24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.12.10 / Anglikanisches Erdbeben / Mehrere konservative Bischöfe wechseln zur katholischen Kirche - Ihre Zukunft dort ist unsicher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Anglikanisches Erdbeben
Mehrere konservative Bischöfe wechseln zur katholischen Kirche - Ihre Zukunft dort ist unsicher

Der seit Jahren zu beobachtende Zerfall der anglikanischen Weltkirche scheint sich zu beschleunigen. Eine größere Zahl aktiver Bischöfe, Priester und Gläubige hat seinen Übertritt zur katholischen Kirche angekündigt.

Man spricht von einem "Erdbeben" in der Welt der Anglikaner. Insgesamt fünf Bischöfe, davon drei noch im aktiven Dienst, und über 50 Priester aus England werden zum Jahresende zur katholischen Kirche übertreten. Auch aus Australien und den USA kommen ähnliche Nachrichten. Dabei handelt es sich um traditionell und konservativ orientierte Anglikaner.

Seit dem Beginn der Reformation vor gut 500 Jahren sind keine im Amt stehenden Bischöfe und/oder größere Zahlen protestantischer Gläubige in die katholische Kirche zurückgekehrt. Diese neue Möglichkeit wurde erst durch die vatikanische Konstitution "Coetibus Anglicanorum" vom Dezember 2009 geschaffen, die den Übertritt von ganzen Gemeinden, Gemeinschaften und Teilkirchen erlaubt. Die positive Resonanz auf den Staatsbesuch von Papst Benedikt XVI. auf den Britischen Inseln im September ließ, so berichten Anglikaner, bei vielen den Entschluss zum Übertritt reifen.

Weltweite Bedeutung erhält der bevorstehende Schritt durch den anglikanischen Bischof des Londoner Stadtteils Fulham, John C. Broadhurst, den der Autor dieser Zeilen kürzlich in Deutschland traf. Er ist zugleich der internationale Präsident der anglo-katholischen Vereinigung "Forward in Faith" (FiF) und damit der führende Kopf von Hunderttausenden Anglikanern und schätzungsweise 1000 Priestern in England, Australien und den USA. Broadhurst betont, dass für die konvertierenden Anglikaner in erster Linie nicht "der Ärger über die Anglikanische Kirchengemeinschaft" ausschlaggebend sei, sondern der Wunsch nach Wiederherstellung der Einheit mit dem Heiligen Stuhl.

Die Einheit zwischen katholischer Kirche und England zerbrach 1534, als König Heinrich VIII. die katholische Christenheit seines Landes "annektierte", sie kurzerhand in "Church of England" umbenannte und sich selbst zum Oberhaupt machte. Nach Aussagen führender Kirchenhistoriker gab es für diesen Schritt keinerlei theologische Gründe, sondern ausschließlich persönliche des Königs, der eine Vielzahl von Mätressen und intimen Freundinnen neben seiner Ehe mit einer spanischen Prinzessin führte.

Die ökumenischen Aussichten hätten sich, so Bischof Broadhurst, in den letzten 30 Jahren weitgehend verflüchtigt. Noch 1982, bei dem Pilgerbesuch Papst Johannes Pauls II. in England, hofften viele Anglikaner auf eine Wiederherstellung der kirchlichen Einheit. Doch weder die anglikanisch-katholischen Kommissionen (ARCIC), die große Gemeinsamkeiten aufgezeigt hätten, noch diplomatische Initiativen hätten zu Ergebnissen geführt. Stattdessen wären durch theologisch-liberale Strömungen (anglikanische Frauenordination und die Einsetzung homosexueller Priester und Bischöfe) neue ökumenische Hindernisse errichtet worden.

Nachdem der Papst vor einem Jahr die neue Möglichkeit zu gemeinschaftlichen Übertritten geschaffen habe, berichtet Broadhurst, hätten sich die katholischen Kardinäle aus Australien, den USA und England sowie das vatikanische Einheitssekretariat zu schnellen und "gewagten" Schritten entschlossen. Schon im ersten halben Jahr 2011 werden daher in mehreren Erdteilen in einer "erste Welle" die neuen Römischen Ordinariate gegründet. Aus dem Londoner Bischofsbezirk von Broadhurst werden zunächst nur sechs Priester ihren Bischof begleiten, aber 89 weitere haben bereits ihre Bereitschaft zum Übertritt bekundet.

Ähnlich wie in den landesweiten Diözesen eines Militärbischofs wollen die Konvertiten vor Ort dann eigene Pfarrgemeinden bilden. Katholisch gewordene Anglikaner dürfen hier sogar ihre Liturgien beibehalten. Angedacht ist auch, das angestammte Kirchengebäude weiter zu benutzen. Dafür

müsste allerdings die Anglikanische Kirchengemeinschaft jeweils zustimmen. Zwischen beiden Kirchen bestehen bislang gute ökumenische Beziehungen. Noch im September hatte der Primas der Anglikaner, Erzbischof Rowan Williams, Papst Benedikt mit allen Ehren empfangen. Abwartende und kritische Stimmen sind jedoch ausgerechnet aus der katholischen Kirche auf den britischen Inseln zu hören. Die neuen Römischen Ordinariate, so die Befürchtung, könnten sich zur Konkurrenz für liberale Gemeinden entwickeln. Hinrich E. Bues


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren