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18.12.10 / Künast stolpert über sich selbst / Berlins grüne Spitzenkandidatin positioniert sich als altgrüne Verhinderungs-Politikerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Künast stolpert über sich selbst
Berlins grüne Spitzenkandidatin positioniert sich als altgrüne Verhinderungs-Politikerin

BBI als Provinzflughafen, Tempo 30 in ganz Berlin, Gymnasien abschaffen: Renate Künast droht den Traum der Grünen, im September 2011 stärkste Partei in der Hauptstadt zu werden, eigenhändig zu zerstören.

„Frau Künast hat keine Ahnung, wovon sie spricht“ lästert Jutta Matuscheck von der Linkspartei. Seit Tagen steht die grüne Spitzenfrau Renate Künast im Kreuzfeuer der Kritik. Die Wende in der Wahrnehmung der zuvor hochgelobten Frontfrau hatte Künast selbst ausgelöst. Sie hatte vier inhaltliche Positionen benannt. Zuletzt stellte Künast gar den fast fertigen Flughafen Berlin-Schönefeld (BBI) als internationales Drehkreuz infrage: Es reiche, wenn BBI bloß innereuropäische, aber keine transkontinentalen Verbindungen anböte, so Künast. Damit solle der Fluglärm begrenzt werden. Damit fiele der Großflughafen sogar hinter den eher kleinen Konkurrenten Hamburg zurück, ja, würde zum „Parkplatz für die Drehkreuze Frankfurt und München“, wie Kritiker spotten.

Da wittert selbst die moribunde FDP wieder Morgenluft. „Eine derartige Grundsatzdiskussion zum BBI erneut zu beginnen ist fatal, denn ein kleiner Regionalflughafen als Single-Airport würde dem Wirtschaftsstandort Berlin langfristig massiv schaden“, erklärte FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke, dessen Partei in den Umfragen stabil nur noch drei Prozent vorhergesagt werden. Berlins CDU-Chef Frank Henkel ließ sich das Propagandageschenk ebenfalls nicht entgehen: Die von Künast geforderte Grundsatzdiskussion über BBI sei „brandgefährlich“: „Wenn Frau Künast BBI zu einem europäischen Regionalflughafen degradieren will, dann stellt sie das Projekt insgesamt infrage. Ihr Vorstoß zeugt von viel Opportunismus, aber wenig Verantwortungsbewusstsein.“ Senatssprecher Richard Meng geißelte Künasts Ansichten als „merkwürdige Thesen“: „Bisher waren wir uns in Berlin einig, dass der Flughafen ein Erfolg werden muss – dazu gehört auch, dass die weltweite Anbindung Berlins besser werden muss.“ Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) labte sich am grünen Elend: „Sowas von irre“ nannte er Künasts Vorstoß. Entweder habe die Grüne keine Ahnung von der Materie oder sie nehme bewusst in Kauf, dass sich die Stadt wirtschaftlich nicht entwickeln könne.

Künast wollte wohl im Windschatten von Stuttgart 21 eine Debatte über Sinn und Unsinn des Flughafens Schönefeld/BBI entfachen. Dem RBB Info Radio erklärte sie: „Als Erstes muss man jetzt auch öffentlich die Debatte über die Frage führen: Was für ein Flughafen soll es eigentlich sein? Einer, der uns mit Europa verbindet oder mit der ganzen Welt?“ und setze noch einen drauf. Auf die Frage, ob sie die gesamte Flughafenplanung infrage stelle, antwortete die Grünen-Politikerin: „Ja, natürlich.“ Ihr Auftritt vor ganzen 3000 Demonstranten im Berliner Außenbezirk Lichtenrade wirkte wie ein Befreiungsschlag – für ihre Gegner, die bislang auf die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion gestarrt hatten wie das Kaninchen auf die Schlange.

Die Linkspartei, deren Ansehen in Sachen Wirtschaftskompetenz nach 45 Jahren DDR-Wirtschaft nicht eben glänzend ist, nutzte die Gelegenheit besonders gern, um sich zu profilieren. Der Wirtschaftssenator von Rot-Rot, Harald Wolf, schimpft über Künasts „fahrlässige Äußerungen“, die Investitionen und Arbeitsplätze aufs Spiel setze und dem Wirtschaftsstandort einen „Bärendienst“ erweise. Damit zeige sich die „wirtschaftspolitische Inkompetenz“ der Grünen. Der Wirtschaftsstandort braucht laut Wolf im Wettbewerb mit anderen Regionen eine gute Luftverkehrsinfrastruktur und interkontinentale Verbindungen. „Wer die aktuelle Flugrouten-Diskussion nutzt, um Sinn und Zweck von BBI infrage zu stellen, treibt ein verantwortungsloses Spiel mit den Sorgen der Menschen.“

Noch vor Wochen sah es völlig anders aus. Der stadtweite Überdruss an Klaus Wowereit war an jeder Straßenecke spürbar. Da entdeckten viele Berliner die Grünen als Alternative. Sie hatten in der Stadt bisher kaum Regierungsverantwortung getragen. Waren unverbraucht und profitierten vom Zustrom besserverdienender Zuwanderer aus den südlichen Bundesländern, die ihren Ökobauern vor der Stadt in ihr Herz geschlossen hatten. So muss­ten Künasts zahn- und kraftlose Gegner schon darauf warten, dass die Grüne über ihre eigenen Beine stolpert.

Diesen Gefallen hat ihnen die grüne Spitzenkandidatin nun tatsächlich getan: Sie forderte Tempo 30 auf fast allen Berliner Straßen und schlug die Abschaffung der Gymnasien vor. Dann kam die Idee mit dem Flughafen. Renate Künast hat damit alle alten Vorurteile gegen grüne Politiker bestätigt: weltfremd und „Hauptsache dagegen“. Trotzig erklärte sie im Berliner „Tagesspiegel“ dennoch: „Wir nehmen Fahrt auf!“ Danach ergoss sich ein Schwall von Leserbriefen in das Internet-Portal der Zeitung: Die Briefe waren gezeichnet von Häme und kalter Ablehnung.

Unterstützung erhielt Renate Künast nur von Teilen der eigenen Partei. Landesvorsitzende Irma Franke-Dressler: „Schönefeld darf nicht das Ausmaß von Frankfurt am Main oder München erreichen.“ Und aus dem Europaparlament äußerte sich der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer im Stil klassisch-grüner Verhinderungspolitik: „Politische Aufgabe ist es, Privilegien abzubauen und den umweltfreundlichen Verkehr wie die Bahn billiger zu machen, damit erst gar nicht geflogen wird.“ Warum die Grünen – wenn sie so denken – Investitionen der Bahn in Stuttgart verhindern wollen, erklärte Cramer nicht. Theo Maass


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