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01.01.11 / Weiter kaltgestellt / Chodorkowski für schuldig erklärt − Strafmaß erst im Januar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Weiter kaltgestellt
Chodorkowski für schuldig erklärt − Strafmaß erst im Januar

So wie der zweite Prozess gegen den ehemaligen Jukos-Chef Michail Chodorkowski verlaufen war, hatte niemand ernsthaft mit einem Freispruch des Ex-Oligarchen und seines mitangeklagten Partners Platon Lebedew gerechnet. Genauso wenig hat es verwundert, dass die Urteilsverkündung am 27. Dezember morgens um zehn Uhr unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, obwohl die Sitzung eigentlich öffentlich war und weltweit Aufmerksamkeit erregt hatte. Nach einer 15-minütigen Pause wurden die Journalisten einfach nicht wieder in den Gerichtssaal eingelassen. Auch die Ehefrau des Angeklagten musste ohne Angabe von Gründen den Saal verlassen, als Richter Viktor Danilkin das Urteil verkündete. Chodorkowski und Lebedew vernahmen den Schuldspruch in einem Käfig aus Glas. Das Urteil lautete: Schuldig. Chodorkowski wird für schuldig befunden, 218 Millionen Tonnen Öl unterschlagen und Geldwäsche in großem Stil betrieben zu haben.

Die Aussagen wichtiger Entlastungszeugen wie dem damaligen Regierungschef Michail Kassjanow und dem ehemaligen Wirtschaftsminister German Gref fanden offensichtlich keine Berück-sichtigung. Vor allem Gref hatte im Sommer zugunsten Chodorkowskis ausgesagt, indem er die Anschuldigungen als "grotesk" bezeichnete und erklärte, dass der Diebstahl einer so immensen Menge Öl ohne Wissen des Staats unmöglich gewesen wäre. Zum fraglichen Zeitpunkt hätten bereits alle Ölkonzerne unter der Aufsicht des Wirtschaftsministeriums gestanden.

Während im Westen der Prozess mit Argwohn beobachtet und die Durchführung des Verfahrens  als unfair und politisch motiviert verurteilt wird, gibt es in Russland nur wenige Unterstützer für Chodorkowski und Ledbedew, denen es zudem meist an Einfluss fehlt. Wenn jemand Partei für die Angeklagten ergreift, muss er selbst mit der Verhaftung rechnen. Am Montag demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude einige Hundert Menschen und riefen "Freiheit". 20 wurden verhaftet.

Anhänger der Bürgerbewegung "Oborona" (Verteidigung) wagten mutige Aktionen. Sie versammelten sich am Sonntag vor dem "weißen Haus" in Moskau zu einer Protestaktion, bei der sie eine Putin-Figur im Käfig vorführten. Auf einem Transparent war zu lesen "Freiheit für Chodorkowski! Brot und Wasser für Putin!" Zur gleichen Zeit sprühten in Jekate-rinburg Oborona-Aktivisten Graffiti mit Porträts von Chodorkowski und Putin mit der Aufschrift "Tausche Putin gegen Chodorkowski" an 80 Häuserwände. Die Vorlage zu diesem "Flashmob" hatte Putin selbst geliefert mit seinem Ausspruch "Diebe gehören ins Gefängnis", mit dem er in der vergangenen Woche das Urteil gleichsam vorweggenommen hatte. Dass bei der Aktion niemand verhaftet wurde, hätten die Protestler "Väterchen Frost" zu verdanken, sagte Stepan Rudakow, einer der Beteiligten, dem Sender "Echo Moskau" in einem Interview. Bei dreißig Grad Kälte sei einfach kein Polizist auf der Straße gewesen.

Wie Chodorkowskis Sohn Pawel glauben viele, dass Richter Danilkin unter direktem Druck Putins steht. In Russland zweifelt so gut wie niemand daran, dass Chodorkowski bis nach der Präsidentenwahl 2012 in Haft bleiben wird. Mit der Veröffentlichung des Strafmaßes wird Anfang Januar gerechnet. Weitere sechs Jahre Haft gelten als wahrscheinlich. Manuela Rosenthal-Kappi


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