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18.12.10 / Magische Realisten / Journalist nimmt Abschied von Wahlheimat Italien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Magische Realisten
Journalist nimmt Abschied von Wahlheimat Italien

„Alle Wege führen nach Rom“, lautet ein lateinisches Sprichwort. Doch es führt mindestens auch ein Weg hinaus aus der Ewigen Stadt. Diesen musste Auslandskorrespondent Stefan Ulrich von der „Süddeutschen Zeitung“ im vergangenen Jahr beschreiten, als die Redaktion ihn nach vier Jahren von Rom nach Paris versetzte. Plötzlich hieß es für den gebürtigen Bayern, seine Frau Antonia und die Kinder: Koffer packen! In seinem Buch „Arrivederci, Roma!“ lässt Ulrich die letzte Zeit in Italien Revue passieren. Wer sein erstes Buch „Quattro Stagioni“ gelesen hat, wird hier alte Bekannte wiedertreffen: das Hausmeister­ehepaar Filippo und Federica, den Fischverkäufer Teodoro und die Meerschweinchen der Familie.

In der Fortsetzung holt den Journalisten langsam, aber sicher der römische Alltag ein. Vieles, was am Anfang überraschend und ungewohnt erschien, ist entschlüsselt und verdaut: von der Genussbegabung der Italiener über ihre kommunikative Offenheit bis hin zu ihrem organisierten Chaos, ihrer Fähigkeit, sich zu arrangieren, und ihrer kreativen Überlebenskunst. „Magischen Realismus“ nennt Ulrich letztere Eigenschaften. Als Beispiel gibt er das piemontesische Viganella an. Die in einem Tal zwischen hohen Bergen gelegene Gemeinde galt als dunkelster Ort in Italien. Jedes Jahr von November bis Februar sahen die Dorfbewohner keine Sonne, bis der Bürgermeister Pierfranco Midali 2005 einen genialen Einfall hatte. Hoch oben auf einem Berg ließ er einen riesigen Spiegel montieren, um das Sonnenlicht auch in der kalten, finsteren Jahreszeit auf die Piazza zu reflektieren. Finanziert wurde das Projekt durch private Spender und lokale Organisationen. Seitdem ist Viganella eine beliebte Touristenattraktion.

Doch der Piemont ist nicht das einzige Ausflugsziel des Korrespondenten. Angelehnt an Jules Verne, der in 80 Tagen um die Welt reiste, beschließt er, in 365 Tagen alle 20 Regionen von der Lombardei im Norden bis nach Sizilien im Süden zu besuchen und sein Italienbild zu vervollständigen. Unterwegs begegnen ihm sardische Spanferkel-Köche, apulische Gläubige sowie Familienangehörige der kalabrischen Ndrangehta-Mafiosi, die ihm eine heile Welt vorgaukeln. Urkomische Episoden, wie eine Autopanne am Meer nahe Rom oder die Geburtstagsparty des Hausmeisters Filippo samt Großfamilie im Hinterland Neapels, wechseln sich ab mit tragikomischen Vorfällen, wie der Besuch beim Tiernotarzt mit den kleinen Nagern der Ulrichs.

„Arrivederci, Roma!“ ist ein liebenswertes Kaleidoskop Italiens. Mit seinem bildhaften Schreibstil, seiner präzisen Wortwahl und seinem Sinn für Situationskomik beschert Ulrich interessante Lesestunden. Die guten geographischen Kenntnisse des Autors regen zu vielen Ideen für den nächsten Italienurlaub an. Hilfreich wäre eine Landkarte im Anhang gewesen, um die Reisen einfacher nachzuverfolgen. Sophia E. Gerber

Stefan Ulrich: „Arrivederci, Roma! Ein Jahr in Italien“, Ullstein Verlag, Berlin 2010, 250 S., 9,95 Euro


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