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25.12.10 / Berlins Nothelfer in Nöten / Schuldlos bestraft: Auch die "Berliner Tafel" hat unter jüngsten Spendenskandalen zu leiden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Berlins Nothelfer in Nöten
Schuldlos bestraft: Auch die "Berliner Tafel" hat unter jüngsten Spendenskandalen zu leiden

Essen für 125000 Bedürftige und Kocherziehung für Kinder und Jugendliche stellt die Tafel bereit. Doch steigende Kosten und sinkendes Spendenaufkommen gefährden ihre Arbeit.  

Zu Weihnachten, der Zeit der Wiederkehr des Geburtstages Jesu Christi, ist die Spendenbereitschaft besonders groß. Allerdings haben die Skandale um die Verwendung von eingeworbenen Spendengeldern im jetzt zu Ende gehenden Jahr das Misstrauen der Berliner geweckt und ihre Gebefreudigkeit beeinträchtigt. Die Fälle der "Treberhilfe" und "Hatun und Can" haben heftige Wellen geschlagen. Das bekamen auch die zahllosen ehrlichen Organisationen zu spüren. So rutschte bereits im vergangenen Herbst das Hilfswerk "Berliner Tafel" in Zahlungsschwierigkeiten.

Dem Verein mangelt es nicht an gespendeten Lebensmitteln, die von der gemeinnützigen Einrichtung an 125000 Bedürftige monatlich verteilt werden. Rund 1900 Freiwillige helfen unentgeltlich bei der Verteilung. Schwierigkeiten bereitet ausgerechnet die Politik: Die Spenden werden überwiegend per Auto verteilt. Die Einführung der "Umweltzone" machte nun die Anschaffung von 13 neuen Kraftwagen notwendig. Hierfür werden monatliche Leasingraten fällig. Als Verein darf die Tafel aber keine zweckungebundenen Rücklagen sammeln. Daher kann schon ein mäßiger Rückgang der Spenden schnell zur Zahlungsunfähigkeit führen, erst recht, wenn er mit zusätzlichen Kosten zusammenfällt wie jetzt.

"Wir sind am Ende unserer Reserven", klagte Sabine Werth, Vorsitzende der Berliner Tafel-Stiftung bereits vor Monaten. "Wir wollen uns von niemandem abhängig machen. Vor allem nicht von der Politik. Das meiste Geld kommt von vielen Einzelspendern. Wir nehmen sie nur an, wenn damit keine Verpflichtung einhergeht." Die  Unabhängigkeit fordert ihren Preis.

Zur Hilfe kommt der Tafel ihr ausgezeichneter Ruf: Nachdem die Nöte öffentlich wurden, erklärten spontan 600 Berliner ihren Beitritt zum Verein, der nun über 1.900 Förderer verfügt, die monatlich 2,75 Euro zum Gelingen beisteuern. Euphorisch berichten Vereinsaktive, das Telefon habe nicht mehr still gestanden. Die zu bewältigende Aufgabe bleibt dennoch gewaltig: Waren es im Herbst noch 70000 Euro, so sind es jetzt "nur" noch 65000 Euro, die eingeworben werden müssen, um die Aufgaben im bisherigen Umfang erfüllen zu können.

Einzelne kleinere Sparmaßnahmen brachten nicht den notwendigen Erfolg, so dass jetzt tiefgreifende Kürzungen notwendig sind. Konkret hat die "Berliner Tafel" nun angekündigt, dass eines der zwei seit 2004 betriebenen Kinderrestaurants geschlossen werden muss. Die Folge wird eine Vermehrung der Arbeitslosenstatistik um drei bisher dort beschäftigte Mitarbeiter sein. Das Einsparvolumen beträgt aber immerhin 10000 Euro. In den Restaurants wird Kindern und Jugendlichen ein Dreigängemenü mit einem Getränk für einen Euro angeboten. Die Kinder und Jugendlichen können zwischen einem vegetarischem Essen sowie Gerichten mit Fleisch oder Fisch wählen. Die Gerichte sind schonend und kinderfreundlich, ganz ohne Geschmacksverstärker, zubereitet. Was die Kinder dort erhalten, ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung, für die gerade die Kinder aus der Unterschicht interessiert werden sollen. Zugleich sollen Esskultur und Tischsitten vermittelt werden, die im Rahmen von "Fingerfood", Dönerbuden und Fastfoodketten oft auf der Strecke bleiben.

Aber das ist noch nicht alles. Sechs- bis 16-Jährige können an Kochkursen der Tafel teilnehmen. Donnerstag ist immer Kochtag für die kleinen Restaurantgäste. Junge Menschen aus benachteiligten Bevölkerungskreisen bereiten unter professioneller Anleitung ihr Essen selbst zu - schneiden, schälen, backen und kochen gemeinsam. So lernen sie den richtigen Umgang mit Haushaltsgeräten sowie die Zusammensetzung der Mahlzeiten.

Im Bereich "Nahrungserziehung" bietet die Berliner Tafel zudem eine Art mobiles Kochstudio an. Das "Kimba-Mobil" ist ein Doppeldeckerbus, ausgestattet mit moderner Küchentechnik, der seit April 2010 auf Tour geht und von Schulen oder Jugendeinrichtungen angefordert werden kann. Auch steht der erzieherische Aspekt im Mittelpunkt. Gesunde Ernährung ist für "Ghetto Kids" keine Selbstverständlichkeit.

Bei einem Unkostenbeitrag von nur zwei Euro pro Kochkurs trägt sich auch dieses Projekt nicht selbst, die Lücke muss durch Beiträge oder Spenden abgedeckt werden. Am 13. Dezember erhielt das Kinderrestaurant prominente Unterstützung. Der Berliner Spitzenkoch Björn Moschinski kam in das "Talmarant" und kreierte eigens ein vegetarisches Gericht. Fünf Berliner Kindern assistierten ihm dabei. Der Verein hoffte, dadurch zusätzliches Interesse der Öffentlichkeit zu erregen.

Auch von anderer Seite kommt Hilfe. Zusammen mit dem Radiosender 104.6 RTL sucht die "Berliner Morgenpost" die herausragende Berlin-Persönlichkeit des Jahres. Neben Thilo Sarrazin ist auch Tafel-Vorsitzende Sabine Werth im Rennen. Selbst wenn sie dem bekannten Buchautoren den ersten Platz kaum streitig machen dürfte, kommt ihr und ihrem Verein dadurch doch ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit zu. Letztlich kommt es darauf an, nach den vielen Spenden-skandalen Glaubwürdigkeit zu verkörpern.

Noch glaubt die "Berliner Tafel", wenigstens das zweite Kinderrestaurant in Berlin Reinickendorf erhalten zu können.       Hans Lody


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