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01.01.11 / Zweibettzimmer für alle / Ein netter Wunsch für alle gesetzlich Versicherten, der jedoch wenig realistisch ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Zweibettzimmer für alle
Ein netter Wunsch für alle gesetzlich Versicherten, der jedoch wenig realistisch ist

Zum neuen Jahr erhöhen sich die Beiträge für die gesetzlich Versicherten. Doch ihr Leid sollte nicht in Neid auf die Privatversicherten umschlagen, denn deren Versicherer werden in den nächsten Jahren teilweise ums Überleben kämpfen.

Mitten um den Weihnachtstisch saß sie vereint: die Zwei-Klassengesellschaft. Während der gesetzlich Versicherte von Not und Elend im Vierbettzimmer im Krankenhaus von Neumünster erzählte, schwärmte der Privatversicherte von Chefarztbehandlung, Einzelzimmer und Übernahme der Kosten für seine Kontaktlinsen. Wie schön, dass nur wenige Stunden später der gesetzlich Versicherte den Nachrichten entnehmen konnte, dass der Gesundheitspolitiker Jens Spahn (CDU) Vierbettzimmer abschaffen möchte und auch für gesetzlich Versicherte Zweibettzimmer zum Standard erheben möchte, schließlich sei es eine Zumutung, zu viert in einem Zimmer zu sein. Auch die langen Wartezeiten für einen Termin beim Facharzt sollten für die gesetzlich Versicherten bald der Vergangenheit angehören.

Doch was so schön klingt, erscheint wenig realistisch. Zum Jahreswechsel erhöht sich der Einheitsbeitrag für gesetzlich Versicherte von 14,9 auf 15,5 Prozent und schon jetzt ist bekannt, dass weitere Beitragserhöhungen folgen werden. Laut Statistischem Bundesamt verursacht ein Mensch unter 30 Jahren Krankheitskosten in Höhe von rund 1360 Euro im Jahr, die Kosten für über 85-Jährige betragen 14840 Euro. Und leider gibt es immer weniger unter 30-Jährige und immer mehr über 85-Jährige. Hinzu kommen steigende Kosten für Medikamente, Medizintechnik, Ä„rzte und medizinisches Personal sowie medizinischen Fortschritt. So dass es eher so aussieht, als ob dem Bett auf dem Krankenhausflur, von dem so mancher gesetzlich Versicherte schon heute berichten kann, eher die Zukunft gehört als dem Zweibettzimmer.

Doch das ist kein Grund, Privatversicherte weiter neidisch zu beäugen, denn immer mehr Experten zweifeln an der künftigen Finanzierbarkeit dieses Systems. Die Grünen und die SPD hatten allein aus ideologischen Gründen der privaten Krankenversicherung den Garaus machen wollen. Was ihnen nicht glückte, dürfte der demographischen Entwicklung gelingen. Zwar bilden Privatversicherte bedingt Altersrückstellungen, was im Vergleich zur nicht kapitalgedeckten, sondern umlagenfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung schon ein Fortschritt ist, doch diese Altersrückstellungen sind nicht hoch genug, um Beitragserhöhungen vor allem mit steigendem Alter zu vermeiden. Da sich die Beiträge für die private Krankenkasse nicht nach dem jeweiligen Einkommen des Versicherten, sondern nach dem gewählten Tarif der Versicherung richten, kann die private Krankenkasse gerade im Alter, wenn mit dem Ruhestand auch das monatliche Einkommen sinkt, zum teuren Vergnügen werden, zumal ein Wechsel in die gesetzliche Versicherung ab 55 Jahren nicht mehr möglich ist. Und da die privaten Krankenversicherungen unter Nachwuchsmangel leiden, einmal eben wegen des demographischen Wandels, aber auch weil sich inzwischen herumgesprochen hat, dass viele Anbieter aufgrund des Kostendrucks immer weniger kulant sind, erhöht sich die Notwendigkeit, die Beiträge für Alt wie Jung zu erhöhen, zusätzlich. Die Debeka, die mit 2,1 Millionen privat Krankenversicherten nicht nur als der größte, sondern auch der solideste Anbieter der Branche gilt, erhöht 2011 ihre Beiträge um fünf bis sieben Prozent. 2010 waren es drei bis fünf Prozent. Die DKV (925791 Versicherte) und die Axa  (724736 Versicherte) planen ähnlich starke Erhöhungen. Die Allianz (etwa 700000 Versicherte) kann sich Erhöhungen derzeit nicht leisten, da sie bereits unter Mitgliederschwund leidet. Insgesamt gibt es 46 Privatkassen mit 14000 verschiedenen Tarifen, von denen selbst die bekannteren wie die Gothaer und die Barmenia nur zwischen 150000 und 300000 Versicherte zählen.

Mangelnder Nachwuchs, Kostensteigerungen und einige Patienten mit teuren Erkrankungen und Operationen können eine Kasse da leicht in finanzielle Schwierigkeiten bringen, zumal Ä„rzte und Krankenhäuser von Privatversicherten oft relativ beliebig das Mehrfache von dem verlangen, was sie bei gesetzlich Versicherten als festgeschriebenes Honorar abrechnen dürfen. Genau aus diesem Grund wollen die privaten Krankenkassen das Recht, Honorare und Preise mit den Medizinern, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie direkt auszuhandeln. Das dürfte die möglichen Vertragspartner wenig erfreuen, verdienen sie doch vor allem an den Privatversicherten. Doch die privaten Kassen haben kaum eine Alternative, denn eine Reduzierung der oft gepriesenen vielfältigen Leistungen dürfte sich wenig werbewirksam auf künftige Neukunden auswirken.            R. Bellano

Foto: Zweibettzimmer: In manchen Krankenhäusern für gesetzlich Versicherte eher selten


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