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18.12.10 / Joseph Goebbels’ später Sieg / Die Ausstellung »Hitler und die Deutschen« suggeriert die Einheit von Führer und Volk – Goebbels versuchte einst das selbe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Joseph Goebbels’ später Sieg
Die Ausstellung »Hitler und die Deutschen« suggeriert die Einheit von Führer und Volk – Goebbels versuchte einst das selbe

„Hitler und die Deutschen – Volksgemeinschaft und Verbrechen“, so der Titel einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zu Berlin, die voraussichtlich noch bis März besichtigt werden kann. Das Interesse an der Ausstellung ist beachtlich. Doch was geht in den Köpfen der Betrachter vor?

Hitler ist ein ganz konkretes Individuum, von dem wir wissen, wann und wo er geboren wurde, wann und wo er verstarb. Doch wer sind die Deutschen, von denen im Titel die Rede ist? Es ist die nicht minder nebulöse „Volksgemeinschaft“, von der Joseph Goebbels schwärmte, die hier ihrerseits mit den „Verbrechen“ verwoben ist.

Machen wir einen Gang durch die Räume: Zunächst geht es um „Hitler unter den Deutschen“. Bilder zeigen den Soldaten Hitler, den Agitator, den Verfasser von „Mein Kampf“. „Hitler und die NSDAP“ ist ein Thema für sich. Wir begegnen zahlreichen Mitstreitern, einzelnen und in Gruppen, mit und ohne Uniform, Bekundungen irrationaler Verehrung.

„Machtübertragung und nationale Revolution“ ist eine weitere Station überschrieben. Hitlers Zylinder, Demonstrationen der Macht, Begeisterung und Unterdrückung werden hier dem Besucher vorgeführt und wieder Menschenmassen, die dem Führer fanatisch huldigen.

Der „Führerstaat“ demonstriert die architektonische Megalomanie der neuen Machthaber und ihr Werk der Zerstörung von Synagogen. Nachdenklich macht eine Aufnahme. Sie zeigt Tausende Juden, in Reih und Glied angetreten. Keiner trägt einen Hut. Es ist November 1938 im KZ Buchenwald. Die eingeschüchterten Opfer hätten wohlalle die Hand zum Hitlergruß erhoben, hätte man sie dazu aufgefordert. Angst ist fast allmächtig. Schließlich die Götterdämmerung. Sie beginnt mit der Selektion von Geisteskranken. Auf die Vertreibung von Juden und die Zwangsarbeit folgen Verwüstung und Tod. Das alles lässt sich gut veranschaulichen.

Der Besucher erhält Gelegenheit, seine Empfindungen mitzuteilen. Das Gästebuch wird täglich von Dutzenden genutzt, von Ausländern wie von Deutschen, meist der jüngeren Generation angehörig. Viele geben sich damit zufrieden, dass sie ihre Anwesenheit dokumentieren. Andere äußern Kritik, so an der nur bedingten Lesbarkeit der Begleittexte. Immer wieder heißt es wörtlich oder sinngemäß: „Interessante Ausstellung, aber leider nichts Neues.“ Und: „Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet.“

Nun, wer tiefer einsteigen möchte, dem wird der stattliche Ausstellungskatalog angeboten: 328 Seiten, Großformat DIN A4. Er bietet nicht nur zahlreiche Abbildungen von Exponaten, sondern auch Aufsätze, die zusammengefasst sind unter den Überschriften „Zur Person Hitler“, „,Führerbewegung‘“, „Der Führerstaat“, „Herstellung und Inszenierung der ,Volksgemeinschaft‘“, „Der nationalsozialistische Krieg und die deutsche Gesellschaft“ sowie „Hitler und kein Ende“.

Manche dieser Beiträge sind sehr gediegen, andere rufen schon deshalb Widerspruch hervor, weil immer wieder von den Deutschen die Rede ist, wo es schlimmstenfalls die große Mehrheit der Deutschen heißen dürfte.

Ein Kommentator räumt ein, dass die Verwendung von „NS-Material ganz unbewusst und ungewollt deren Sicht“ konserviere. Begeisterung für Hitler war ganz im Sinne des Regimes und wurde deshalb von der Propaganda immer wieder provoziert und aufgezeichnet. Doch wie wurden die abweisenden Empfindungen dokumentiert? Der Oppositionelle war gut beraten, sich nur den nächsten Freunden zu offenbaren. Hans Mommsen widerspricht in seinem Beitrag der Einflüsterung, dass die „Volksgemeinschaft“ Hitlers Politik getragen habe: „Die Fiktion einer geschlossenen ‚Volksgemeinschaft‘ war zwar durchweg Gegenstand der offiziellen Propaganda, aber sie gab es nur bedingt und nur bezogen auf die aktiven NSDAP-Anhänger.“

Was wohl nur sehr wenige Besucher der Ausstellung und Leser des Katalogs wahrnehmen, ist das Fehlen der Zeitzeugen und der von ihnen hinterlassenen Dokumente. Eine Ausnahme bildet der Reserveoffizier Wilm Hosenfeld. Er wird mit den Worten zitiert: „Wir verdienen keine Gnade. Wir sind alle mitschuldig.“ Ungesagt bleibt, dass Hosenfeld schon am 15. April 1933 in die SA eingetreten war, also lange eine aktive Stütze Hitlers. Warum kommt kein jüdischer Zeitzeuge zu Wort und kein sonstiger Gegner des Systems? Ihnen verdanken wir das deutsche Volk betreffend höchst erfreuliche Aussagen, so dem Dresdner Juden Victor Klemperer: „Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde.“ Diese und Hunderte ähnlicher Feststellungen, erinnert sei an die voluminösen, aufschlussreichen Berichte der Auslands-SPD, hätte man durchaus in einem eigenen Raum dem Betrachter zeigen können. Dann stünde wohl nicht im Gästebuch: „Das Bild, das hier vor allem ausländischen Besuchern vermittelt wird, ist sehr unvollständig.“ Konrad Löw

Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum (DHM), Ausstellungshalle von I. M. Pei, Unter den Linden, Hinter dem Zeughaus, 10117 Berlin ist noch bis zum 6. Februar zu sehen. Die Ausstellung ist sonnabends bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr sowie freitags von 10 bis 21 Uhr geöffnet; die Öffnungszeiten an den Feiertagen sind im Internet zu finden unter www.dhm.de. Der Eintritt kostet für Erwachsene 6 Euro, für Minderjährige ist er frei. Der Katalog „Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen“ (328 Seiten, Sandstein Verlag) kostet 25 Euro. Nähere Informationen erteilt das DHM unter der Telefonnummer (030) 20304-444.


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