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08.01.11 / Eine Schweinsblase als Signal / Das Schlachtfest war einst der Höhepunkt im Dorfleben – Mancherorts wird der Brauch wiederbelebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Eine Schweinsblase als Signal
Das Schlachtfest war einst der Höhepunkt im Dorfleben – Mancherorts wird der Brauch wiederbelebt

Nach dem 1945 verlorenen Krieg und seinen Entbehrungen für viele Städter lebte sie wieder auf, die Tradition der Schlachtfeste und Metzelsuppen (Wurstbrühe) auf den Dörfern. Hier wurde urbanes Leben zelebriert, ein fröhliches Treffen oft in der Scheuer inszeniert. Der Pfarrer war dabei und andere Gemeindegrößen. Es war nicht nur ein „großes Fressen“, sondern auch ein Mordsspaß, bei dem je nach Gegend Bier, Wein oder Most in Strömen floss. Denn das Schlachten war einer der Höhepunkte im Dorfleben, und ein jeder Bauer hatte seine eigenen Rezepte für die Leber- und die Blutwurst. Meist in Gläsern eingemacht, manchmal schon in Büchsen schmückten sie über die langen Winter die Regale in den Kellern und Vorratskammern. Schinken wurden in eine Lauge eingelegt und jedes Haus besaß eine Räucherkammer, wo auf Buchenscheiten und mit Wacholder gewürzt, das Rauchfleisch reifte. Heute erinnert oft nur noch in den Gaststätten mit deutscher Küche die obligatorische Schlachtplatte an diesen Höhepunkt des Dorflebens. Und eine zünftige Metzelsuppe gibt es kaum noch. Umso wichtiger war sie zum Beispiel im schwäbischen Killertal nach dem Einmarsch der Franzosen. Es musste damals schwarz geschlachtet werden, denn die Besatzungsmacht übte strenge Kontrollen aus. So traf man sich meist in der Nacht wie ein Häuflein Verschworener in dem einen oder anderen Haus bei abgedunkelten Fenstern. Dann kam sie auf den Tisch, die heimliche Metzelsuppe. Es gab Sauerkraut mit warmer Blutwurst und warmer Leberwurst und alle hofften, dass kein Spitzel der „Franzmänner“ etwas davon mitbekam. Den Kindern wurde strengstes Stillschweigen auferlegt, damit sie sich anderntags nicht verplapperten. Doch dann stellten immer mehr Kleinlandwirte die Viehhaltung ein, ganze Dörfer verkamen zu Wohnsiedlungen für benachbarte Städte. Jenseits der Mauer sorgte das Einbringen der bäuerlichen Betriebe in Kolchosen ebenfalls für das Absterben alter Traditionen.

Landauf landab macht sich heutzutage wieder eine nostalgische Sehnsucht nach diesen Genüssen unserer Großväter breit. Im kleinen Ort Schlatt zu Füßen der Hohenzollernburg beispielsweise versucht die

Wirtschaft „Zum Hannes“, etwas von dem alten Brauch wiederaufleben zu lassen. Früher gab es – wie in vielen anderen Gemeinden Deutschlands – mehrere Gaststätten im Dorf, dann über Jahrzehnte keine mehr. Landflucht und Fernsehen sorgten für einen dramatischen Kundenschwund. Jetzt gibt es wieder eine, die versucht, den Glanz der alten Zeit zurückzuholen. „Der Metzger sait, die Sau isch fett, die Sau, die muss jetzt oifach weg!“ schrieb Wirt Johannes Nerz an seine Stammgäste. Und er kündigte ihnen für den Dezember als Attraktion an: „Mitten im Lokal, aus dem Kessel. Mit Knöchle, Bäckle, Kesselfleisch und Blut- und Leberwürstle. Ob Spätzle, Kraut, Kartoffelbrei, es ist für jeden was dabei!“

Solche Feste haben eine uralte Tradition bis in die Frühzeit und sie gehörten auch in Ostpreußen zum jährlichen bäuerlichen Treiben der ersten Wintermonate. In einigen Gemeinden, wie in Klostermannsfeld, bekamen sogar die Kinder schulfrei. Oft wurden die Schlachttiere geschmückt und manchmal sogar von einem geistlichen Würdenträger gesegnet.

In der Pfalz hat sich dieser Brauch erhalten. Privathaushalte oder Gaststätten laden dann zum Schlachtfest mit den obligatorischen Zutaten ein, zu denen meist noch Wellfleisch und Knödel hinzukommen. Und oft kaufen die Nachbarn frische Würste und bessern so die Kasse des Veranstalters auf. So ein Schlachtfest wird traditionsgemäß durch eine an der Pforte aufgehängte, aufgeblasene Schweinsblase signalisiert, ähnlich wie im Herbst ein Besen den jungen Wein und das Öffnen der süddeutschen Besenwirtschaften ankündigt.

Auch in Teilen Schwabens und in Niedersachsen hat sich der Brauch des Schlachtfestes erhalten. Vielfach haben sich Vereine dieser Form der Geselligkeit angenommen. So veranstalten Feuerwehren und Sportvereine im Spätherbst große Feste, an denen die gesamte Gemeinde teilnimmt.

Wie wichtig die Sau in ländlichen Kreisen manchmal noch ist, zeigt sich bei Hochzeiten in Ostfriesland. Wenn alle beim Schmaus vereint sind, wird plötzlich eine Sau in den Saal getrieben. Der derbe Spaß soll Glück bringen. Eins tut er in jedem Fall – die weiblichen Gäste springen zur Gaudi der Mannsbilder auf Bänke und Stühle. Joachim Feyerabend


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