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18.12.10 / Der Fall Scheungraber: Ein Justizskandal

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Gastbeitrag
Der Fall Scheungraber: Ein Justizskandal
von Klaus Goebel

Nun soll also ein schwerkranker, pflegebedürftiger 92-Jähriger, der kaum noch sehen und hören kann, ins Gefängnis gebracht werden, um für den Rest seiner Tage hinter Gittern dahinzuvegetieren – so wollen es die bayerische Staatsanwaltschaft und deren Weisungsgeber. Ein Sieg der „Gerechtigkeit“? Mitnichten. Der Sieg vielmehr einer politisch bestimmten Justiz, die vorgibt, stets Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu vertreten, es aber zuwege bringt, ein in Begründung und Ergebnis nur skandalös zu nennendes Urteil zu fällen.

Der ehemalige Leutnant und Führer einer Gebirgspionierkompanie der Wehrmacht Josef Scheungraber wurde 2006 mit seinem Bataillonskommandeur in einem rechtsstaatswidrigen Abwesenheitsverfahren des Militärtribunals La Spezia/Italien wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Beide Verurteilte sollten im Juni 1944 während des Rückzuges in einem Weiler der Toskana gemeinsam handelnd als Vergeltungsmaßnahme die Sprengung eines Hauses verabredet und befohlen haben, in dem elf bei einer Durchkämmung des umliegenden Partisanengebiets Festgenommene eingesperrt waren, wobei nur einer überlebte. Zwei Soldaten der Kompanie Scheungrabers waren in dem Weiler zuvor von Partisanen aus dem Hinterhalt ermordet worden, ein dritter entkam verwundet zu seiner mit der Wiederherstellung einer wichtigen, von Partisanen gesprengten Brücke beschäftigten Kompanie. Von den ermordeten Soldaten und dem Leid ihrer Angehörigen spricht kaum jemand, schon gar nicht die italienischen und deutschen Richter, so wenig, wie von den völkerrechtswidrigen Untaten der italienischen Partisanen überhaupt, die mit Gesetzen von 1946 und 1953 ebenso amnestiert wurden wie die italienischen Kriegsverbrechen in Libyen, Abessinien (Äthiopien) und auf dem Balkan.

Nachdem das Urteil von La Spezia im November 2007 rechtskräftig geworden war, beeilte sich die Münchener Staatsanwaltschaft, Anklage gegen Kompanieführer und Bataillonskommandeur zu erheben. Zustatten kam ihr in der Folge, dass die Generalstaatsanwaltschaft ein halbes Jahr später den italienischen Auslieferungsantrag zum Zwecke der Strafvollstreckung mangels Zustimmung des Verfolgten ablehnen musste. Mit der gerichtlichen Zulassung ihrer auf Vermutungen und schwache Indizien gestützten Anklage gegen Scheungraber und den damaligen Kommandeur des Gebirgs-pionier-Bataillons 818 hatte sie keine Schwierigkeit. Elf Monate lang bemühte sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts München I in der Hauptverhandlung gegen Scheungraber – das Verfahren gegen den zweiten Angeklagten musste wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werden – Beweise dafür zu finden, dass er den Befehl zur Sprengung des Hauses erteilt oder wenigstens durchgeführt habe, doch vergeblich.

Nachdem solche Beweise trotz intensivster Suche nicht gefunden wurden, genügten dem Gericht bloße Annahmen – nicht einmal durchschlagende Indizien – für die Behauptung seiner Täterschaft. So etwa meinte es die nachgewiesene Tatsache, dass der Angeklagte am Tage der Sprengung bei der Beerdigung seiner Soldaten im etwa 17 Kilometer entfernten Ort Umbertide die Gedenkansprache hielt, mit der Fiktion beiseite schieben zu können, er, der angeblich der einzige Offizier vor Ort gewesen sei, könne den Befehl auch am Morgen dieses Tages gegeben haben. Für diesen habe er sich bei der Division die Genehmigung eingeholt (!). Das Bataillon blieb dabei ebenso außer Betracht wie etwa die erwiesene Tatsache, dass auch andere Wehrmachtseinheiten im fraglichen Raum anwesend waren. Der damals 19-jährige Partisanenanführer Valli, sicher niemand, der ein Interesse hatte, den tatsächlichen Täter zu entlasten, hatte durch das Fernglas Truppen in schwarzen Uniformen ausgemacht – die Strafkammer „folgte“ seiner Aussage einfach nicht.

Am Ende zog das Gericht aus schwachen Indizien sogar noch einen unmöglichen Schluss. Dass der von dem Gericht unterstellte Geschehensablauf aus militärischen Gründen unmöglich war, hatte der von der Verteidigung herangezogene Sachverständige Oberst i.G. (BW) a.D. Klaus Hammel deutlich gemacht. Das Gericht hatte seine Ladung immer wieder verschleppt, so dass er schließlich von der Verteidigung durch den Gerichtsvollzieher geladen werden musste, um seine Anhörung zu erzwingen.

Doch es bleiben nicht nur massive Zweifel an der Täterschaft Scheungrabers. Selbst eine erhärtete Täterschaft hätte für sich genommen noch keine Verurteilung wegen Mordes zur Folge haben können. Dazu bedurfte es weiterer Nachweise über die Motivlage des Täters. Das Gericht fand sie schließlich – man kann es nicht anders sagen – in seinen eigenen Unterstellungen über Herrn Josef Scheungraber, einem Bürger, der nicht nur 66 Jahre lang in keiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, sondern der für sein langjähriges kommunalpolitisches Engagement ausgezeichnet worden ist.

Bei der Urteilsverkündung am 11. August 2009 mussten wir drei Verteidiger mit ungläubigem Staunen hören, dass der Angeklagte 1944 angeblich aus „eigenen Wut- und Rachegefühlen“ gehandelt habe. Seine Beweggründe stünden „auf sittlich tiefster Stufe“ und seien „besonders verachtenswert“. Mit dieser Annahme meinte das Gericht zu den für den Mordtatbestand erforderlichen „niedrigen Beweggründen“ kommen zu können. Nur so war auch die bei einem Totschlagsdelikt längst eingetretene Verjährung zu vermeiden.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes unter Vorsitz von Armin Nack setzte dem dann die Krone auf, als er 14 Monate später seine die Revision Scheungrabers verwerfende Entscheidung entgegen der Annahme des Landgerichts urteilswidrig damit begründete, dass dieser mit dem Bataillonskommandeur zusammengewirkt habe, nicht aber mit der Division. Beide Versionen schließen einander aber aus. Zudem hat der Strafsenat des BGH, der an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden ist, in Abweichung von diesem gleich noch mit hinzuerfunden, dass Scheungraber bei der Sprengung anwesend gewesen sei. Der Eindruck politischer Voreingenommenheit hat auch in der Person des BGH-Richters Nack einen Anhaltspunkt. Armin Nack war viele Jahre lang Landesvorsitzender einer Vereinigung von SPD-Juristen. Laut Wikipedia gilt er als „innovativer Jurist“ insbesondere hinsichtlich der „Glaubwürdigkeits- und Beweislehre“.

Für Juristen abenteuerlich liest sich auch die Begründung, des BGH-Senats, warum das strikte Doppelbestrafungsverbot in diesem Falle nicht zum Tragen komme. Das alles wird nun das Bundesverfassungsgericht ebenso beschäftigen wie die grundrechtswidrige Meinung beider Strafgerichte, dass das Alter und die Zeitspanne von 66 Jahren seit dem Zeitpunkt der angeblichen Tat „in Fällen der vorliegenden Art“ die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe „nicht unverhältnismäßig“ mache. Soll das heißen, dass in mit Ereignissen im Zweiten Weltkrieg zusammenhängenden Fällen ein Sonderrecht gilt?

Übrigens hat sich bisher keine maßgebende Person des öffentlichen Lebens und keines der tonangebenden Medien, die Humanität und Menschenrechte sonst ständig im Munde führen, kritisch zum Justizskandal um Josef Scheungraber vernehmen lassen. Auch hier gilt: „Qui tacet, consentire videtur“ (Wer schweigt, scheint zuzustimmen).

 

Dr. Klaus Goebel ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in München.


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