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01.01.11 / Wegbereiter der jüdischen Aufklärung / Der Philosoph Moses Mendelssohn wurde trotz seiner Bedeutung nie Mitglied der Akademie der Wissenschaften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Wegbereiter der jüdischen Aufklärung
Der Philosoph Moses Mendelssohn wurde trotz seiner Bedeutung nie Mitglied der Akademie der Wissenschaften

Im 18. Jahrhundert war Moses Mendelssohn einer der berühmtesten Bürger Berlins. Er starb vor 225 Jahren am 4. Januar 1786. Geboren wurde er am 6. September 1729 in Dessau. Mendelssohn war der Sohn des Gemeindeschreibers Mendel Heymann (1683- 1766) und dessen Ehefrau Rachel Sara Wahl.

Der Junge fiel schon früh durch eine hohe Intelligenz auf und beherrschte mit zehn Jahren Jiddisch, Hebräisch und Aramäisch. Er besuchte ab 1739 die Klasse des Dessauer Oberrabbiners David Hirschel Fränkel (1707- 1762), in der er sich bald mit früher jüdischer Philosophie befasste. Der kränkelnde Junge wurde von einem Nervenleiden befallen, das zum Stottern und zu einer ausgeprägten Rückgratverkrümmung führte.

Als Fränkel nach Berlin berufen wurde, folgte ihm sein Schüler und bildete sich dort in Deutsch, Französisch, Englisch und Lateinisch aus. Er lebte in der Probstgasse 3 in einer Dachkammer und ernährte sich durch Abschreibearbeiten für Fränkel und Teilnahme an einem Freitisch.

1750 wurde er Hauslehrer für die Kinder des Seidenhändlers Isaak Bernhard. Diese Tätigkeit ließ ihm die Möglichkeit autodidaktischer Studien auf den Gebieten der deutschen und englischen Philosophie. Seit 1754 arbeitete Mendelssohn für Bernhard auch als Buchhalter. Aus dieser Funktion brachte er es zum Geschäftsführer und Teilhaber.

1754 ergab sich die Bekanntschaft mit Gotthold Ephraim Lessing (1729- 1781), der ihm seinerseits die Bekanntschaft mit Friedrich Nicolai (1733- 1811) vermittelte. Alle drei gehörten zum Montagsclub der Berliner Aufklärung, der sich im Preußen Friedrich des Großen frei entfalten konnte. Mendelssohn wurde so einer der Begründer der Haskala, der jüdischen Aufklärung. 1763 gewann der mittlerweile mit Fromet Gugenheim (1737- 1812) verheiratete Aufklärer den Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften auf die Frage "Sind die metaphysischen Wahrheiten von gleicher Evidenz wie die mathematischen?", ein Thema, um das sich auch Immanuel Kants epochale "Kritik der reinen Vernunft" von 1781/87 dreht. Damit wurde er einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Mendelssohn hätte unbehelligt sein philosophisches Werk fortsetzen und vielleicht sogar in die Akademie aufgenommen werden können, wenn ihn nicht der Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater (1741- 1801) öffentlich aufgefordert hätte, die 1769 in Genf erschienene Schrift von Charles Bonnet (1720- 1793) "IdÄ©es sur l’ĩtat futur des Ītres vivants, ou PalingÄ©nÄ©sie philosophique" entweder zu widerlegen oder selbst Christ zu werden. Mit diesem Werk, dessen deutsche Übersetzung 1771 unter dem Titel "Philosophische Untersuchung der Beweise für das Christentum" in Zürich veröffentlicht wurde, hatte Bonnet für sich in Anspruch genommen, das Weiterleben nach dem Tode als empirische Tatsache bewiesen zu haben. Mendelssohns scharfe Antwort auf Lavaters Zumutung war infolge des damit verbundenen Stresses mit einem Zusammenbruch verbunden.

Inwieweit Friedrich der Große diese Vorgänge verfolgt hat, ist bisher noch nicht geklärt. Fest steht, dass Friedrich die nötige Bestätigung verweigerte, als Mendelssohn auf Initiative des Präsidenten der Philosophischen Klasse Johann Georg Sulzer (1720- 1779) in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen werden sollte. Zuvor hatte der König den jüdischen Philosophen am 14. Dezember 1771 nach Potsdam eingeladen und zwar auf Bitten des sächsischen Ministers Thomas von Fritsch (1700- 1775), der Mendelssohn gern selbst kennenlernen wollte. Wie der Philosoph auf den König gewirkt hat, ist nicht überliefert. Möglicherweise hat der König Mendelssohns Aufnahme in die Akademie abgelehnt, weil dieser in seinen Predigten vor der jüdischen Gemeinde Preußens Sieg über das österreichische Heer bei Leuthen vom 15. Dezember 1757 und den Abschluss des Friedens von Hubertusburg vom 15. Februar 1763 als Sieg Gottes und nicht als einen des Königs gepriesen hatte.

Mendelssohn reiste in den folgenden Jahren zur geistigen Entspannung und Wiederherstellung seiner Gesundheit viel herum, bis er sich ab 1778 wieder literarischen Arbeiten zuwandte und sich um die Verbesserung der Lebenssituation der Juden in seinem Werk "Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum" kümmerte. Drei Jahre nach dem Erscheinen dieses Spätwerkes, am 4. Januar 1786, verstarb der jüdische Philosoph in Berlin. Am darauffolgenden Tag wurde er auf dem Berliner Jüdischen Friedhof beerdigt, wo noch heute ein rekonstruierter Grabstein an ihn erinnert.           Jürgen Ziechmann


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