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01.01.11 / Falsche Moralapostel beherrschen die Szene

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Gastbeitrag
Falsche Moralapostel beherrschen die Szene
von Konrad Löw

Es gehört zu den elementarsten und unumstrittensten Einsichten von Justiz und Moralphilosophie, dass es keine kollektive Schuld gibt. Vielmehr sind Schuld und Verdienst höchstpersönlich. Nur Diktaturen - nicht zuletzt der Nationalsozialismus - haben mit kollektiver Schuld ganzer Gruppen und Völker argumentiert. Dennoch wird in Deutschland seit einigen Jahren in einer Weise von "deutscher" Schuld gesprochen, die stark zu einem Kollektivschuldvorwurf tendiert. Als Jurist und Politologe habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen und - da es ersichtlich schlecht begründet ist - ihm auch die Stirn zu bieten. Über ein paar aktuelle Vorgänge dieses politischen Streits möchte ich im Folgenden berichten.

1. Im August dieses Jahres ist ein kleines Wunder geschehen. Das Bundesverfassungsgericht hat auf meine Beschwerde hin einstimmig festgestellt, dass mich der "Aufschrei" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) im Jahre 2004, dem die Veröffentlichung meines Aufsatzes "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte" vorausgegangen war, in meinen Grundrechten verletzt hat - die PAZ hat darüber ausführlich berichtet. Nun hatte ich nie an der Rechtsverletzung gezweifelt, aber Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Stiefel. Wenn ich von kleinem Wunder spreche, so deshalb, weil die Erfolgsrate solcher Beschwerden unter einem Prozent liegt. Die Erfahrung mit dem Gericht bestärkt mich in der Überzeugung, dass es überall anständige Menschen gibt und es vor allem darauf ankommt, ihnen gediegene Beweise zu präsentieren. Hier nun ein Kernsatz aus der Entscheidung: "Von vornherein ausgeschlossen sind Ä„ußerungen [der bpb] gegenüber Einzelnen, die allein dem Bestreben dienen, eine behördliche Auffassung, namentlich eine von der Bundeszentrale für richtig gehaltene spezifische Geschichtsinterpretation zur Geltung zu bringen und als einzig legitim oder vertretbar hinzustellen."

2. Das Urteil hatte einen Aufschrei in der Presse zur Folge. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat korrekt berichtet, von der "Welt" kann man das nicht sagen und am anderen Ende der Skala stand die "Süddeutsche Zeitung". Sie brachte am 29. September auf Seite 1 einen vierspaltigen Artikel unter der Überschrift: "Verfassungsgericht schützt Geschichtsfälschung". Doch wer die "Geschichtsfälschung" sucht, sucht vergebens. Das Ganze ist eine Infamie gegen das Gericht wie gegen mich. Abschießend wird auf die Glosse S. 4 verwiesen. Dort ein Produkt aus Häme und Lüge, alles unter der Überschrift: "Dr. jur. absurd".

Nachdem ich diese Infamien gelesen hatte, stand für mich fest, dass ich alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausschöpfen muss, um nicht im Sumpf der Journaille unterzugehen. So habe ich Antrag auf Gegendarstellung gestellt, dem das Landgericht München entsprochen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ferner habe ich gegen Heribert Prantl, den Verfasser von "Dr. jur. absurd", Privatklage erhoben. Ob es zu einem Verfahren kommt und wie es endet, wird sich zeigen.

Außerdem habe ich Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt, der aber nur viermal im Jahr tagt. Der Schluss meiner Beschwerde lautet: "Die ,Süddeutsche Zeitung‘ ... wird wohl von rund einer Million Menschen gelesen. Wer als anständiger Mensch den zitierten Vorwürfen Glauben schenkt, kann für den, den die Vorwürfe treffen, nur Verachtung übrig haben. Der soziale Tod des Opfers ist offenbar das Ziel der Verleumdungen. Besonders Gewicht erhalten die Vorwürfe noch dadurch, dass sie der Ressortleiter Innenpolitik, Prof. Dr. Heribert Prantl, erhebt. Ich weiß um meine armselige Position verglichen mit dem Pressegoliath Süddeutscher Verlag. Doch ich vertraue auf das Recht und darauf, dass bei uns Recht vor Macht geht ..."

3. "Hitler und sein Volk" ist der Titel eines Buches, das die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) seit 2003 vertrieben hat. Auf der Rückseite steht: "Der Autor [gemeint ist ein US-Amerikaner namens Gellately] ... beweist stichhaltig, dass die Deutschen nicht nur von den Verbrechen der nationalsozialistischen Machthaber wussten, sondern ... weit aktiver, als bisher bekannt war, mithalfen - durch Zustimmung, Denunziation oder Mitarbeit." Darunter "bpb", sonst nichts.

Dieser "Beweis" widerspricht meinen Erkenntnissen. Daher habe ich das Buch besonders genau gelesen, aber nirgendwo diesen "Beweis" entdeckt. Also wandte ich mich nach und nach an alle mitverantwortlichen Stellen, so den Bundesminister des Innern, den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, den Präsidenten des Deutschen Bundestages und das für die bpb zuständige Kuratorium des Deutschen Bundestages. Keine dieser Instanzen hat den "Beweis" verteidigt. Die Antworten lauteten: Ich würde den Text missverstehen, der Text gebe nicht die Meinung der bpb wieder, das Buch würde nun nicht mehr ausgeliefert. Nur Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich von dem Text distanziert. Nun ist es tatsächlich so weit: Das Buch steht nicht mehr im Katalog der bpb, obwohl es, so die Auskunft des Vertriebs, immer noch gefragt sei. Offenbar sind auch die Verantwortlichen zu der Einsicht gelangt, dass das Buch gerade nicht beweist, was es beweisen soll. Die vom Steuerzahler finanzierte Bundeszentrale hat ihre Verleumdung "der" Deutschen nicht widerrufen, aber sie verbreitet sie auch nicht weiter - immerhin.

4. Mit großer Dankbarkeit bekunde ich, dass der Olzog Verlag meine umfassende Sammlung der einschlägigen Zeitzeugnisse unter dem Titel "Deutsche Schuld 1933 bis 1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen" veröffentlicht hat. Dazu gehört Mut. Denn es ist doch kein Zufall, dass diese Zeugen weithin unberücksichtigt geblieben sind, worauf ich in meinem Text ausführlich eingehe. Nicht minder groß ist meine Freude, dass sich sowohl Klaus von Dohnanyi als auch Alfred Grosser bereit fanden, das Manuskript mit einem Beitrag aufzuwerten.

5. In dem genannten Buch weise ich nach, wie vielfältig die Angriffe auf die Deutschen sind und wie sie nicht abnehmen, sondern volle zwei Generationen nach dem Ende der NS-Diktatur an Gewicht zunehmen. Darf man diese Entwicklung gleichgültig hinnehmen? Immer wieder denke ich darüber nach und komme zu einem entschiedenen Nein. Dazu verpflichten mich meine "Verantwortung vor Gott und den Menschen", um das Grundgesetz zu zitieren. Ich denke dabei an die Zehn Gebote, "Du sollst Vater und Mutter [also die Vorfahren] ehren …", "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten" und an das Verfassungsgebot: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - wir haben sie zu schützen.

Das Buch dient nicht der höheren Ehre des deutschen Volkes. Es beweist nur, wie ich meine, und dieses nur ist sehr viel, dass die große Mehrheit Hitlers Antisemitismus nicht verinnerlicht und nicht akzeptiert hat. Darin stimmen so gut wie alle Zeitzeugen überein. Das ist das Neue, die Sensation gleichsam. Doch auch die Gegenstimmen werden erwähnt.

Natürlich wäre es beglückend, wenn die Zahl der Helden größer gewesen wäre. Das Buch zeigt aber auch anhand der großen Werke der Ethik, dass Heroismus keine moralische Pflicht ist. Wer ihn lebt, verdient unsere Bewunderung. Wir sollten ihm nacheifern. Wer aber mit Blick auf die Menschen in einer brutalen Diktatur das Fehlen des Heroismus tadelt und zugleich Angst hat, in einer freien Gesellschaft einfache Wahrheiten gegen die Vorgaben der Political Correctness zu verteidigen, gleicht einem Moralapostel, der den rechten Weg weist, ohne ihn selbst zu gehen. Solche Figuren beherrschen heute die Szene.

 

Dr. Konrad Löw ist Jurist und war Professor für Politikwissenschaft an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth.


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