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08.01.11 / Der Basar ist eröffnet / Mit der Verkleinerung der Bundeswehr beginnt der Kampf um Standort-Schließungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Der Basar ist eröffnet
Mit der Verkleinerung der Bundeswehr beginnt der Kampf um Standort-Schließungen

Der Verteidigungsminister hat es deutlich gesagt: „Bis Mitte 2011 gibt es Klarheit über die Bundeswehr-Standorte … Stationierungen haben in erster Linie nach militärischen und nicht nach regional- oder parteipolitischen Kriterien zu erfolgen.“ Das wäre in der Tat eine Revolution. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ergeben nämlich ein völlig anderes Bild.

Mit den ersten Gerüchten über Reduzierungen der Truppenstärke und daraus resultierenden Standortschließungen entdecken etliche Bürgermeister, Landräte, Stadträte, Kreistage, Landtags- und Bundestagsabgeordnete sowie Ministerpräsidenten ihre Liebe zur Bundeswehr. Es gibt Bürgerinitiativen und Solidaritätsbekundungen en masse – nicht wegen der Soldaten, die man nicht missen möchte, sondern wegen deren Kaufkraft, die in kleineren und mittleren Städten und Gemeinden von großer Bedeutung ist.

Im Vergleich zu ihren Nachbargemeinden haben die Garnisonen in vielfältiger Weise profitiert. Die Verkehrsinfrastruktur, Bildungseinrichtungen, Sportstätten und die kulturellen Angebote hatten und haben einen Standard erreicht, der ohne die Bundeswehr kaum möglich geworden wäre. Umso schmerzlicher ist eine drohende Standortschließung.

Die Argumente der Soldaten zählten in der Vergangenheit am wenigsten. Auf ihre Belange und die ihrer Familien wurde wenig Rücksicht genommen. Begehrte Standorte wurden aufgegeben zu Gunsten wirtschaftlich schwacher Gebiete. „Traumstandort gegen Einöd-Standort“ war die bittere Pille. Der Schulbesuch der Kinder und die Berufschancen qualifizierter Ehefrauen oder die zivilberufliche Weiterbildung der Zeitsoldaten spielten letztendlich keine Rolle. Die Folge: Eheleute und Familienväter zogen in die Fremde, die Familien blieben vor Ort. Die Zahl der die Woche über getrennten Partnerschaften und Familien hat dramatisch zugenommen – mit negativen Folgen für viele Familien, für den inneren Zusammenhalt der Einheiten sowie für das Zusammenleben von Soldaten und der Zivilbevölkerung in den Standorten. Die wiederholten Auslandseinsätze verschärfen diesen Trend.

Das „freundliche Desinteresse“ (Ex-Präsident Horst Köhler) an den Soldaten und ihrem Dienst hat weiter zugenommen. Nach dem Jahreswechsel wird die Diskussion über mögliche Standortschließungen weiter zunehmen. Die Amtsträger, die der Aussetzung der Wehrpflicht und der drastischen Reduzierung der Truppenstärke zugestimmt haben, werden aktiv werden, wenn die Schließung „ihrer“ Kaserne droht.

Die Reduzierung der Truppenstärke von 250000 auf zum Beispiel 180000 bedeutet eine Schließung von bis zu 70 Standorten. Das ist bei einer derzeitigen Zahl von rund 390 Standorten ein drastischer Einschnitt. Politische Kompromisse über die Zahl der zu schließenden Standorte belasten den Verteidigungshaushalt. Ohne Bundeswehr werden in diesen bisherigen Garnisonen manche Lichter ausgehen. Ohne die Bundeswehr wird sich die Infrastruktur verschlechtern – wie an vielen Orten auch die kulturellen Angebote. Der politische Druck auf den Verteidigungsminister – auch aus den eigenen Reihen – wird bis Mitte 2011 deutlich zunehmen. Danach ist politische Schadensbegrenzung angesagt.

Man wird – wie in der Vergangenheit mit unterschiedlichem Erfolg – die aufgelassene Kaserne als Gewerbegebiete anbieten. Die Filetstücke sind bereits in den letzten Jahren weitgehend verkauft worden. Die Käufer bestehen auf  „saubere“ Kasernen und „gereinigte“ Übungsplätze. Das kostet viel Geld. Eine gesamtwirtschaftliche Gegenrechnung von erhofften Einsparungen im Verteidigungshaushalt durch die Truppenreduzierung einerseits und den erforderlichen Kompensationsleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden andererseits wäre für den Steuerzahler interessant. Niemand hat sie bisher erstellt.

In der neuen Struktur benötigt die Bundeswehr junge Männer und Frauen –, die sich freiwillig zum Wehrdienst melden. Auch für diese jungen Menschen spielt die Attraktivität der Standorte eine große Rolle. Es ist dem Minister sowie den Soldaten und ihren Familien zu wünschen, dass dieses Mal die militärischen Belange tatsächlich im Vordergrund stehen. Dieter Farwick


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