29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.12.10 / Als Polen von der Landkarte verschwand / Harte Konsequenz des Aufstandes gegen die Zweite Teilung – Petersburg und Wien schanzten Preußen den »Unruheherd« Warschau zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Als Polen von der Landkarte verschwand
Harte Konsequenz des Aufstandes gegen die Zweite Teilung – Petersburg und Wien schanzten Preußen den »Unruheherd« Warschau zu

Mit der Zweiten Teilung war das Königreich Polen im Jahre 1793 auf etwa 240000 Quadratkilometer mit dreieinhalb Millionen Einwohnern halbiert worden. Hiergegen erhob sich am 24. März 1794 ein Aufstand unter der Führung von Tadeusz Kosciuszko. Er wurde niedergeschlagen und hatte die Aufteilung Restpolens zur Folge – und Preußens Erwerb weiterer Teile Polens.

Kosciuszko war Bürger der USA, Ehrenbürger Frankreichs und mit der revolutionären Entwicklung in beiden Ländern vertraut. Als einziger polnische General, der in dem der Zweiten Teilung vorausgegangenen russisch-polnischen Krieg von 1792 gegen die Invasoren siegreich gekämpft hatte, als Teilnehmer am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Kolonien sowie als Streiter für die Sklavenbefreiung in Nordamerika genoss er allgemeine Autorität. Am 24. März 1794 rief er auf dem Marktplatz von Krakau zum Volksaufstand auf und proklamierte sich selber zum Oberbefehlshaber und Diktator bis zum Zusammentritt eines frei gewählten Reichstages. Bereits zwölf Tage zuvor hatte sich eine polnische Brigade, die sich ihrer Auflösung widersetzt hatte, auf den Marsch von Ostrolenka nach Krakau begeben. Die Teilungsmächte hatten Polen nämlich nicht nur auf die Hälfte verkleinert, sondern auch eine massive Truppenreduzierung auf 15000 Mann vorgeschrieben.

Kosciuszko standen Polens reguläre Truppen zur Verfügung, außerdem verstand er es, Zivilisten für den von ihm aufgenommenen Kampf gegen die Russen zu mobilisieren. Legendär sind die polnischen Bauern, die mit geradegeschmiedeten Sensen unter Kosciuszkos Befehl in den Kampf zogen. Auf dem Weg nach Warschau gelang den bestens motivierten Polen sogar bei Racławice nördlich von Krakau am 4. April ein Sieg über die Russen. Der ersehnte Durchbruch Richtung Hauptstadt gelang zwar trotzdem nicht, doch brach dort am 17. ein Aufstand dortiger polnischer Truppen und Bürger aus, der insoweit erfolgreich war, als die russische Garnison die Stadt räumte. Weitere Aufstände folgten in Wilna und dem übrigen Litauen.

Wenn Kosciuszkos Versuche erfolgreich gewesen wären, den Preußenkönig Fried­rich Wilhelm II. auf seine Seite zu ziehen, hätten die Polen vielleicht eine Chance gehabt. Dieses Unterfangen war allerdings erfolglos. Nachdem das spätabsolutistische Preußen das revolutionäre Frankreich bekämpft hatte, ließ es nun ein Heer von 50000 Mann gegen das revolutionäre Polen aufmarschieren. Am 6. Juni wurde Krakau von Preußen besetzt und auch Wilna verloren die Aufständischen. Auch Österreich intervenierte nun. Angesichts dieser Allianz der Teilungsmächte von 1772 und 1793 hatten die Aufständischen in Warschau und den anderen Teilen des Landes keine Chance.

Bei dem Versuch, die Vereinigung zweier ungefähr doppelt so großer russischer Armeen südöstlich von Warschau mit 6200 Mann zu verhindern, wurde Kosciuszkos am 10. Oktober 1794 in der Schlacht bei Maciejowice vernichtend geschlagen. Er selber geriet schwer verwundet in Gefangenschaft. Einen Monat später kapitulierte Warschau.

An der Niederschlagung des polnischen Aufstandes hatte sich Fried­rich Wilhelm II. mit 50000 Mann beachtlich beteiligt. Doch entscheidend für den Verlauf der nun folgenden Dritten Teilung Polens war, dass die Zarin und der Kaiser übereinstimmend der Ansicht waren, dass Preußen bei den beiden vorausgegangenen Teilungen unverhältnismäßig gut abgeschnitten hätte, und dass das nun bei der Dritten Teilung eine Kompensation erfordere. Am 3. Januar 1795 einigten sich Katharina die Große und Franz II. auf einen Teilungsver­trag, dem Fried­rich Wilhelm II. am 24. Oktober 1795 nolens volens beitrat.

Aus dem genannten Grund war Preußens Gewinn bei der Dritten Teilung Polens, die nun vollständig war und entlang der Flüsse Memel, Bug und Pilica verlief, mit 43000 Quadratkilometern und 1,042 Millionen Seelen am geringsten. Es erhielt den Rest Masowiens mit Warschau sowie den nördlich des Bug gelegenen Teil Podlachiens und den westlich der Memel liegenden Teil Litauens. Diese an Ost- und „Südpreußen“ grenzende Neuerwerbung bekam den künstlichen Namen „Neuostpreußen“. Außerdem bekam es nordwestlich der vergebens von Fried­rich Wilhelm begehrten Stadt Krakau ein kleines Gebiet an der oberen Warthe. Dieses Gebiet an der Grenze zu Schlesien erhielt den nicht weniger ahistorischen Namen „Neuschlesien“.

Österreich bekam als Entschädigung für die an die Franzosen verlorenen Österreichischen Niederlande 51100 Quadratkilometer mit 1,098 Millionen Bewohnern. Der aus dem restlichen Teil Kleinpolens bis zu Pilica und zum Bug bestehende Teilungsgewinn Österreichs lag nördlich des Westteils Galiziens und bekam den Namen „Westgalizien“ – auch das eine Name „aus der Retorte“. Den Rest des polnischen Staatsgebietes, immerhin 146000 Quadratkilometer mit 1,338 Millionen Menschen, erhielt Russland.

Seines Landes auf diese Weise entwunden, dankte Polens König Stanislaus August am 25. Juni 1795 ab. Um sicherzustellen, dass die polnische Frage damit ein für allemal erledigt wäre, erklärten die drei Teilungsmächte 1797 das Königreich Polen für erloschen und versprachen einander, auf die Führung des Titels eines Königs von Polen zu verzichten. Im selben Jahr entstand im französischen Exil die heutige polnische Nationalhymne „Noch ist Polen nicht verloren“. Manuel Ruoff


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren