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08.01.11 / Öffentliche Toiletten als Prestigeobjekt / Stadtväter erfüllen eine Anordnung des Ex-Gouverneurs − Nun fehlt Geld für Veteranenwohnungen 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Öffentliche Toiletten als Prestigeobjekt
Stadtväter erfüllen eine Anordnung des Ex-Gouverneurs − Nun fehlt Geld für Veteranenwohnungen 

„Non olet“ – „Es stinkt nicht“ meinte einst der römische Kaiser Vespasian über die Einnahmen der „ewigen Stadt“ aus dem Betrieb ihrer Latrinen. Die Stadt Königsberg hat im vergangenen Jahr ein ganz ähnliches Thema intensiv beraten, wobei hier eher logistische Probleme und hohe Ausgaben als Einnahmen für Ärger sorgten. Insbesondere den Veteranen „stinkt“ der Beschluss der Stadtväter.

Im vergangenen Frühjahr hatte eine Fernsehsendung auf das Fehlen öffentlicher Toiletten in Königsberg aufmerksam gemacht. Daraufhin beauftragte kein Geringerer als der damalige Gouverneur Georgij Boos Bürgermeister Alexander Jaroschuk, sich um das „dringende Bedürfnis“ zu kümmern. Dieser berief den Königsberger Kreisrat ein und unmittelbar nach der Sitzung machte man sich geflissentlich ans Geschäft.

 In den folgenden Monaten wurden Informationen gesammelt und Pläne erstellt, Expertisen eingeholt und Modelle für neue Toilettenhäuschen gebaut. Die Stadtabgeordneten segneten auf ihrer Sommersitzung den endgültigen Entwurf ab und beschlossen, die ersten öffentlichen Toiletten am neu gestalteten Ufer des Oberteichs aufzustellen.

Nach langer Bauzeit waren im September die ersten beiden vollautomatischen Toilettenhäuser aufgestellt. Eine Kommission mit der verantwortlichen Leiterin der Stadtverwaltung Swetlana Muchomor war anwesend, um das „Wunder der Technik“ eigens auszuprobieren. Sie alle waren mit dem Ergebnis zufrieden. Die Toiletten sind nach dem neuesten Stand der Technik gebaut wie in vielen europäischen Ländern. Die Nutzung der Toilette kostet umgerechnet 24 Cent.

Von außen sind die Toilettenhäuser mit alten Ansichten von Königsberg verschönert. Für jede neue öffentliche Toilette stellt die Stadt eine Million Rubel (gut 24000 Euro) zur Verfügung. Über diese Mittel wurde in der Versammlung des Stadtrats allerdings viel diskutiert, weil man das Geld eigentlich für die Renovierung von Wohnungen für Kriegsveteranen anlässlich des 65. Jahrestags des Sieges verwenden wollte. Die meisten Veteranen leben in Sozialwohnungen. Eigentlich hätte die Renovierung schon 2010 abgeschlossen sein sollen. Die Stadt hatte dafür über 195000 Euro bereitgestellt. Doch bis zum Herbst waren erst 16600 Euro für die Renovierung von vier städtischen Wohnungen ausgezahlt worden, also weniger als für eine  einzige Toilette.

Auch die Platzierung des ersten Toilettenhäuschens rief Unverständnis hervor. Außer im Sommer kommen fast keine Menschen an den Oberteich. Doch da, wo Toiletten vonnöten wären, zum Beispiel am Hansaplatzes oder beim Kaufhaus „Majak“ auf dem Leninprospekt, wo sich am Abend viele junge Leute aufhalten und sich in den nahegelegenen Höfen betrinken, gibt es gar keine öffentlichen Toiletten. Sie verrichten ihre Notdurft deshalb in Einfahrten und an Häuserecken. Selbst am Gebäude der Stadtverwaltung weht dem Vorbeigehenden Urin-Gestank aus den umliegenden Gebüschen entgegen. Alle Hoffnung liegt nun auf dem neuen Gouverneur, dass er dem Problem ein Ende bereiten wird.

Jurij Tschernyschew/K.B.

Foto: Am Königsberger Oberteich: Alte Stadtansichten verschönern die modernen Bedürfnisanstalten.


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