20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.12.10 / Justizreform gescheitert / Chodorkowskij bleibt in Haft - Putin nimmt Urteil vorweg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Justizreform gescheitert
Chodorkowskij bleibt in Haft - Putin nimmt Urteil vorweg

Eigentlich hätte das Urteil im zweiten Prozess gegen Ex-Oligarch Michail Chodorkowskij am 15. Dezember fallen sollen. Weil der Richter angeblich die Urteilsniederschrift noch nicht fertig hatte, wurde die Verkündung auf den 27. Dezember verschoben. Also in die Weihnachtsferien, während der in Russland keine Zeitungen erscheinen und viele ausländische Journalisten das Land verlassen haben. Längst steht fest, dass Michail Chordorkowskij und sein Partner Platon Lebedew ein weiteres Mal verurteilt werden. Premierminister Wladimir Putin spricht bereits vor Prozessende offen darüber, dass "die Diebe ins Gefängnis gehören" und "das Gericht die Schuld Chodorkowskijs bewiesen" habe. Nur die Dauer der erneuten Haftstrafe ist noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft fordert 14 Jahre, Beobachter rechnen mit sechs Jahren.

Das Urteil könnnte zur größten Herausforderung in Dmitrij Medwedews Amtszeit werden. Denn der als liberal geltende Präsident versprach im Mai 2008 eine umfassende Justizreform. Das Verfahren gegen die ehemaligen Jukos-Chefs könnte zum Härtetest für Medwedews Liberalität werden und zeigen, wie ernst er es mit der Justizreform nimmt. Nicht zuletzt macht es deutlich, wie es um seine politische Unabhängigkeit von seinem Vorgänger Putin bestellt ist.

Noch ist die Kluft zwischen Gesetztestext und Wirklichkeit in Russland groß. In Staatsanwaltschaft und Gerichten herrschen eigene, ungeschriebene Regeln, Richterposten sind weitgehend durch ehemalige Staatsanwälte, Polizeiermittler und Zollinspektoren besetzt. Die Ernüchterung über Medwedew wächst: Seine Reformen blieben weitgehend erfolglos.  Richter und Staatsanwälte sabotieren neue Paragraphen, beugen bei großen Wirtschaftsverbrechen das Recht. So wohl auch im zweiten Jukos-Verfahren, das sowohl in den Augen russischer Oppositioneller als auch nach Auffassung westlicher Beobachter nichts anderes ist als ein politisch motivierter Schauprozess. Im Herbst 2011, also mitten im Präsidentschaftswahlkampf, hätte Chodorkowskij seine achtjährige Haftstrafe der ersten Verurteilung abgesessen. Dass ihm ein weiterer Prozess mit dem grotesken Vorwurf, er habe 218 Millionen Tonnen Rohöl gestohlen, gemacht wurde, zeigt, dass Russlands Hardliner ihn noch immer für einen gefährlichen Gegner halten.

Zur Erinnerung: Michail Chodorkowskij war im Zuge der Privatisierungswelle der Jelzin-Ära von einem in der Jugendorganisation der kommunistischen Partei verankerten Chemiker zunächst zum Bankier arriviert. Nach der Übernahme des staatlichen Ölkonzerns Jukos zum Spottpreis vermehrte er dessen Gewinn und wurde der reichste Mann Russlands. Er war zu Macht und Geld gekommen wie andere Oligarchen auch. Die wilden Privatisierungen, bei denen der Staat stets leer ausging, fanden mit dem Machtantritt Putins im Jahre 2000 ein Ende. Stillschweigend galt das Abkommen, es werde keine Untersuchungen geben, solange sich die Wirtschaftsbosse aus der Politik heraushielten. Während Oleg Deripaska die Zeichen der Zeit verstand, lehnte Chodorkowskij sich dagegen auf. Er verstand sich inzwischen als Verfechter der Demokratie und unterstützte oppositionelle Parteien.

In Freiheit könnte Chodorkow-skij auch Präsident Medwedew gefährlich werden, denn dieser gehörte als Chef der Kremlverwaltung 2003 zum Kern der Mannschaft, die den ersten Jukos-Prozess durchführte.      MRK


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren