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01.01.11 / Als Hamburg eine Metropole Frankreichs war / Vor 200 Jahren wurde die Hansestadt Amtssitz des Generalgouverneurs der Hanseatischen Departements

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Als Hamburg eine Metropole Frankreichs war
Vor 200 Jahren wurde die Hansestadt Amtssitz des Generalgouverneurs der Hanseatischen Departements

Von Lissabon bis Wladiwostok" eine Freihandelszone - Russlands Premier Wladimir Putins jüngster Vorschlag hat Tradition. Vor 200 Jahren schwebte Napoleon ein Kontinentalsystem vom Atlantik bis zum Pazifik vor, bis an die Grenzen Chinas reichend. Die antibritische Kontinentalsperre sollte den eurasischen Doppelerdteil umfassen. Anfang Oktober 1810 fasste der Imperator den Entschluss, Russland zu unterwerfen - im Frühjahr 1812. Eine umfangreiche Aufrüstung rollte an.

Am 13. Dezember 1810 beschloss der Pariser Senat den Anschluss großer Teile Norddeutschlands. Die neue "natürliche Grenze" im Nordosten Frankreichs war jetzt nicht mehr der Rhein, sondern die Elbe - vorerst zumindest. Um die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck herum, um Osnabrück und Minden, um Oldenburg und Bremerlehe, dem heutigen Bremerhaven, im Umkreis von Lüneburg und Stade erstreckten sich Napoleons drei "Hanseatische Departements". Am 1. Januar 1811 ordnete Bonaparte die Einteilung in die Departements der Elbemündung (DÄ©partement des Bouches de l’Elbe) mit Hauptsitz Hamburg, der Wesermündung (DÄ©partement des Bouches du Weser) mit Hauptsitz Bremen und der Oberems (DÄ©partement de l’Ems-SupÄ©rieur) mit Hauptsitz Osnabrück an. Am 27. April 1811 kam das Departement der Lippe (DÄ©partement de la Lippe) mit Hauptsitz Münster hinzu.

Die drei Departements Oberems, Wesermündung und Elbmündung bildeten ein "Generalgouvernement", ein Besatzungsgebiet. Eine vollständige Integration ins Empire war vorgesehen. In Hamburg, das als eine von 49 Städten im Kaiserreich mit dem Ehrentitel "bonne volle de l’Empire francais" ausgezeichnet wurde, residierte als Generalgouverneur der Marschall Louis-Nicolas Davout.

Der Sieger von Auerstedt stellte bis Anfang 1812 das I. Korps der gegen Russland gerichteten Grande ArmÄ©e zusammen. Ein II. Korps stieß dann aus der Mitte Deutschlands hinzu, nahm seinen Weg über die Elbfestung Magdeburg. Ein III. Korps rückte aus Norditalien heran, Dresden ansteuernd. Im Juni 1812 überschritten 600000 Soldaten des Kaiserreiches und seiner Verbündeten die Memel.

In den Hanseatischen Departments spielten jetzt Zivilverwalter die Hauptrolle, neben deutschen auch französische. Auf der anderen Seite saßen norddeutsche Politiker nun in einem französischen Zentralparlament, dem Pariser Corps lÄ©gislatif. Aus Hamburg gehörte der bisherige Senator Amandus Augustus Abendroth dazu, ein wendiger Politiker, der 1830 noch Bürgermeister wurde.

Die allgemeine Kriegsdienstpflicht, und dann auch noch für eine fremde Nation war neu. Diese Aushebungen erregten ebenso Unmut in der Hamburger Bevölkerung wie die finanzielle Ausplünderung durch die Besatzungsmacht und die Kontinentalsperre mit ihrer schädlichen Wirkung auf den Handel.

Angesichts dieser mit Napoleons Diktatur verbundenen Strapazen trat im Bewusstsein und dem kollektiven Gedächtnis der Hamburger der Modernisierungsschub, den die französische Besatzung brachte, in den Hintergrund. Das Steuersystem wurde einfacher, die öffentlichen Haushalte durchsichtiger. Eine breite Chaussee begann Paris und Hamburg miteinander zu verbinden.

Der Brand von Moskau im September 1812 markierte dann die Wende. Die zurückflutenden Reste der Großen Armee und die nachsetzenden alliierten Truppen machten sich in Norddeutschland zuerst bemerkbar. Von März bis Mai 1813 war die französische Stadt "Hambourg" russisch besetzt, das alte politische System wurde wiederhergestellt.

Generalgouverneur Davout gelang es jedoch, die Elbmetropole zurückzuerobern. Daraufhin legte sich im Dezember 1813 ein russischer Belagerungsring um die Doppelfestung "Hambourg-Haarbourg". Davout ließ die 30000 ärmsten der 100000 Bewohner vertreiben, um dem Gegner ein Aushungern der Festung zu erschweren. Die Elbe war wochenlang zugefroren, die Lazarette überfüllt. Vor den Mauern und Wallanlagen wurden ganze Siedlungen demoliert, einige Dörfer im Vorfeld von französischen Militärs niedergebrannt. Die Belagerung dauerte bis zum Ende der Befreiungskriege an. Erst nach der Abdankung Napoleons und der Restauration der Bourbonenherrschaft übergaben die Franzosen auf ausdrücklichen Befehl Ludwigs XVI. die deutsche Stadt den Belagerern und zogen ab.

Dieses schlimme Ende hat viele Norddeutsche veranlasst, die kurze Zugehörigkeit zu Frankreich als eine einzige Katastrophe zu betrachten. Zum Teil bis heute hat sich die anklagende Bezeichnung der "Franzosenzeit" gehalten -   zwar nicht unbedingt differenziert, aber sozialpsychologisch nur zu verständlich.

Am Zweiten Weltkrieg haben wir noch katastrophaler erlebt, welche ungeheuren humanen und sozialen "Kosten" durch Versuche entstehen können, einen Wirtschaftsraum "von Lissabon bis Wladiwostok" mit gewaltsamen Mitteln zu schaffen. Allein friedliche, föderalistische Wege sind beschreitbar. PAZ/I.H.


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