentlicht, handelt es sich bei Wikileaks vergleichsweise um ein Flächenbombardement. Hier gelangen nicht nur die angeblichen Party-Gespräche von Politikern an die Weltöffentlichkeit, sondern auch Namen und GPS-Daten von Afghanen, die mit Amerikanern kooperiert haben. Ein Stammesältester wurde bereits daraufhin von den Taliban entführt und ermordet.

Positive Resonanz erleben die Wikileaks-Aktivisten, wenn ihnen eine Enttarnung wie jüngst beim FDP-Maulwurf Helmut Metzner gelingt. Der Büroleiter von FDP-Chef Westerwelle lieferte offenbar seit 2007 geheime Daten an die Amerikaner. Metzner, der auch führendes Mitglied im Lesben- und Schwulenverband ist, muss­te jetzt seinen Hut nehmen. Kurz vor seiner Entlassung hat sein früherer Chef, der heutige Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, noch behauptet, Metzner habe doch nur „ein ganz normales politisches Geschäft“ betrieben. Auch die FDP-Justizministerin Sabine Leuthäuser-Schnarrenberger hatte sich noch vor Metzner gestellt, nachdem dessen Verrat bekannt geworden war.

Viele Nachrichten, die Wiki­leaks enthüllt, sind zudem nicht neu. Dass Kenia ein hochkorruptes Land ist, kann man bei „Transparency International“ (TI) besser und detaillierter nachlesen. Diese Organisation, die seit Jahren die Korruptionspraktiken nahezu aller Länder der Welt untersucht, liefert stichhaltige und nicht nur zufällige Ergebnisse. TI folgt zudem erkennbaren ethischen Richtlinien, während sich die Wikileaks-Aktivisten offenbar als „neuartige Guerilla“ fühlen. Die Enthüllungs-Plattform arbeitet im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“ an der Destabilisierung wirtschaftlicher und politischer Systeme.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ betitelte die Methoden von Wiki­leaks mit dem Wort „Transparenz-Terrorismus“. Schon die Wegbereiter der Französischen Revolution von 1789 forderten „absolute Öffentlichkeit“, auch den unrechtmäßigen Zugang zu politischen, militärischen und finanziellen Daten. Das lieferte später den Anklägern den Vorwand zu einem massenhaften Mord mittels der Guillotine. Der Verdachtsterror der Französischen Revolution sei das „exakte Abbild“ des heutigen Terrors der Transparenz. Was aber wird geschehen, wenn einmal die Denunzianten der Denunzianten am „Cyberpranger“ stehen? Das Internet präsentiere sich bei Wikileaks als permanent tagendes Weltgericht. H. E. Bues


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